Der Rücktritt Mika Häkkinens war Mercedes keine Pressemitteilung wert gewesen. Der - vorhandene! - PR-Text zur Verpflichtung Ralf Schumachers präsentierte sich dagegen ungewohnt interessant. Hatte sich Ralf Schumacher bereits im vorangegangenen Pressegespräch recht bescheiden gezeigt, so übertraf er sich in der Pressemitteilung noch einmal selbst. "Natürlich ist mir vollkommen klar, dass weder Medien noch Zuschauer den größten Rennfahrer aller Zeiten in mir sehen", erkannte Schumacher. Und: "In meinen letzten drei Jahren in der Formel 1 war ich weitest gehend erfolglos."

Ralf Schumacher will jene Sympathien sammeln, die ihm zuletzt vor allem durch die Boulevardpresse über Gebühr entzogen worden waren. Zugleich gilt es bei Mercedes plausibel zu machen, warum ein gestandener Ex-Formel-1-Fahrer, der die addierte Siegbilanz von Jean Alesi und Heinz-Harald Frentzen allein um 50 Prozent überbietet, mit einem Jahreswagen vorlieb nehmen muss...

Ralf muss mit Mikas Altfahrzeug vorlieb nehmen, Foto: DTM
Ralf muss mit Mikas Altfahrzeug vorlieb nehmen, Foto: DTM

Was wäre für Ralf Schumacher im HWA-Neuwagen nicht alles möglich gewesen: Er hätte zeigen können, dass er noch rasanter startet als Jamie Green. Dass er sich noch schöner über Timo Scheider aufregen kann als Bruno Spengler. Dass er noch inhaltsreichere Statements abgibt als Bernd Schneider. Stattdessen der Wettbewerb im 2007er-Boliden: Hübscher als Susie Stoddart ist Ralf Schumacher nicht - den größeren Nachnamen als Mathias Lauda hat er durchaus. In der Formel 1 erfolgreicher als Gary Paffett war er allemal. Doch warum bloß dieser Jahreswagen?

Die "Audi im Rückspiegel"-Theorie

Im Cockpit als knallhart galt stets sein Bruder Michael - nicht erst seit Jerez 1997. Ralf dagegen wurde dagegen in der Formel 1 immer wieder mangelnde Härte nachgesagt. Im Zweikampf halte er nicht hart genug dagegen, mit Vorliebe lasse er sich überholen. Die Boulevard-Vorwürfe gingen bis hin zur heimlichen Homosexualität - hatte er sich doch Arm in Arm mit zwei schwulen Gastronomen fotografieren lassen. Nun also der Jahreswagen, womöglich bei Mücke Motorsport.

Soll Ralf Schumacher hier lernen, wie man sich gegen Überholversuche gegnerischer Neuwagen standhaft zur Wehr setzt? Angedachte Boxenstopp-Fenster hin oder her: Wer im Jahreswagen sitzt, muss sich breitmachen können - eine Qualität, die ihm sein früherer Toyota-Teamkollege Jarno Trulli leidenschaftlich vorlebte. So könnte Ralf 2008 durch die harte Schule der Audi-Blockade gehen und lernen, was Härte bedeutet...

Die "Toyota Copyshop"-Theorie

Schon 2006, als er im Toyota-Team noch von Siegen und WM-Triumphen träumte, hatte Ralf Schumacher Sympathien für die DTM bekundet - Gerüchte um einen Einstieg von Toyota-Tochter Lexus waren schon damals in aller Munde. Irgendwann könne er sich einmal vorstellen, in der DTM zu starten. Dass das "Irgendwann" mit dem unfreiwilligen F1-Aus früher kam als von Schumacher erhofft, tut nichts zur Sache - wohl jedoch die bisherige Abwesenheit von Lexus. Ist Schumacher den Japanern noch immer verbunden?

Bleibt Ralf den Japanern auch künftig verbunden?, Foto: Sutton
Bleibt Ralf den Japanern auch künftig verbunden?, Foto: Sutton

Mit Leidenschaft übertraf sich die japanische Edelmarke einst im Kopieren der Mercedes S-Klasse, getauft als "Lexus LS", immer wieder selbst. Mittlerweile zeigen die Lexus-Modelle ein halbwegs eigenständiges Design. Doch mit Blick auf die DTM-Technik könnte gelten: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? So könnte Ralf Schumacher über den Jahreswagen hinwegsehen: Die Erfolge will der Kerpener möglicherweise ohnehin im DTM-Lexus sammeln - der dann der C-Klasse unter der Haube verdächtig ähnlich sähe. Dass das Kopieren im fernen Osten als Kompliment gilt, ist schließlich kein Geheimnis...

Such den Jean

Unabhängig vom Alter seines Dienstwagens: Mit Spannung darf erwartet werden, wie Ralf Schumacher in der DTM auftreten wird. Dem Gebot der Publikumsnähe stellten sich in der DTM zwar meist auch seine Ex-F1-Vorgänger. Und doch wiesen sie ihre Eigenheiten auf: Heinz-Harald Frentzen pflegte das Medical Centre als "Hospitality" zu bezeichnen - fühlte er sich doch im Audi-Zelt noch weniger wohl. Während seine Teamkollegen hier meist an einem gemeinsamen Tisch Platz nahmen, saß der Mönchengladbacher oft mutterseelenallein an einem Extra-Tisch. Mika Häkkinen begeisterte sein journalistisches Gegenüber an guten Tagen mit intelligenten, schlagfertigen Antworten. Doch es gab auch die schlechten Tage...

Unvergessen das Versteckspiel mit Jean Alesi während seiner letzten DTM-Saison - im Jahreswagen: Ein Alesi-Statement galt als Rarität, stattdessen wurde "Such den Jean" gespielt. Gelegentlich fand man ihn im Schatten der Teamtrucks. Auch Ralf Schumacher wird 2008 nicht immer leicht zu finden sein. Norbert Haug warnt vor: "Klar ist, dass sich Ralf in der DTM zunächst auf Startplätze mit zweistelliger Ziffer einstellen muss und in seinem Lehrjahr eher im dritten als im zweiten Drittel des Feldes losfahren wird." So könnte es beim Blick auf die Ergebnislisten heißen: Such den Ralf...