Das Kontrastprogramm könnte kaum größer sein: Irgendwo zwischen Dörrwalde, Finsterwalde und Pechhütte befindet sich der hochmoderne EuroSpeedway Lausitz - errichtet auf einer 570 Hektar großen Fläche, wo vor nicht allzu langer Zeit noch nach Braunkohle geschaufelt wurde. Die DTM bringt jenen glamourösen Touch in den Süden Brandenburgs, der in der wirtschaftsschwachen Region ansonsten vergeblich gesucht wird. Waren die DTM-Läufe hier bislang zumindest ein wirtschaftlicher Höhepunkt für den Tourismussektor, so könnte es diesmal auch ein sportlicher werden: Die einst eher überholfreundliche Strecke hat ein Facelift erhalten, der Meisterschaftsstand präsentiert sich ausgeglichener denn je...

Auch ohne Braunkohle: Die Bagger rollten

Die erste Kurve präsentiert sich diesmal langsamer und enger als zuvor, Foto: Sutton
Die erste Kurve präsentiert sich diesmal langsamer und enger als zuvor, Foto: Sutton

Schon nach den Querelen um den Oscherslebener Streckenumbau dürfte die "neue erste Kurve" zum DTM-Unwort des Jahres verkommen sein. Doch auch auf dem EuroSpeedway kommen die 20 Piloten um eine neue erste Kurve nicht herum - möglicherweise im wahrsten Sinne des Wortes. Konnte man den Eingang ins Infield der Lausitzer Triangel bislang noch mit 130 km/h durchfahren, so muss vor der engeren, modifizierten Version bis auf 85 km/h abgebremst werden. Ziel des Umbaus sind auch diesmal ein deutliches Plus an Überholmanövern, nachdem sich zwar die bisherige Version der ersten Kurve zwar noch als beliebteste Stelle für Überholmanöver erwiesen hatte, für diese jedoch nur bedingt taugte.

Ansonsten bleibt in der Lausitz alles beim Alten: Auf dem nun um 36 Meter auf 3,478 Kilometer gestreckten Kurs erwarten die DTM-Boliden zwar Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h auf der leicht verlängerten Start/Ziel-Passage, im Infield schließt sich jedoch das Kontrastprogramm an. Ein eher enges Kurvengeschlängel mit stetig wechselnden Kurvenradien mahnt mit Blick auf das Setup Kompromisse an - weit mehr als vor zwei Wochen in Oschersleben. Eine lange Boxengasse mit noch längerer Einfahrt lässt insbesondere bei Absolventen von Durchfahrtsstrafen Freude aufkommen...

Blei für Audi - Gold für Mercedes?

Das kurvige Infield erfordert einen Abstimmungskompromiss, Foto: Sutton
Das kurvige Infield erfordert einen Abstimmungskompromiss, Foto: Sutton

Die neue Mercedes C-Klasse verkauft sich bestens - doch an der Werbewirkung der DTM kann es nicht liegen. Umgerechnet je Fahrer und Rennen einen Punkt fuhr der mit Spannung erwartete Mercedes-Neuwagen bislang ein. Ein Umstand, der Sportchef Norbert Haug auch ungefragt stetig wiederholen lässt: "Niemand soll denken, die neue C-Klasse wäre nicht siegfähig. Wer schnellste Runden fährt, wer zweimal in Folge die Pole Position belegt, der hat ein sehr gutes Auto", bricht Haug eine Lanze für sein bislang punkteschwächstes Pferd im Stall, "falls jemand denkt, das Auto funktioniere noch nicht so gut - es funktioniert blendend. Da wird der Knoten hundertprozentig platzen." Wenn nicht auf dem EuroSpeedway Lausitz - wo dann?

Mit 28 Kilogramm verfügt die neue C-Klasse mittlerweile über einen größeren Gewichtsvorteil, als sie ihn eigentlich nötig hätte: Schon mit der - dem Lausitzring entfernt ähnelnden - Streckencharakteristik von Hockenheim hatte sie durchaus harmoniert und sich als konkurrenzfähiger Allrounder präsentiert. Gleiches gilt für den aktuellen A4 DTM, der sich als aktuelles Schwergewicht der DTM allerdings stark gehandicapt präsentiert: "Natürlich wird es nicht einfach, aufs Podium zu kommen. Ich hoffe, wir können das Zusatzgewicht so platzieren, dass es uns nicht ganz so wehtut", spricht Timo Scheider eine Hoffnung aus, die allerdings vermutlich vergebens sein wird: Bei 28 Kilogramm ist die Grenze, aus der sich beim Handling noch Profit aus den Bleiplatten schlagen ließe, längst überschritten.

2007er-Audi und 2006er-Mercedes setzen auf die Rennstrategie, Foto: DTM
2007er-Audi und 2006er-Mercedes setzen auf die Rennstrategie, Foto: DTM

So müssen die Abt-Audi-Piloten ebenso wie die Mercedes-Jahres- und Gebrauchtwagenpiloten auf eine gelungene Rennstrategie ihres Kommandostands hoffen - und auf eine ähnlich hohe Bedeutung der Taktik wie in den ersten beiden Rennen. "Nach dem Sieg in Oschersleben wird es für mich durch das Platzierungsgewicht buchstäblich schwerer, diesen Erfolg zu wiederholen", reist selbst Gary Paffett nur mit gedämpftem Optimismus in die Lausitz, dessen 2006er-C-Klasse bizarre 18 Kilogramm schwerer als der Neuwagen ist. Hoffnung macht den Piloten mit bleiernen Handicaps hingegen der Blick auf die Wetterkarte: Das Niederschlagsrisiko bleibt auch am Wochenende hoch - und damit die Wahrscheinlichkeit eines chaotischen Rennens...

Zurück im silbern-goldenen A4

Selbst die Genesungen vom Hockenheimer Startunfall verlaufen so unerwartet wie die diesjährigen Rennen selbst: Während Alexandre Prémat nach seinem Lendenwirbelriss dreieinhalb Wochen später bereits wieder einsatzbereit ist, wird Tom Kristensen weiterhin von den Schwindel erregenden Auswirkungen eines Hirntraumas geplagt. Und während der Däne das Rennen somit erneut nur aus der Ferne verfolgen kann, zeigt sich der Franzose ambitioniert wie eh und je: "Ich arbeite schon seit einiger Zeit an meiner Fitness, vom Muskeltraining bis zum Lauftraining. Das Reha-Programm war sehr intensiv. Meine Motivation beträgt tausend Prozent!", jubelt Prémat, dem nicht wenige Beobachter ähnliche Paukenschläge zutrauen wie Paul Di Resta.

In Kristensens aktuellen A4 DTM wird diesmal an Stelle von Frank Biela Formel-1-Testpilot Markus Winkelhock steigen, der in der DTM-Welt ebenfalls ein alter Bekannter ist: 2004 wusste Winkelhock im Mercedes-Jahreswagen positiv auf sich aufmerksam zu machen. Für das kommende Wochenende dämpft er dennoch allzu hohe Erwartungen: "Es ist nicht einfach so möglich, einzusteigen und vorne mitzufahren. Das hat man an der Leistung von Frank Biela gesehen, der in Oschersleben für Tom eingesprungen ist", stellt der Spyker-Pilot fest - und will dennoch nicht tiefstapeln: "Normalerweise kann ich so etwas relativ schnell umsetzen, schließlich bin ich es aus der Formel 1 gewohnt, ohne viel Testerfahrung ins Auto zu springen..."