Wozu ein neues Auto entwickeln, wenn es kluge Köpfe am Kommandostand gibt? Während die Neuwagen in Oschersleben mit wenig Geschick agierten, übertrafen sich Jahres- und Gebrauchtwagen nach überzeugenden Vorstellungen in Hockenheim noch einmal selbst - und brachten die DTM-Welt gehörig durcheinander.

Verkehrte Zeit & verkehrter Ort

Ebenso wie HWA zu einem späteren Zeitpunkt des Rennens verstand es Abt-Audi schon am Start, sich selbst ein Bein zu stellen: Während Mattias Ekström einen allzu offensichtlichen Frühstart hinlegte, der an seinem Sprung von Startplatz vier auf Rang zwei nicht ganz unbeteiligt war, standen sich Timo Scheider und Martin Tomczyk vor der ersten Kurve gegenseitig im Weg. Nach einer Durchfahrtsstrafe fiel der Positionsverlust für den Schweden noch weit gravierender aus als für die beiden Deutschen, von denen insbesondere Tomczyk Leidtragender war.

Mit dem Frühstart handelte sich Ekström eine zunächst einsame Aufholjagd ein, Foto: Sutton
Mit dem Frühstart handelte sich Ekström eine zunächst einsame Aufholjagd ein, Foto: Sutton

"Was die Pace angeht, hätte Ekström das Rennen gewinnen können, wenn das Missgeschick am Start nicht gewesen wäre", zeigte sich Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich nach dem Rennen wenig begeistert von der Ingolstädter Chancenverwertung. Davon, dass für ihn ein "toughes Teammeeting" die Folge war, wollte der ansonsten so überzeugende Schwede dennoch nichts wisse...

Mit verkehrter Taktik im Verkehr

Die Bedeutung der Strategie in Oschersleben ist seit Jahren bekannt. Dass sie erneut mindestens so bedeutsam war wie in Hockenheim, überraschte die Beobachter dennoch: Erwies sich in der ersten Boxenstoppphase ein früher Stopp als vorteilhaft, so war in der zweiten Phase ein später Boxenbesuch die beste Entscheidung. Beides kombiniert gab den Ausschlag für den Doppelsieg Gary Paffetts und Paul Di Restas, deren Persson-Truppe sich am Kommandostand noch aufgeweckter zeigte als gewohnt. Und während die beiden Briten ihre Rennstrategie bejubeln durften, war der Ärger beim Team Mücke umso größer:

Aus Sicht Laudas ließ ihn sein Team wie den letzten Deppen aussehen..., Foto: Mercedes
Aus Sicht Laudas ließ ihn sein Team wie den letzten Deppen aussehen..., Foto: Mercedes

19 zu null Punkte lautete das Ergebnis des Mercedes-internen Duells zwischen Persson und den Berlinern, die nicht nur im Qualifying mit gleichem Material weniger zu überzeugen wussten. Mücke-Pilot Mathias Lauda fand deutliche Worte, mit denen er seine Beliebtheit im Team allerdings kaum gesteigert haben dürfte: "Ich brauche mir keine Vorwürfe zu machen", kommentierte Lauda seinen 13. Platz im Rennen, dessen Ursache er im extrem späten ersten Boxenstopp sieht. Erst zur Rennhälfte durfte der Österreicher die Box ansteuern: "Ich habe mehrfach über den Funk gebrüllt, dass ich reinkommen möchte. Und dann sieht man wegen so einer Strategie aus wie der letzte Depp..."

Verkehrte Strafe?

Zwar krachte es nicht wie vielfach erwartet schon in der ersten Kurve - dafür sorgte manch andere Kollision für Konfusion. Nach dem Rennen war der Mercedes-Sportchef in seinem Element: Wie schon im vergangenen Jahr so oft prangerte Norbert Haug die Vergabe von Durchfahrtsstrafen durch die Rennleitung an. Sein Schlusswort "Ich habe so etwas in den letzten zehn Jahren vielleicht ein- oder zweimal erwähnt" sorgte so zwar für Erstaunen - die Einwände Haugs gegen die Bestrafung Jamie Greens fanden jedoch durchaus breites Echo:

Neben Ickx' A4 DTM nahmen auch Greens Siegchancen Schaden, Foto: Sutton
Neben Ickx' A4 DTM nahmen auch Greens Siegchancen Schaden, Foto: Sutton

Bei Greens Versuch, die noch nicht zum Boxenstopp erschienene Vanina Ickx zu überholen, kreuzten sich die Linien des 2007er-Mercedes sowie des Audi-Gebrauchtwagens - Ickx drehte sich nach einer Berührung von der Strecke und schlug in die Leitplanke ein. "Sie ist etwas unberechenbar. In Hockenheim ist sie nicht langsamer geworden, um mich vorbeizulassen und hier ist sie auf der Geraden langsamer geworden, weswegen ich sie getroffen habe", sieht Green die Schuld an dem unglücklichen Rennunfall nicht auf seiner Seite, während die enttäuschte Ickx konstatierte: "Er hatte keinen Grund, mich zu berühren." Dass sie prinzipiell keinen Grund hatte, die boxenstoppbereinigte Spitzengruppe, in der sich auch Green befand, überhaupt vorbeizulassen, übersah die Belgierin großzügig...

Die verkehrten Mercedes an der Spitze

Dass Green mit seiner Durchfahrtsstrafe im Kampf um Podestplätze außer Gefecht gesetzt war, machte den Jahres- und Gebrauchtwagen das Leben in Oschersleben nochmals leichter - wie zuvor schon die Kupplungsprobleme Bernd Schneiders am Start, der Servolenkungsdefekt Bruno Spenglers sowie nicht zuletzt der kontinuierliche Zweikampf Mika Häkkinens gegen Mike Rockenfeller. Nicht zuletzt durch die häufige Benutzung der Kampflinie hatten die beiden Kampfhähne Zeit eingebüßt, die im Fernduell gegen Gary Paffett und Paul Di Resta am Ende fehlte.

Fünf Punkte reichen Schneider, um sich bester HWA-Pilot nennen zu dürfen, Foto: Sutton
Fünf Punkte reichen Schneider, um sich bester HWA-Pilot nennen zu dürfen, Foto: Sutton

So wäre bereits Rang drei für Mika Häkkinen nur eine mäßige Belohnung für seine konstanten Spitzenleistungen am Rennwochenende gewesen - die Berührung mit Rockenfeller zwei Runden vor Schluss und der damit einhergehende Reifenschaden machten das Rennen für den Finnen endgültig zum Desaster. "Ich bin natürlich nicht zufrieden, dass ich nach der Pole Position durch den Rennunfall mit Mike den möglichen Podiumsplatz verloren habe - keine Kritik an ihm, well done", brachte Häkkinen nach dem Rennen gar ein Lob an den in der Tat überzeugenden Rockenfeller für das für ihn tragische Manöver über die Lippen - und zeigte in der Niederlage Größe.

Verkehrte Welt im Titelkampf

War es vor einem Jahr in Oschersleben noch als Sensation gewertet worden, dass Alexandros Margaritis im Mercedes-Jahreswagen ohne seinen Ausfall Meisterschaftsrang drei hätte erobern können, so wurden alte Traditionen in der Meisterschaftstabelle gestern endgültig zu Grabe getragen. Um ein Haar hätte Paul Di Resta im 2005er-Mercedes die Tabellenführung übernommen, doch auch ohne den Schotten an der Spitze erscheint der Blick auf die DTM-Tabellen nahezu irreal:

Während Di Resta sich dem punktgleichen und nach vor führenden Ekström nur wegen der besseren Siegbilanz des Schweden geschlagen geben muss, nimmt Bernd Schneider als bester HWA-Pilot Tabellenplatz acht ein. Ganze acht Punkte haben die vier neuen Mercedes C-Klassen in ihren ersten beiden Rennen eingefahren - nach der Addition aller Teammitglieder zeigt sich das dreiköpfige Persson-Team mit 29 Punkten genauso erfolgreich wie das Abt-Audi-Quartett. Die DTM-Welt steht spätestens seit Oschersleben Kopf...