Nach dem missglückten Versuch, Heinz-Harald Frentzen vom launenhaften Mönchengaldbacher zum loyalen Ingolstädter zu machen, juckte es Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich noch immer in den Fingerspitzen. Groß war die Versuchung, von den laut Ullrich in seinem Notizbuch befindlichen Telefonnummern Juan-Pablo Montoyas und Jacques Villeneuves Gebrauch zu machen und erneut einen prominenten wie eigensinnigen Ex-Formel-1-Star zu verpflichten. Eine Absage der beiden Amerikaner wäre kein Beinbruch gewesen: Ex-F1-Pilot Olivier Panis wäre einem DTM-Debüt nicht abgeneigt gewesen - und, wenn auch wie der frühere Abt-Audi Pilot Allan McNish nur zur zweiten F1-Garnitur gehörig, durchaus prominenter als der nun beförderte Timo Scheider...

Ingolstädter Eigengewächse

Die Piloten: Doch bei Audi zeigte man sich lernfähig: Die Enttäuschung über Frentzen sowie den 2005 in seiner ersten und letzten DTM-Saison nur wenig überzeugenden McNish überwogen den Ehrgeiz, ein weiteres Mal ein Ingolstädter Gegenstück zum unangefochtenen PR-Magneten Mika Häkkinen etablieren zu wollen. Stattdessen schlug das Pendel wenig überraschend zu Gunsten Timo Scheiders aus - was man schon vor Wochen in Pressemitteilungen kaum noch zu verbergen versuchte, gleichwohl aber auch ausdrücklich nicht bestätigen mochte...

Nach fünf Jahren des Wartens erhält Timo Scheider siegfähiges Material, Foto: DTM
Nach fünf Jahren des Wartens erhält Timo Scheider siegfähiges Material, Foto: DTM

Sinnvoller als jene halbherzigen Versteckspiele erscheint die Konstanz, die Audi im Neuwagenlager walten lässt: Mit Tom Kristensen, Mattias Ekström und Martin Tomczyk greifen auch 2007 drei bewährte Größen ins Abt-Audi-Lenkrad; Timo Scheider stellte im vergangenen Jahr im Rosberg-Jahreswagen Speed, Konstanz und Teamfähigkeit unter Beweis. Eine Teamfähigkeit, die gar schon als treue Ergebenheit bezeichnet werden konnte: Nach allzu bereitwilligen Schützenhilfen für Kristensen und Ekström darf der langjährige Opel-Pilot von Beginn an keinen Zweifel daran lassen, auf einer Augenhöhe mit der bisherigen Audi-Speerspitze kämpfen zu wollen und zu können.

Auch Mattias Ekström und Martin Tomczyk sind darauf bedacht, im Schatten des dänischen Abts nicht wie ergebene Ordensbrüder zu wirken. Nach einer Saison der Pleiten, Pech und Pannen, die den DTM-Meister von 2004 insbesondere während der zweiten Saisonhälfte sichtlich aus der Bahn warf, muss der Schwede von Beginn an zu früherer mentaler Stärke und fahrerischer Konstanz zurückfinden - was ihm jedoch zweifelsohne zuzutrauen ist.

Mattias Ekström steht nach dem Krisenjahr 2006 vor einem Neuanfang, Foto: Audi
Mattias Ekström steht nach dem Krisenjahr 2006 vor einem Neuanfang, Foto: Audi

Tomczyk befindet sich dagegen im Aufwind: Die Erfolge der zweiten Saisonhälfte, während derer er sich vor Titelkandidat Kristensen nicht zu verstecken brauchte, dürften den 25-jährigen Rosenheimer auch 2007 beflügeln, sollte er nicht ebenso wie 2005 allzu sehr mit der Fahrzeugcharakteristik seines Dienstwagens hadern. Doch auch in jenem Fall könnte der Barcelona-Sieger auf die Unterstützung seines angestammten Renningenieurs hoffen, dessen DTM-Pause 2005 laut Tomczyks Aussage entscheidend zum damaligen Formtief beitrug.

Eine Abtei, vier Äbte

Die Tendenz: Zusammen 20 Jahre DTM-Erfahrung bringt das Ingolstädter Neuwagenquartett in die kommende Saison mit, ohne dabei nur ansatzweise ergraut zu wirken. Um den siebenfachen Le-Mans-Sieger und zweifachen Meisterschaftsdritten scharen sich drei DTM-Routiniers, die sich mit 25 bzw. 28 Jahren im besten Rennfahreralter befinden. An der Titelfähigkeit Kristensens und Ekströms zweifelt niemand, ebenso wenig wie an der Siegfähigkeit Martin Tomczyks und Timo Scheiders, der 2003 in Zandvoort selbst Opel beinahe zum Renntriumph verholfen hätte.

Teaminterne Querelen sind unwahrscheinlich, die Wahrscheinlichkeit eines fahrerischen Totalausfalls im Abt-Audi-Lager ist geringer denn je. Zugleich sinken die Chancen für die beiden Skandinavier, 2007 eine ähnliche teaminterne Dominanz aufzubauen wie in ihren (Beinahe-)Meisterschaftsjahren - doch mit starker Konkurrenz im eigenen Lager lernte auch ein gewisser Bernd Schneider gut und erfolgreich zu leben...