Hatte sich Edmund Stoiber bislang stets leidenschaftlich für den Einsatz der Magnetbahn Transrapid in München eingesetzt, so machte der bayrische Ministerpräsident möglicherweise im Rahmen des fünften Saisonlaufs der DTM in Nürnberg eine bereits bestehende Magnetbahn im Freitstaat aus - wenn auch in leicht abgewandelter Form...

Magnetische Anziehungskraft

So offenbarte sich auf dem Norisring in vielerlei Hinsicht eine nahezu magnetisch erscheinende Anziehungskraft: Mit 147.000 Zuschauern an der Strecke wurde der letztjährige Nürnberger Saisonrekord um nochmals 4.000 Fans übertroffen. Die in Scharen erschienenen DTM-Anhänger beobachteten, wie sich die 20 DTM-Boliden wahlweise gegenseitig anzogen oder von Mauern oder Leitplanken angezogen wurden - die Zahl an Missgeschicken und Kollisionen stand der des letztjährigen Norisring-Laufes in nichts nach:

Kristensen kämpfte sich im beschädigten A4 DTM auf Rang fünf, Foto: DTM
Kristensen kämpfte sich im beschädigten A4 DTM auf Rang fünf, Foto: DTM

Zwar wirkten die Vorkommnisse auch auf Grund des stark abgenommenen Maßes an Safety-Car-Phasen subjektiv weniger spektakulär als 2005 - doch bereits in der ersten Kurve nahmen sie wie gewohnt ihren Anfang: Während die aussichtsreich gestarteten Persson-Piloten Jean Alesi und Mathias Lauda ihre C-Klasse auf Grund von Folgeschäden wenig später abstellen mussten, ging unter anderem das gesamte Audi-Neuwagenquartett mit einigen Blessuren aus der ersten Runde hervor. "Bei diesen Autos ist es so, dass - wenn Karosserieteile im vorderen Bereich fehlen - entweder die Bremskühlung nicht funktioniert oder der Abtrieb weg ist", beschreibt Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich die Auswirkungen der Berührungen, wie sie sich insbesondere bei der Performance Tom Kristensens, Heinz-Harald Frentzens und Martin Tomczyks bemerkbar machten.

Polarisierender Allgäuer

Stellen jene Berührungen in Anbetracht von 20 nahezu zeitlich in eine Haarnadelkurve einbiegenden Fahrzeugen weder eine Überraschung noch einen unbedingten Hinweis auf mangelnde Disziplin der Piloten dar, so fiel jedoch auch im weiteren Rennverlauf abgesehen von den gewohnten Außenspiegelrasuren am Ausgang des Schöller-S ein Maß an Lackaustausch auf, das durchaus übermotivierte Züge annahm. Insbesondere der seit jeher polarisierende Christian Abt machte sich im Laufe des Rennen keine Freunde - ob im Mercedes- oder im Audi-Lager. "Ich wurde von Christian Abt hinten hart getroffen, dadurch brach die Hinterradaufhängung und mein Rennen war vorbei", sieht der bis dahin auftrumpfende Jean Alesi den Auslöser seiner folgenschweren Kollision im Phoenix-Piloten.

Christian Abt wusste seine Fahrerkollegen nicht zu begeistern, Foto: Sutton
Christian Abt wusste seine Fahrerkollegen nicht zu begeistern, Foto: Sutton

Kann dies noch als typischer Rennunfall gewertet werden, so mehrten sich insbesondere in Bezug auf den Kampf des zu diesem Zeitpunkt in hinteren Gefilden befindlichen Abt gegen den Führenden Jamie Green, der schließlich in einem fatalen Einschlag des greenschen Mercedes-Hecks in die Mauer gipfelte, die Kritiker. "Es sind immer die gleichen, die das tun, sie sind unbelehrbar. Man sollte ihm dennoch eine Lehre geben, das sollte von der Sportobrigkeit gemacht werden", zeigte sich Mercedes-Sportchef Norbert Haug verärgert. Selbst Audi-Jahreswagenkollege Frank Stippler sah sich im Kampf um einen realistischen Meisterschaftspunkt als Opfer des Allgäuers. So brillant sich Christian Abt noch 2005 mit einem zweiten Norisring-Rang im Jahreswagen gezeigt hatte, so wenig routiniert wirkte insgesamt die gestrige Vorstellung des nach Bernd Schneider zweiterfahrensten aktuellen DTM-Piloten.

Spengler wie auf Schienen

Im Sinne der viel zitierten Leistungsdichte zwischen den Marken stellte der fünfte Saisonlauf keine gute Werbung dar. Angesichts eines blauen Himmels sowie der Topform des Mercedes-Pole-Quintetts stand bereits vor dem Rennen mehr oder minder fest, dass wenigstens einer der HWA-Piloten des Potenzial der im Gegensatz zum Audi-Neuwagen perfekt abgestimmten Mercedes C-Klasse nutzen könnte. Nach einem Start in einer von Jamie Green in dieser Disziplin noch nicht gekannten Perfektion hätte es ohne das unglückliche Ausscheiden der Tag des jungen Briten werden können - was nicht gleichbedeutend mit einem Sieg hätte sein müssen:

Spengler setzte seine Rennstrategie perfekt um, Foto: DTM
Spengler setzte seine Rennstrategie perfekt um, Foto: DTM

Präsentierten sich die Rennstrategien auf dem Norisring auch angesichts der außerhalb des taktischen Spielraums liegenden Safety-Car-Phase recht unspektakulär, so trumpfte der Mercedes-Kommandostand mit der für Bruno Spengler erdachten Taktik umso mehr auf, gegen die möglicherweise auch Green machtlos gewesen wäre. Schien der lange erste Stint noch ein Nachteil zu sein, nachdem der Kanadier in Folge des ersten Stopps hinter Mika Häkkinen zurückfiel, so zeigte die Strategie nach dem zweiten Boxenbesuch ihre volle Wirkung. Weit vor Bernd Schneider und Mika Häkkinen kehrte Bruno Spengler zurück auf die Strecke - und fuhr einen souveränen Sieg sicher nach Hause.

"Wir mussten verschiedene Taktiken versuchen, weil wir nicht wussten, was die Audis machen", erklärt Bernd Schneider, der am Ende gerne den seitens Norbert Haugs abgelehnten Positionstausch zwischen ihm und Spengler gesehen hätte, die ungewöhnliche, aber erfolgreiche Rennstrategie Spenglers, "Audi legt seine Taktik mehr auf mich und Jamie aus, als auf Bruno, aber ab dem Nürburgring werden sie wieder mehr auf Bruno achten..."

Schneider hätte eine Teamorder befürwortet, Foto: Sutton
Schneider hätte eine Teamorder befürwortet, Foto: Sutton

Weichenstellung in der Meisterschaft?

"Jetzt spüren wir noch einmal, wie wichtig die Punkte aus Brands Hatch gewesen wären", hatte Tom Kristensen bereits im Anschluss an das misslungene Qualifying geäußert. Der Däne sollte Recht behalten: Hätte er den Sieg in Brands Hatch eingefahren, stünde für ihn nun noch immer ein drei Punkte betragender Meisterschaftsvorsprung anstatt eines Rückstandes von acht Punkten auf Bernd Schneider zu Buche, die trotz der fünf noch ausstehenden Rennen einen nicht unbeträchtlichen Nachteil darstellen.

Der leicht abergläubische Kristensen darf jedoch nicht nur auf seine "Glücksstartnummer 7", sondern auch auf einen dem Jahr 2004 ähnlichen Saisonverlauf hoffen: Auch damals erlitten Titelaspirant Mattias Ekström und Audi das Ende der tendenziell für Mercedes sprechenden ersten Saisonhälfte auf dem Norisring angesichts eines überlegenen Dreifach-Sieges der HWA-Piloten als einen Rückschlag - in der zweiten Saisonhälfte sicherte sich der Schwede vorzeitig den Titel...