Durch unbedingte Noblesse zeichnet sich der Norisring als so genanntes "Monaco der DTM" seit jeher nicht aus: Auf dem ehemaligen, in historischer Hinsicht wenig positive Emotionen hervorrufenden Reichsparteitagsgelände drehen die DTM-Boliden in unmittelbarer Nähe der grauen Tristesse der Hochhausarchitektur der 70er-Jahre ihre Runden.

Die Rennen auf dem Norisring beziehen ihren Reiz aus anderen Faktoren - so zum Beispiel aus einem alljährlichen Actiongehalt der Rennen, wie man ihn bestenfalls aus dem "echten" Monaco kennt. So kamen anders als 1996 beim Formel-1-Grand-Prix in Monaco zwar im vergangenen Jahr auf dem Norisring mehr als vier Fahrzeuge ins Ziel - die Zahl jener Piloten, die nicht in eine Kollision verwickelt waren, waren jedoch an einer Hand abzuzählen...

McNish: Der Audi ohne Fronthaube, Foto: Sutton
McNish: Der Audi ohne Fronthaube, Foto: Sutton

Leistungsexplosion im Qualifying

Wenngleich Mattias Ekström beim Samstagstraining mit Platz eins hatte aufhorchen lassen, mochte angesichts eines für Audi durchwachsenen Testfreitags kaum jemand glauben, dass die beinahe schon traditionelle Mercedes-Dominanz auf dem Norisring diesmal gebrochen werden könnte. Man wurde eines Besseren belehrt: Auch mithilfe eines geschickten Setups, das die Stärken seines A4 DTM im zweiten Sektor akzentuierte, fuhr Tom Kristensen überraschend die Pole Position ein.

Dramatischer Kampf im Scherbenhaufen

Im Meisterschaftskampf half den Ingolstädtern dies allerdings nur bedingt weiter: Mattias Ekström war in der Super Pole nicht über Rang fünf hinaus gekommen, Titelrivale Gary Paffett hingegen startete neben Kristensen - und setzte sich am Start gegen den Dänen durch. Während sich Allan McNish bei einem Startcrash mit Heinz-Harald Frentzen seiner Frontpartie entledigte, wusste sich Paffett bereits leicht abzusetzen - um davon jedoch zunächst noch keinen Profit schlagen zu können:

Capello: Die Heckpartie ohne Audi, Foto: Sutton
Capello: Die Heckpartie ohne Audi, Foto: Sutton

Teamkollege Jamie Green hatte im Kampf gegen Mattias Ekström und Mika Häkkinen, für den das Rennen auf diese Weise beendet war, eine Safety-Car-Phase ausgelöst und stauchte das Feld so wieder zusammen. Das restliche Rennen präsentierte sich als eine Aneinanderreihung ähnlicher Zwischenfälle: Nachdem Rinaldo Capello bei der Ausfahrt aus dem Schöller-S im wahrsten Sinne des Wortes das Heck seines Audi-Jahreswagen verlor und eine erneute Safety-Car-Phase, versenkte der führende Opel-Pilot Marcel Fässler seinen Vectra GTS auf Öl rutschend in die Boxenmauer.

Auch die weniger karbonscherbenträchtigen Berührungen waren reich gesät: Mattias Ekström, zwischenzeitlich ebenfalls Sieganwärter, touchierte Gary Paffett leicht, Bernd Schneider und Laurent Aiello handelten sich mit noch ungestümeren Zweikampfmanövern Durchfahrtsstrafen ein. Ein unfallfreies Rennen war dennoch noch kein Garant für einen Erfolg: Pole-Setter Tom Kristensen ging als Verlierer des Safety-Car-bedingt verzerrten Strategiekampfes hervor. Stattdessen trumpften Gary Paffett und Christian Abt mit gelungenen Taktiken ihrer Kommandostände auf:

Paffett: Der Norisring-Sieger ohne Fehl und Tadel, Foto: Sutton
Paffett: Der Norisring-Sieger ohne Fehl und Tadel, Foto: Sutton

Während der Brite während der capelloschen Gelbphase nur zwei Runden nach seinem ersten Boxenstopp seiner Mechanikercrew einen weiteren Besuch abstattete, profitierte Audi-Vorjahreswagenfahrer Christian Abt von zwei äußerst früh absolvierten Stopps. Logische Folge war zum Ende des Rennens ein Führungstrio aus Paffett, Abt und Ekström - doch noch immer sollte keine Ruhe einkehren:

Nachdem Ekström vergeblich auf ein kollegiales Vorbeiwinken seines Markenkollegen Abt zu Gunsten seiner Meisterschaftschancen gehofft hatte, geriet der Schwede von hinten in Bedrängnis: Der auf Platz vier liegende Manuel Reuter versuchte für Opel die Kohlen aus dem Feuer zu holen - und scheiterte. Noch in der letzten Runde sorgte der Mainzer für ein weiteres Sammelsurium an Audi-Karbonscherben auf dem Norisring, nachdem er in der Grundig-Kehre die Brechstange zur Hand genommen hatte. Reuter, der nachträglich auf Platz neun zurückgesetzt wurde, sah den nun in die bereits dritte Kollision verwickelten, blau lackierten Beweis Ingolstädter Robustheit in Richtung Podest entschwinden...