Elektromobilität und Motorsport, das ist bekanntermaßen ein höchst sensibles Thema. Bei der Formel E stören sich viele Fans am fehlenden Verbrenner-Sound, gerade in Deutschland tut sich die Elektro-Weltmeisterschaft auch nach zehn Jahren unheimlich schwer, Akzeptanz zu erlangen.
Dass Teile der Politik den Elektro-Wandel geradezu mit der Brechstange sowie angekündigten Verboten durchdrücken wollten und die Autohersteller einen wahren Zickzack-Kurs fahren, tut sein Übriges dazu, dass die E-Mobilität gerade hierzulande noch längst nicht angekommen ist.
Die massiven Einbrüche bei den Verkaufszahlen nach dem Ende der Kaufprämie waren ein Augenöffner. Laut einer Umfrage des 'Umfrage' sind 2024 in Deutschland 47 Prozent weniger E-Autos verkauft worden als noch im ersten Halbjahr 2023. Eine Verbesserung der Situation bis zum Jahresende erwarteten die bundesweit 348 befragten Autohäuser nicht.
Die Skepsis gegenüber der E-Mobilität ändert jedoch nichts daran, dass diese Antriebstechnologie einen immer größeren Stellenwert auf der Straße einnimmt. Im Jahr 2023 gab es weltweit fast 42 Millionen Elektroautos, wobei mehr als die Hälfte davon in China unterwegs war. Die fortschreitende Elektrifizierung dürfte global nicht mehr aufzuhalten sein, und die Autohersteller müssen sich überlegen, wie dieser Trend auch auf die Rennstrecke transportiert werden kann.
ADAC-Motorsportchef glaubt: Elektro-DTM Ende des Jahrzehnts
Aus der Formel E sind Audi, BMW und Mercedes-Benz schon wieder ausgestiegen. Und noch gibt es keine vollelektrische GT- oder Tourenwagenserie, die sich etablieren konnte. Um ein im Jahr 2021 vorgestelltes Konzept der FIA ist es mehr als ruhig geworden. Der ehemalige DTM-Chef Gerhard Berger wagte bereits 2019 einen Vorstoß für eine 'DTM Electric', Technikpartner Schaeffler brachte sogar einen Prototypen auf die Strecke. Die benötigten Investoren für dieses Multi-Millionen-Projekt konnten allerdings nicht aufgetrieben werden.
Das Konzept einer elektrischen DTM für die Zukunft will der ADAC als neuer DTM-Promoter dennoch nicht über Bord werfen - ganz im Gegenteil. "Ich glaube, dass eine Elektro-DTM kommen wird zum Ende der Dekade", sagt ADAC-Motorsportchef Thomas Voss zu Motorsport-Magazin.com. "Das bedeutet aber nicht, dass die aktuelle DTM verdrängt wird."
Voss weiter: "Menschen machen einen Fehler, wenn sie denken, dass der Elektro- den Verbrenner-Sport verdrängen wird. Das ist völlig falsch. Warum sollten sie nicht nebeneinander existieren? Genauso, wie auf der Straße E-Autos neben Verbrennern und Hybriden existieren. Das ist eine Bereicherung, und kein Verdrängungswettbewerb zwischen Verbrenner und Elektro. Wenn die Leute das für die Straße begriffen haben, dann wird es auch auf der Rennstrecke funktionieren. Dieses Schwarz-Weiß-Denken in Deutschland mit Bezug auf die Antriebstechnologie finde ich blödsinnig."
Voss überzeugt bei Elektro-Plänen: "Wir brauchen die Hersteller"
Der ADAC mit der weltweit bekannten DTM-Plattform sieht sich in seiner Rolle als Vermittler zwischen den verschiedenen Parteien. Rennautos baut der ADAC selbst nicht, hatte vor längerer Zeit schon ADAC-Sportpräsident Dr. Gerd Ennser betont. Wenn es eine Elektro-DTM geben soll, müssen die großen Autohersteller mit an Bord sein, ist Voss ebenso überzeugt.
"Wir brauchen die Hersteller", erklärt der Motorsportchef des zweitgrößten Automobilklubs der Welt. "Das wird kein Markenpokal, das sagen die Hersteller auch deutlich. Wenn die Hersteller etwas machen, wollen sie sich auch darin wiederfinden." Bedeutet konkret: Von einem einheitlichen Renn-Prototypen, auf den die Autobauer nur ihr Markenlogo kleben, hält Voss nichts.
"Die DTM steht für seriennahen Sport", führt Voss weiter aus. "In der DTM muss man das Auto, das auch beim Händler steht, wiedererkennen können. Das war immer das Markenzeichen der Serie und hat sie über viele Jahre am Leben gehalten. Man wird technische Freiheiten in gewissen Bereichen geben müssen. Man muss aber auch aufpassen, nicht alles im Reglement freizustellen, weil das extrem teuer werden kann."
So sieht der Weg hin zu einer Elektro-DTM aus
Die Autohersteller zeigten sich bislang auf der Straße wie im Rennsport mit Blick auf elektrische Antriebsstränge vorsichtig und abwartend. Gespräche über Einsatzmöglichkeiten sollten laut Voss wegen der Vorbereitungszeit aber nicht mehr lange auf sich warten lassen. Im ersten Schritt gehe es darum, gemeinsam die groben Eckpunkte festzulegen: Wahl des Fahrzeugs, Gewicht, Leistung (Voss: "400 bis 600 kW vielleicht), Akku-Kapazität, Art der E-Motoren oder auch die Plattform der Wahl.
"Wir können nicht davon ausgehen, dass direkt alle dabei sind", ist Voss realistisch. "Wenn sich ein paar Hersteller einig sind, kann man Technical Working Groups bilden und die Details besprechen. Dafür muss man zwei, drei Jahre Vorlauf einplanen."
Es dürfte sich dabei eher um ein globales Konzept handeln, damit die Hersteller derartige E-Autos auf unterschiedlichen Plattformen betreiben können - siehe Hypercars in der WEC und IMSA als Beispiel. Zeiten wie zur Class-1-DTM, in denen Autobauer ein Fahrzeug für nur eine einzige Rennserie entwickeln, sind aus Kostengründen wohl erst einmal vorbei.
"Wenn Elektro-Sport, dann auch richtig"
Voss glaubt, dass sich eine Akzeptanz für Elektro-Motorsport bei den Fans erst einstellt, wenn auch die E-Mobilität auf der Straße akzeptiert werde. Das natürliche Interesse von E-Auto-Fahrern, elektrifizierte Autos auch auf der Rennstrecke im sportlichen Rahmen sehen zu wollen, sei noch nicht da.
Wichtig ist dabei nicht nur für Voss: "Wenn Elektro-Sport, dann auch richtig. Dann soll der gewinnen, der am schnellsten ist. Und nicht der, der am besten mit der Energie haushält. Das ist für mich das Problem an der Formel E. Wir müssen den Sport machen für die Zuschauer, die auf den Tribünen sitzen. Dann gefällt das auch den Fernsehzuschauern, Medien berichten darüber und der Nachwuchs kommt von allein."
ADAC arbeitet an neuem Kraftstoff-Deal für DTM 2025
Auf der DTM-Plattform hat der ADAC schon die Fühler ausgestreckt und den vollelektrischen NXT Gen Cup, einen Markenpokal mit Minis für Nachwuchspiloten, ins Rahmenprogramm aufgenommen. 2025 soll die von Nick Heidfeld initiierte Formelserie namens FG Series dazustoßen, wie der ADAC am Rande des Norisring-Wochenendes bekanntgab. Voss: "Wir bekommen von der Politik gesagt, dass wir nachhaltiger werden müssen. Das ist auch eine Forderung von Gegnern dieser Veranstaltung (Norisring-Speedweekend; d. Red.). In Teilen ist das nachvollziehbar."
Bevor eine Elektro-DTM ein realistisches Szenario wird, gilt es ebenso, den Nachhaltigkeitsaspekt bei den aktuellen Verbrenner-Rennwagen zu beachten. In der DTM kommt bereits ein Sprit mit erneuerbaren Anteilen zum Einsatz, 2025 könnte hier der nächste Schritt erfolgen. "Die Bemühungen um einen fast CO2-neutralen Kraftstoff stehen hoffentlich vor dem Durchbruch", lässt Voss durchblicken. "Es muss auf jeden Fall Ende Sommer oder Anfang Herbst eine Entscheidung her, um einen entsprechenden Vorlauf zu haben. Wir wollen nichts anbieten, was den Qualitätsansprüchen nicht genügt."
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