Nicht umsonst genießen Jahreswagen unter preisbewussten Autofahrern einen guten Ruf: Oftmals von Werksangehörigen über einige Monate hinweg ein paar Tausend Kilometer bewegt und anschließend beim Vertragshändler angeboten, bieten sie dem Kunden annähernd Neuwagenqualität - und das zu einem äußerst attraktiven Preis.

Nicht viel anders das Bild in der DTM: Auch hier waren die Jahreswagen bis zu ihrem Einsatz beim neuen Besitzer in Händen von vertrauenswürdigen, rennfahrenden Werksangestellten, die mit ihnen zum Teil gar den einen oder anderen Sieg einfuhren. Zwar bedürfte der Großteil der DTM-Boliden nach einer vollen Saison auf dem Gebrauchtwagenmarkt des Prädikats "Unfallwagen", um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu geraten. Sorgsam wieder in Stand gesetzt leisten die Jahreswagen ihren Piloten jedoch auch in der DTM treue Dienste - und das um Einiges erfolgreicher als noch vor einigen Jahren:

Konnten die Jahreswagen vor einiger Zeit nur äußerst sporadisch in die Punktevergabe eingreifen, so wandte sich das Blatt in dieser Saison: Angesichts eines neuen Gewichtsreglement, das die Jahreswagen mit einem reduzierten Gewicht von 1.035 Kilogramm begünstigte, vermochten die in Würde gereiften Fahrzeuge in beachtlicher Regelmäßigkeit in die Punkte zu fahren. Daran beteiligt waren drei Teams, deren diesjährige Leistung wir nun bilanzieren.

Joest - meisterhafte Leistung mit dem Meisterwagen

Christian Abt sorgte für das Saisonhighlight, Foto: Sutton
Christian Abt sorgte für das Saisonhighlight, Foto: Sutton

Die Erwartungen Nach einer Saison 2004, während derer man den Audi A4 DTM noch als Neuwagen einsetzte, sollte man auch 2005 in den Genuss des 2004er-A4 kommen. Ausgerüstet mit vier Audi A4, die Mattias Ekström in baugleicher Form zum Meistertitel gereicht hatten, sowie angesichts des Gewichtsreglements bestand durchaus die Hoffnung auf regelmäßige Punkteränge.

Die Teamleistung Das Team Joest darf zweifelsohne zu den positiven Überraschungen der Saison gezählt werden. Mit seinen vier Fahrzeugen fuhr die Joest-Mannschaft insgesamt 29 Punkte ein und ließ einige Male aufhorchen - nicht immer im Sinne der Marke Audi: So war es Christian Abt im Vorjahres-A4, der einer glanzvollen Premiere des neuen A4 DTM in Hockenheim einen Strich durch die Rechnung machte. Der Bayer fuhr beim Saisondebüt bis auf Platz vier vor und landete damit vor dem besten Vertreter der optisch stark modifizierten Audi-Neuwagen - eine kleine Marketingkatastrophe im Hause Audi.

Auch in den folgenden Rennen wusste Joest zu überzeugen: Doppelten Punkteankünften in Klettwitz und Brünn folgte auf dem Norisring das unangefochtene und längst nicht nur aus dem Nürnberger Chaos resultierende Saisonhighlight: Christian Abt beendete das Rennen auf Rang zwei - der in der Saison 2005 einzige und in der Geschichte der neuen DTM erste Podestplatz eines Jahreswagens.

Frank Stippler blühte am Saisonende auf, Foto: DTM
Frank Stippler blühte am Saisonende auf, Foto: DTM

Zwar hatte uns eben jener Christian Abt im Interview am Norisring noch prophezeit, dass das Entwicklungspotenzial des Vorjahres-A4 mittlerweile ausgeschöpft sei. Zunächst sollte er auch Recht behalten; in den folgenden vier Rennen ging die Abt-Truppe leer aus. Doch beim Saisonabschluss in Hockenheim sollte mit tatkräftiger Unterstützung durch Frank Stippler in Form eines fünften Platzes noch einmal ein Highlight folgen.

Kurios dabei: Ausgerechnet auf Kursen wie dem Hockenheimring, dem EuroSpeedway Lausitz sowie auf dem Norisring, die auf den eher topspeedschwachen, aber beim Abtrieb brillierenden A4-Jahreswagen ganz und gar nicht zugeschnitten schienen, fuhr das Team Joest mehr als zwei Drittel der Punkte ein...

Die Fahrerleistung Obgleich die joestschen Erfolge ohne überzeugende fahrerische Leistungen zweifelsohne nicht möglich gewesen wären - nicht jeder der vier Piloten wusste zu jeden Zeitpunkt zu überzeugen. So war es der renommierte Sportwagenpilot und zweifache Le-Mans-Sieger Rinaldo Capello, der während der gesamten Saison nicht über fahrerisches Mittelmaß hinauskam: Meist war der Italiener in den hinteren Regionen der Startaufstellung anzutreffen; auch im Rennen fehlte es schlicht und einfach oftmals an Speed. Nur einmal gelangte Capello in die Super Pole, zwei zehnte Plätze im Rennen stellten die Saisonhighlights dar. Auch wenn das eigentliche fahrerische Talent des 41-Jährigen kaum abzustreiten sein dürfte - in der DTM bedarf es für ihn noch einiger Eingewöhnungszeit. Fraglich ist dabei, ob man ihm diese in der kommenden Saison noch zugestehen wird…

Rinaldo Capello konnte die Einge-wöhnungsphase noch nicht beenden, Foto: Sutton
Rinaldo Capello konnte die Einge-wöhnungsphase noch nicht beenden, Foto: Sutton

Überzeugender präsentierte sich da bereits Pierre Kaffer: Zu Saisonbeginn wusste der Rheinländer mit einem fünften Platz auf dem EuroSpeedway Lausitz sowie einem weiteren fünften Platz beim Qualifying in Spa durchaus zu überzeugen und etablierte sich als zweite Kraft hinter Christan Abt. In der zweiten Saisonhälfte war Kaffer allerdings von zählbaren Resultaten weit entfernt: Seit dem Norisring kam der ehemalige Porsche-Cup-Pilot im Qualifying nicht mehr über Platz 18 hinaus - womit an weitere Punkte nicht mehr zu denken war.

Eine gegenläufige Entwicklung machte Frank Stippler durch, wenn auch auf höherem Niveau: Brauchten sich die Leistungen des gebürtigen Kölners auch zu Saisonbeginn längst nicht zu verstecken, so blühte Stippler zu Saisonende regelrecht auf: Während der letzten Saisonrennen vermochte sich der 30-Jährige überraschend als stärkster Joest-Pilot zu etablieren, was insbesondere in Istanbul und Hockenheim zum Vorschein kam: Scheiterte ein weiterer Punkterang in Istanbul noch an einem außer Form befindlichen A4, so zeigte der Rheinländer in Hockenheim sein ganzes Können, als er - der während der Saison kontinuierlich erstarkten Neuwagen-Konkurrenz zum Trotz - seinen fünften Super-Pole-Rang im Rennen souverän verteidigte.

Absteigende Formkurve: Pierre Kaffer, Foto: Audi
Absteigende Formkurve: Pierre Kaffer, Foto: Audi

Als einer der Gewinner der vergangenen Saison geht Christian Abt hervor: Nach einer schwachen Saison 2004 im Neuwagen blühte der Bayer, nach fünf DTM-Jahren zum Jahreswagenpiloten degradiert, regelrecht auf: Mit einem vierten Platz in Hockenheim sowie Rang zwei in Nürnberg sorgte Abt für die Saisonhighlights des Teams Joest - obgleich sich im Qualifying Licht und Schatten abwechselten. Zum Saisonende offenbarte Abt einen Rückfall in alte Zeiten: Auffällig häufig war der Familienvater - wenn auch nicht immer selbst verschuldet - in Kollisionen involviert.

Persson - auffällig unauffällig

Die Erwartungen Das Team Persson nahm 2005 eine Sonderstellung ein: Als einziges Team setzte man sowohl einen Neuwagen als auch einen Jahreswagen ein. Während für den Neuwagenpiloten Jamie Green regelmäßige Punkteankünfte sowie gelegentliche Podestränge somit Pflicht waren, waren einige Punkte für Jahreswagenpilot Bruno Spengler das Saisonziel.

Die Teamleistung Mit insgesamt 34 Punkten landete das Team Persson auf einem guten fünften Platz der Teamwertung. Nach so mancher Nullrunde während der ersten Saisonhälfte wusste sich die Persson-Mannschaft während der zweiten Saisonhälfte zu verbessern, auch in Hinblick auf die Startplätze.

Jamie Green bestieg zweimal das Podest, Foto: Sutton
Jamie Green bestieg zweimal das Podest, Foto: Sutton

Während sich der perssonsche Neuwagen zunehmend auf Augenhöhe mit H.W.A. befand, wusste der Jahreswagen den insbesondere während der ersten Saisonhälfte brillierenden Joest-Audi mehr und mehr Konkurrenz zu machen - u.a. der Häufung an "Mercedes-Strecken" zum Saisonende, die insbesondere dem topspeedbetonten Jahreswagen zu Gute kamen, sei dank.

So wusste das Persson-Team unauffällig, aber keinesfalls in mittelmäßiger Form mitzuschwimmen. Das Jahreswagenteam Mücke Motorsport überflügelte man deutlich, mit dem Neuwagen bewarb man sich insbesondere zum Saisonende hin mehr und mehr für den Einsatz weiterer Neuwagen im kommenden Jahr - obgleich dies wenig realistisch sein dürfte.

Die Fahrerleistung Mit Jamie Green und Bruno Spengler war Persson das Wagnis eingegangen, zwei DTM-Debütanten auf einmal zu verpflichten. Doch mit keinem der beiden Greenhorns erlitt man eine Enttäuschung - im Gegenteil. Während Jamie Green im Neuwagen mit den Startplätzen zwei und drei gleich zu Saisonbeginn auf sich aufmerksam machte, etablierte sich Bruno Spengler im Jahreswagen als Qualifying-Spezialist.

Bruno Spengler sammelte am Saisonende regelmäßig Punkte, Foto: Sutton
Bruno Spengler sammelte am Saisonende regelmäßig Punkte, Foto: Sutton

So war es der Kanadier, der in seiner Vorjahres-C-Klasse die beste Qualifying-Bilanz aller Vorjahreswagen-Piloten einfuhr: Satte fünf Male fuhr Spengler bis in die Super Pole vor - zwei Mal davon auf Platz drei. Zum Saisonende hin mauserte sich der 22-Jährige zum eifrigen Punktesammler: Zwar punktete Spengler erst beim neunten Saisonlauf auf dem EuroSpeedway Lausitz erstmals, doch bei den kommenden beiden Rennen ließ der letztjährige Formel-3-Pilot das Punktesammeln zur Gewohnheit werden. Eine Schwäche teilte Spengler allerdings mit seinem Teamkollegen - die Starts:

So wusste Jamie Green seine beiden Pole Positions bei den neunten und elften Saisonläufen nicht zu nutzen. Beinahe gewohnheitsgemäß wurde der Brite beim Start von seinen Konkurrenten überrumpelt. Auch mit seiner ganz besonderen Freundschaft mit Mattias Ekström fiel Green nicht positiv auf: So sorgte der 23-Jährige in Istanbul mit einem allzu optimistischen Überholmanöver gegen den amtierenden Meister für die Vorentscheidung im Titelkampf. Am Speed Jamie Greens besteht indes kein Zweifel: Mit besseren Starts sowie einem etwas weniger offensiven Zweikampfverhalten könnten Green in der DTM noch einige Erfolge bevorstehen.

Mücke Motorsport - die Punktepropheten

In der Debütsaison lief für Mücke Motorsport noch nicht alles perfekt, Foto: Sutton
In der Debütsaison lief für Mücke Motorsport noch nicht alles perfekt, Foto: Sutton

Die Erwartungen Die sich wie ein roter Faden durch die Saison ziehenden Pressemeldungen des Teams Mücke ließen keinen anderen Schluss zu, als dass Punkteankünfte bei jedem Rennen das Ziel darstellten... Gleich zum Saisonanfang deklarierte man sich als "gut vorbereitet" und wollte von Beginn an "gute Ergebnisse" einfahren.

Die Teamleistung Als einziges der hier aufgeführten Teams trat das Team Mücke Motorsport in der Saison 2005 erstmals in der DTM an. So musste man ohne jegliche Vorerfahrungen auskommen - und schlug sich dennoch beachtlich. Mit Stefan Mücke gelang es einem der beiden Jahreswagen-Piloten, sich während der ersten beiden Rennen stets in der Super Pole zu platzieren - und im Folgenden auch Punkte einzufahren.

Anschließend wartete man jedoch vergeblich auf weitere Punkte: Zu sehr war die Neuwagen-Konkurrenz erstarkt, zu sehr forderte die Eingewöhnungszeit ihren Tribut. Während man gegen das Team Joest mit einem im Vergleich meist ohnehin unterlegenen Jahreswagen antrat, ließ man sich auch von Bruno Spengler im Persson-Jahreswagen überflügeln. Eine Schande stellt dies allerdings im ersten DTM-Jahr längst nicht dar, obgleich man den Ankündigungen in den teameigenen Pressemeldungen längst nicht gerecht wurde...

Stefan Mücke sorgte für zwei Punkteplatzierungen, Foto: Sutton
Stefan Mücke sorgte für zwei Punkteplatzierungen, Foto: Sutton

Die Fahrerleistung Mit Stefan Mücke befand sich ein - zumindest im Vergleich zum Teamkollegen - vergleichweise erfahrener Pilot im neuen DTM-Team des Vaters und sorgte sogleich für erste Erfolge: Die beiden einzigen Punkteränge, ein siebter Rang beim Auftaktrennen auf dem Hockenheimring sowie ein achter Platz auf dem EuroSpeedway, gehen auf das Konto Mückes. Wenngleich an jene Erfolge im Folgenden nicht angeknüpft werden konnte: Insgesamt bot der Berliner eine solide Leistung dar.

Weniger zu brillieren vermochte da bereits Teamkollege Alexandros Margaritis, der Benjamin des DTM-Fahrerfeldes: Als einziger Jahreswagen-Pilot scheiterte der Deutsch-Grieche ein ums andere Mal am Einzug in die Super Pole - wenn auch beim Finalrennen in Hockenheim denkbar knapp. Seine auch in den Nachwuchsserien nicht auffallend guten Ergebnisse lassen keinen anderen Schluss zu: Ein künftiger DTM-Champion wächst im gebürtigen Bonner wohl nicht heran. Konstant solide Leistungen sind dem 21-Jährigen, sollte er ein weiteres Mal zum Einsatz kommen, allerdings durchaus zuzutrauen.