Dennoch dürften wohl nicht nur die ehemaligen Formel-1-Piloten über Vorwissen hinsichtlich der Eigenheiten der Ardennenachterbahn verfügen: Vom 28.03. bis zum 01.04. fanden auf dem belgischen Kurs bereits ITR-Tests statt, die gemeinsam mit den ersten beiden Saisonläufen bereits erste Rückschlüsse auf das kommende Rennwochenende zulassen.

Mercedes-Benz - auf dem Gipfel der Achterbahn?

Nicht nur Mika Häkkinen, der auf dem Eurospeedway den ersten Podestplatz seiner noch jungen DTM-Karriere errang, blickt zuversichtlich nach Spa. Bereits vor eineinhalb Wochen bekannte er: "Jetzt freue ich mich auf die Herausforderung der Traditionsstrecke von Spa, an die ich viele gute Erinnerungen habe." Doch nicht nur die guten Erinnerungen des Finnen an Spa, die wohl vor allem aus seinem 2000 nach seinem hoch gelobten "Jahrhundertmanöver" gegen Michael Schumacher errungenen Sieg resultieren, erscheinen nachvollziehbar; eine "Herausforderung" steht den Stuttgartern in der Tat bevor:

Die C-Klasse hat nach zwei Siegen in Folge mit dem Höchstgewicht von 1.070 Kilogramm zu kämpfen, was im Vergleich mit dem Hauptkonkurrenten Audi einen Gewichtsnachteil von 20 Kilogramm bedeutet. Jener gewichtige Nachteil ist in Spa angesichts der zahlreichen Steigungen sowie der mit 6,976 Kilometer extremen Länge der Strecke umso gravierender – insbesondere im Qualifying. Motorsportchef Norbert Haug beziffert den Gewichtsnachteil pro Runde auf eine halbe Sekunde. Und so könnte für Mercedes gerade auf der imposanten Ardennenachterbahn gelten, was nach den Regeln der Physik ohnehin schon auf herkömmlichen Achterbahnen jeder Kleinstadtkirmes gilt: Je höher das Gewicht des Waggons auf der Achterbahn, desto schneller die Fahrt vom Gipfel. Ergo: Je höher das Gewicht der C-Klasse auf der Ardennenachterbahn, desto schneller könnte möglicherweise der Fall von der Spitze der Zeitenlisten vonstatten gehen...

Mit einem völligen Entgleisen der C-Klasse von der Erfolgsschiene ist dennoch nicht zu rechnen: Weder in Hockenheim noch in Klettwitz offenbarten die Stuttgarter Schwierigkeiten mit dem Handling ihres erfolgreichen Mittelklassewagens, stattdessen umrundete die V8-Limousine der aktuellen Generation die Kurse mit stoischer Ruhe. Dass dies gerade auf dem nicht nur für den Fahrer, sondern auch für sein Gefährt höchst anspruchsvollen Kurs einen großen Vorteil darstellt, könnte sich in wenigen Tagen beweisen.

Audi – Aufstieg mit Anlauf?

Bereits auf dem Eurospeedway nahm Audi in Anbetracht von 20 erreichten Punkten, womit man als erfolgreichste Marke aus der Lausitz abreiste, sowie einem zweiten Platz Tom Kristensens Anlauf, um auf der Ardennenachterbahn schnellstmöglich den DTM-Gipfel zu erklimmen. Abt-Teamchef Hans-Jürgen Abt äußert sich hoffnungsfroh: "Vielleicht platzt in Spa ja der Knoten. Die Strecke ist für jeden DTM-Fahrer eine Herausforderung. Ich denke, dass die Routiniers wie Tom Kristensen, die dort schon viele Rennen gefahren sind, einen kleinen Vorteil haben werden – und das stört uns natürlich nicht."

Auch anderweitige Störungen sind für Audi in Spa kaum zu erwarten: Der aktuelle A4 DTM tritt auch in Belgien, wo man anno 2002 in Zolder einen Doppelsieg errang, mit dem Normalgewicht von 1.050 Kilogramm an, was, glaubt man Norbert Haugs Prognose, mindestens für ausgeglichene Kräfteverhältnisse zwischen A4 und C-Klasse sorgen könnte. Auch das Handling des A4 zeigte sich zumindest in der Lausitz unproblematisch; wie die C-Klasse setzte auch der Ingolstädter DTM-Bolide die Befehle des Fahrers ohne sichtbare Unter- und Übersteuerlaunen in die Tat um - vor allem in Spa ein beträchtlicher Pluspunkt, sofern die Fahrer ihrem A4 auch in den tückischen Kurven der Ardennenachterbahn die richtigen Befehle geben.

"Ich sehe uns in Spa in einer guten Position - wir haben bei den ersten beiden Rennen viel über unser neues Auto gelernt und werden es nach dem Test in Paul Ricard noch besser kennen. Es ist an der Zeit, zurückzuschlagen!" - die Umsetzung dieser Kampfansage Mattias Ekströms ist in Spa somit nicht nur dem meisterschaftsgekrönten Schweden selbst zuzutrauen...

Opel – Ende des freien Falls?

Das für Opel punktelose Rennen in der Lausitz, nach Hockenheim der zweite Misserfolg in Folge, endete mit einem guten Vorsatz von Opel-Sportchef Volker Strycek: "Wir konzentrieren uns nun auf den dritten Lauf in Spa-Francorchamps, bei dem wir uns deutlich verbessern müssen." Ob jener gute Vorsatz mit dem Vectra GTS ausgerechnet auf dem anspruchsvollen Ardennenkurs wirklich überzeugend umgesetzt werden kann, erscheint allerdings angesichts des Sorgenkindes der Rüsselsheimer zunächst einmal fraglich:

Der neue Vectra GTS überzeugte bislang weder beim Handling, wo mit Unter- und Übersteuern sowie einem auf- und abnickenden Vorderwagen beim Anbremsen vor Kurven bereits viele Formen automobilen Übels zum Vorschein kamen, noch konnte er sich auf dem Eurospeedway mit den Dunlop-Pneus anfreunden. Obgleich die ITR-Tests für Opel und insbesondere Heinz-Harald Frentzen in Spa durchaus viel versprechend verliefen, ist es eher unwahrscheinlich, dass die Opel-Mannschaft dem Vectra in Spa seine negativen Angewohnheiten abzugewöhnen vermag.

Dennoch gibt es einen Hoffnungsschimmer: Angesichts eines Gewichtsvorteils von 20 Kilogramm im Vergleich zu Audi und gar 40 Kilogramm verglichen mit Mercedes könnten die Platzierungsgewichte dafür sorgen, dass die vier Opel-Piloten ihre Boliden endlich vom Tiefpunkt der Achterbahn manövrieren und zumindest in mittlere Höhen aufsteigen können. So dürfte sich nicht nur nach Haugs Rechnungen, die in diesem Fall einen Opel-Vorteil von einer Sekunde im Vergleich zu dem Mercedes besagen würden, das Untergewicht des Vectras deutlich bemerkbar machen. Verhülfe es gar ansatzweise zum lang ersehnten Dreikampf der vertretenen Marken, wäre die DTM-Gemeinde dem sicherlich nicht abgeneigt...