Genaue Prognosen sind im Vorfeld eines Rennens immer schwer - das weiß auch Audis DTM-Leiter Dieter Gass. Mit Blick auf den anstehenden Lauf der Serie auf dem Norisring hatte der Deutsche beim Betrachten der Resultate in den letzten Jahren jedoch ein paar Bedenken, gilt der Stadtkurs in Nürnberg trotz der Nähe zu Ingolstadt doch traditionell als Territorium der Mercedes-Mannen aus Stuttgart. "Wir setzen alles daran, ihre Strähne hier zu beenden", versprach Gass, bevor er stockte. Nürnberg, Ingolstadt, Stuttgart...? Da kam doch glatt ein anderer Städtename ins Gedächtnis: "Wir haben hier letztes Jahr ein kleines Waterloo erlebt", sagte Gass. "Das, gepaart mit der Tatsache, wie lange wir hier nicht gewonnen haben, sorgt dafür, dass wir diese Scharte auswetzen wollen." Dafür sei aber vor allem eines vonnöten: "Eine gute Position in der Startaufstellung... und, dass wir heuer nicht nur mit einem Auto vorne dabei sind."

Allgemein gelte: "Wir geben immer alles, nicht nur auf dem Norisring, denn wir wollen Rennen gewinnen. Aber der Norisring ist unser Heimspiel und somit eine besondere Veranstaltung für uns. Das kann man schon an der Tribünenfarbe erkennen, denn die ist im Normalfall in Audi-Farben eingefärbt und das ist für uns eine zusätzliche Motivation." Mit Blick auf das Rennen glaubte Gass: "Dieses Mal wird es eine noch viel knappere Kiste, als es das hier schon in der Vergangenheit immer war." Besonders das DRS hatte die Aufmerksamkeit des Technikers dabei inne. "Es wird seinen Beitrag dazu leisten, dass das Feld über lange Zeit sehr eng zusammen bleiben wird und es einige Kampfgruppen geben könnte, die sich über lange Zeit duellieren. Erst am Ende wird man genau erkennen, wie das Rennen ausgehen wird", so der Audi-Mann.

Lieber die Meisterschaft gewinnen

Mit Green ist Audi für Nürnberg bekanntlich bestens aufgestellt, Foto: DTM
Mit Green ist Audi für Nürnberg bekanntlich bestens aufgestellt, Foto: DTM

Besonderes Augenmerk müsse man auf dem Norisring mit seinen langen Geraden und den harten Bremspunkten auf die Bremsen legen. Spezielle Maßnahmen für den Auftritt in Nürnberg habe seine Techniker-Truppe aber nicht getroffen, da man die Belastungen vor Ort von Anfang an so vorgesehen und dementsprechend bei der Konstruktion und dem Aufbau der Autos miteinbezogen hätte. Und wenn das alles nicht helfe, habe man ja immer noch ein ganz anderes Ass im Ärmel: Mr. Norisring, Jamie Green. Gass lachte: "Man muss aber dazusagen, dass wir ihn ja nicht nur für Norisring-Siege verpflichtet haben. Er ist generell ein Fahrer mit sehr guter Performance und er hat sich auch schon sehr gut ins Team eingefügt. Mit ihm rechne ich also nicht nur auf dem Norisring und er hat zuletzt in der Lausitz ja schon angedeutet, was er mit unserem Auto zu leisten vermag."

Zudem konzentriere man sich bei Audi niemals nur auf einen Piloten, denn auch die sieben anderen Fahrer im Kader hätten guten Erfolgsmöglichkeiten. "Dieses Jahr geht alles unheimlich eng zu - aber wir sind die Marke, die es geschafft hat, auf allen Rennstrecken wettbewerbsfähig zu sein", lobte Gass. Doch wie sei ein Sieg in Nürnberg am Ende zu gewichten? "Wir denken weiter und ein Norisring-Sieg wäre sich sehr viel wert für uns. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre mir mit Blick auf die Zukunft die Meisterschaft lieber als ein einzelner Rennsieg hier", grinste Gass. Dabei stellte er klar: "Wir wollen alle unsere Autos siegfähig sehen. Das ist unsere Philosophie für die Team- und Fahrerbetreuung, denn wir sehen bei allen Fahrern das Potenzial dafür."

Alles auf Rockenfeller setzten? Damit tut sich Audi noch schwer..., Foto: DTM
Alles auf Rockenfeller setzten? Damit tut sich Audi noch schwer..., Foto: DTM

Dass Green ob seiner besonderen Beziehung zum Norisring trotzdem eine exponierte Stellung genieße, konnte er aber nicht verneinen. Bei Audi versuche man allerdings, nicht nur im Falle des Briten sondern gleich in der breiten Masse von diesem Umstand zu profitieren. "Wenn jemand besondere Stärken hat, versuchen wir natürlich, die zu nützen und Gespräche zu führen, ob Jamie den ein oder anderen Hinweis geben kann." Allerdings sei es nicht ganz so einfach, derlei Dinge einfach auf andere Personen und Autos zu übertragen. Trotzdem könne einem Green sicher helfen. "Sowohl technisch und beim Set-Up, als auch fahrerisch, taktisch und wie er so ein Rennwochenende angeht", sagte der DTM-Leiter. Nun deshalb aber alles auf Green auszurichten, sei genauso wenig geplant, wie eine komplette Bündelung der Kräfte auf den Meisterschaftsführenden Mike Rockenfeller.

Rockenfeller erwartet Reifen-Poker

"Dafür wäre es noch relativ früh", fand Gass, wenngleich er einräumte, dass man so langsam ins Grübeln komme. "Wir nähern uns nun der Saisonmitte und klar, wenn sich strategische Möglichkeiten ergeben, muss man das alles sicher überdenken." Sein Pilot selbst wollte von einer Sonderstellung sowieso nichts wissen. Bei Audi sei nun einmal Gleichstellung angesagt und viel wichtiger als derlei Nebenkriegsschauplätze abseite der Piste sei sowieso das Geschehen auf ihr. Bezogen auf dieses hatte Rockenfeller für das Wochenende nur einen Wunsch: Schnell zu verstehen, wie der Option-Reifen funktioniert. "Trotz vier gefahrenen Rennen wissen wir alle immer noch nicht genau, wie lange er auf dieser und jener Strecke hält und wie groß der Unterschied ist - das macht es sehr interessant", erklärte Rockenfeller, der anfügte: "Ich hoffe, das spielt uns dieses Wochenende in die Karten und wir können vielleicht einen Vorteil daraus ziehen."

Doch wie Gass erwartete auch der Gesamtführende ein Rennen am Limit, auch in Sachen Bremsen und DRS. "Es gibt viele Herausforderungen und wird sicher ein spannendes Rennen mit vielen Überholmanövern." Selbst in Brands Hatch habe man heuer überholen können. "Also geht das am Norisring sicher auch gut", war sich 'Rocky' sicher. Und dann sei da ja noch die Strategie. "Die Option-Reifen sind vor jedem Lauf das größte Fragezeichen. Manchmal geht es mit ihnen gut, manchmal halten sie auch nicht so lange", so der Deutsche. "Wie lange man auf ihnen fahren kann, ist der Schlüssel zu einem guten Rennen." Daher müsse man im Qualifying auch nicht mehr zwingend vorne stehen. "Es hilft natürlich, aber man kann auch einen Kompromiss eingehen und das Set-Up dann ziemlich aufs Rennen ausrichten." Auch auf dem Norisring dürften sich die Fans daher auf viele verschiedene Strategien freuen. "Man hat die Chance, die Dinge einmal anders anzugehen als in der Vergangenheit - das ist schön", lobte Rockenfeller die Neuerungen.