Während die meisten anderen Rennserien bereits begonnen und schon richtig an Fahrt aufgenommen haben, geht es bei der DTM erst am ersten Mai-Wochenende los. War die Winterpause zu lang?
Manuel Reuter: Aus Sicht der Fahrer und Fans mit Sicherheit, ja. Aus meiner Sicht würde ich sagen nein, das war ok. Man muss immer sehen, wann man anfängt, und wenn wir dann in Hockenheim so wie an dem Testtag bei acht Grad und Regen fahren würden, dann wäre das natürlich auch nicht prickelnd. Jetzt ist die Wettervorhersage ja nicht ganz so verkehrt: 20 Grad, hoffentlich volles Haus - so sollte ein Auftakt sein.

Was konnte man aus den Testfahrten herauslesen?
Manuel Reuter: Man sollte die Testfahrten als Gesamtes sehen. Hockenheim war aufgrund der unterschiedlichen Wetterbedingungen natürlich extrem schwierig. Und es hat auch noch keiner gezeigt, was er auf einer schnellen Runde wirklich kann. Die haben alle probiert, wie DRS arbeitet, und das Thema mit dem Option-Reifen war ja auch noch da: Was muss ich abstimmungsmäßig machen? Was gibt es von der Balance her für einen Unterschied zu meinem Standardreifen? Wie reagieren beide Mischungen auf die Abstimmung? Denn das Schwierige wird ja sein, dass ich meine gesamte Abstimmung mit dem Standardreifen mache und im Rennen dann einen Reifen fahren muss, den ich vorher nicht gefahren bin. Das ist dann schon nicht ganz einfach.

Das Wetter meinte es bei den Testfahrten nicht gut mit den Teams., Foto: Mercedes-Benz
Das Wetter meinte es bei den Testfahrten nicht gut mit den Teams., Foto: Mercedes-Benz

Sie haben sicherlich auch die Youngster Marco Wittmann, Daniel Juncadella und Pascal Wehrlein beobachtet. Wen von den Dreien schätzen Sie am stärksten ein?
Manuel Reuter: Sie bewegen sich alle auf einem sehr hohen Niveau, deswegen haben sie auch einen Platz bei Mercedes beziehungsweise BMW bekommen. Sie werden letztendlich alle auf einem ähnlichen Niveau fahren. Ich glaube nicht, dass sich da große Unterschiede ergeben. Wehrlein ist noch sehr, sehr jung, aber er hat sein Können dieses Jahr beim ersten Formel-3-Rennen in Monza unter schwierigen Bedingungen ja schon aufblitzen lassen. Er stand drei Mal auf dem Podium - also der Junge hat mit Sicherheit viel Potential. Und wenn man wie Juncadella die Formel-3-Euroserie gewinnt, dann müssen wir auch nicht weiter reden, was das heißt. Und Wittmann ist auch schnell... Da geht es letztendlich darum, es auf den Punkt zu bringen, mit dem Druck und mit den eigenen Erwartungen umzugehen. Die diesjährige DTM ist allerdings schwieriger, weil die 90 Minuten Training am Freitag wegfallen. Ich habe nur den Samstagmorgen und muss es dann am Nachmittag direkt auf den Punkt bringen. Und dann gibt es natürlich diese Feinheiten, wie sich das Auto entwickelt, wie sich die Strecke entwickelt, was mache ich mit meiner Abstimmung? Sie sind da mit Sicherheit in einem sehr guten Umfeld, aber letztendlich müssen sie Erfahrung sammeln und da werden sie sicherlich auch das eine oder andere Mal danebenliegen und einen Fehler machen.

Das Auto neu erfinden geht nicht

Mit Timo Glock ist wieder ein ehemaliger Formel-1-Fahrer im Feld, die sich in der DTM ja meist schwer tun. Was erwarten Sie von ihm?
Manuel Reuter: Ich erwarte schon wesentlich mehr, als wir in der (jüngeren) Vergangenheit von den zwei Formel-1-Fahrern, David [Coulthard] und Ralf [Schumacher], gesehen haben. Timo hatte in den letzten Jahren nicht den Erfolg, den er hätte haben wollen und der ihm auch zugestanden hätte - einfach aufgrund dessen, dass er kein optimales Material hatte. Dieses Jahr fährt er im Meisterauto, er hatte bei den Testfahrten Zeit, das Auto kennen zu lernen. Es wird mit Sicherheit schwieriger werden, wenn er auf Strecken kommt, auf denen er noch nicht mit einem DTM-Auto gefahren ist, speziell was Linien angeht, was die Strecke angeht, wie sie sich entwickelt... Aber ich erwarte schon, dass Timo relativ schnell Top-5- und Top-3-Ergebnisse einfahren wird.

Glauben Sie, dass die "alten Hasen" wie Timo Scheider oder Mattias Ekström zurückschlagen werden?
Manuel Reuter: Im Fall von Audi muss man sagen, dass Edo [Mortara] mit seinen zwei Siegen in der vergangenen Saison klar besser als Ekström oder Scheider war. Aber wenn man so lange in der DTM dabei ist, hat man natürlich Höhen und Tiefen. Wir haben schon viele kommen und gehen sehen. Wenn man länger als zehn Jahre in der DTM ist, dann spricht das ganz klar für die Qualität der Herren. Sie werden mit Sicherheit dieses Jahr wieder eine Rolle spielen. Das hängt ein bisschen davon ab, wie gut der Audi sein wird, und wie groß das Fenster ist, in dem das Auto arbeitet. Aber ich rechne auf jeden Fall mit ihnen.

Was kann Audi dieses Jahr bei eingefrorenem Reglement aus dem Auto rausholen?
Manuel Reuter: Das Auto neu erfinden geht natürlich nicht. Die großen Parameter wie zum Beispiel die Aerodynamik sind ja festgelegt, es geht also um Feinheiten. Man kann relativ viel in der Kinematik machen und man hat einen ganz kleinen Spielraum im Bereich Aerodynamik. Der Audi war prinzipiell ein schnelles Auto, wenn sie es auf den Punkt gebracht haben. Zum Beispiel in Zandvoort - da standen sie vorne und haben überlegen Platz eins bis fünf nach Hause gefahren. Das Auto ist prinzipiell vom Speed her in der Lage, zu gewinnen. Aber dieses optimale Fenster zu treffen, ist die Schwierigkeit. Das hat natürlich auch etwas mit der Streckencharakteristik zu tun und damit, wie sich eine Strecke verändert. Muss ich hier mehr oder weniger über die Randsteine fahren? All das hat einen Einfluss. Da wusste Audi schon ganz genau, wo die großen Schwächen liegen. Ich hoffe schon, dass man die Schwächen soweit beseitigen konnte, dass man jetzt über die Saison gesehen vom ersten bis zum letzten Rennen ein konkurrenzfähiges Paket hat.

Pünktchen holen, dabei sein

Was kann die stark verjüngte und damit unerfahrene Mannschaft von Mercedes im Gegensatz zu Audi, die bewusst auf Neuverpflichtungen verzichtet haben, erreichen?
Manuel Reuter: Mercedes hat eine große Historie, was Junior-Teams angeht. Wer hätte Anfang der 90er Jahre gedacht, dass aus einem Michael Schumacher als Junior ein siebenfacher Weltmeister wird? Das, was sie in der Vergangenheit gemacht haben, war richtig. Die Jungen bekommen ein tolles Auto und ein perfektes Umfeld, und sie wissen, das ist ihre Chance. Und wenn ich diese Klasse und diese Qualität habe, warum soll ich dann nicht gleich gewinnen können? Das ist für mich kein Nachteil. Der Nachteil ist vielleicht, dass sie den einen oder anderen Bock schießen werden.

Wer ist 2013 Ihr heißester Anwärter auf den Titel? Wird es eine Neuauflage des Duells Paffett-Spengler geben oder greifen auch andere ein?
Manuel Reuter: Bruno muss man auf jeden Fall nennen. Er ist amtierender Champion, er ist nach seiner ersten Meisterschaft entspannter, ruhiger und hat keinen Druck mehr. Gary ist nach der knapp verlorenen Meisterschaft sicher auch wieder vorne mit dabei. Und ich gehe davon aus, dass Audi wieder ein konkurrenzfähiges Paket hat über die Saison, da muss man auch einen Eki oder Timo nennen. Aber da gibt es auch einen Mortara, einen Farfus, die ganzen Jungen also. Es ist wirklich unmöglich, da einen Favoriten zu nennen, das wäre mehr Raten. Objektiv haben die zwei, drei Top-Leute wahrscheinlich die größten Chancen, aber sie müssen es letztendlich auch auf den Punkt bringen. Der Druck ist bei ihnen sicherlich größer als bei den jungen Leuten, die haben ja nichts zu verlieren. Das Wichtigste wird sein, dass man konstant über die Saison Punkte holt. Ich glaube, wir werden unter den ersten Dreien viel Abwechslung sehen, einfach aufgrund der Leistungsdichte und aufgrund des neuen Reglements - weniger Training, DRS, Option-Reifen. Da muss die Zielsetzung sein, immer zu punkten. Pünktchen holen, dabei sein. Wenn ich in der Lage bin, heute zu gewinnen, dann zu gewinnen. Man kann nicht mehr sagen, man ist permanent unter den besten Drei. Dafür ist die Leistungsdichte und die Unvorhersehbarkeit mit den neuen Parametern zu groß.