Mit der WorldWCR, im vollen Namen FIM Women's Circuit Racing World Championship, gab am vergangenen Wochenende in Misano die erste Weltmeisterschaft für Frauen im Rundstreckenrennsport ihr Debüt. Die Premiere war mit Spannung erwartet worden und zeigte sowohl den schönsten Teil des Motorradsports als auch seine Schattenseiten.
Beginnen wir mit dem Positiven: Was Damen wie Maria Herrera, Ana Carrasco oder Sara Sanchez an der Spitze des 26 Starterinnen großen Feldes zeigten, war Racing vom Feinsten. In beiden Rennen fiel die Entscheidung erst in der letzten Runde. Vor allem Herrera glänzte dabei mit sehenswerten Manövern. Das hat definitiv Lust auf mehr gemacht!
Doch die tollen Vorstellungen von Herrera und Co. wurden an diesem Wochenende von einer Reihe schwerer Unfälle überschattet. Das erste Rennen war gerade einmal fünf Runden alt, als die Norwegerin Mia Rusthen in der Zielkurve heftig stürzte. Ein Abbruch war die Folge. Wie die Familie der 22-Jährigen am Abend bekanntgab, hat Rusthen schwere Kopfverletzungen erlitten. Sie wurde operiert, um den Druck im Kopf zu lindern und Blutungen zu entfernen. Sie befindet sich aktuell im künstlichen Koma.
Beim Restart des Rennens schrammte die WorldWCR an einem weiteren dramatischen Unfall nur hauchdünn vorbei. Jessica Howden stürzte am Ausgang von Turn 2, die nachkommenden Pilotinnen konnten glücklicherweise allesamt ausweichen. Auch Howden musste zur Behandlung ins Krankenhaus geflogen werden, war aber stets bei Bewusstsein. Das Rennen wurde erneut abgebrochen. Auch der zweite Restart kam nicht ohne Schrecksekunde aus: Die Österreicherin Lena Kemmer krachte nach einer Kollision in die Boxenmauer, blieb aber unverletzt.

Falsches Motorrad für die Frauen-WM?
Eine erschreckende Häufung an schweren Unfällen, die den Verantwortlichen zu denken geben sollte. Denn einige Entscheidungen im Vorfeld der Premiere wirken nicht wirklich durchdacht. Da wäre zum einen die Wahl des Einheitsmotorrads. Die eingesetzte Yamaha R7 wird quasi in Serienspezifikation gefahren und kommt in dieser auf 188 Kilogramm Fahrgewicht, ist somit also mehr als 30 Kilogramm schwerer als ein MotoGP-Bike. Für die größtenteils vergleichsweise kleinen und leichten Frauen ein mächtiger Brocken, der bei Stürzen für dementsprechend gravierende Verletzungen sorgen kann und generell schwer zu fahren ist.

Das gilt umso mehr, wenn man den Starterinnen so wenig Vorbereitungszeit gibt, wie es in WorldWCR der Fall war. Gerade einmal zwei offizielle Testtage in Cremona Mitte Mai wurden organisiert. Dann herrschte fast ein Monat Ruhe, ehe man die Damen in ein hektisches erstes Rennwochenende schickte. Nach einem halbstündigen Training am Freitagmorgen ging es in der Superpole am Nachmittag sofort um zählbare Resultate in Form der Startplätze.
Bunter Mix statt maximaler Klasse?
Dass das für einige Teilnehmerinnen nicht ausreichend war, zeigte sich an den Zeitabständen. In der Superpole lagen mehr als acht Sekunden zwischen Platz 1 und 26. Und auch in den Rennen verloren die Nachzüglerinnen im Schnitt mehr als sieben Sekunden pro Runde. Würde man in der WorldWCR nicht auf die sonst übliche 107-Prozent-Regel im Qualifying verzichten, wären gar nicht alle Fahrerinnen startberechtigt gewesen. Man kann davon ausgehen, dass sich das Feld in Zukunft enger zusammenschieben wird. Die Frage, ob wirklich alle Fahrerinnen der gewaltigen Herausforderung einer Weltmeisterschaft gewachsen sind, muss dennoch erlaubt sein. Wenn die schlussendlich ausgewählten 26 Frauen aus 18 Ländern kommen, wird man im ansonsten nationentechnisch doch wenig durchmischten Motorradsport die Vermutung nicht los, dass hier von den Verantwortlichen versucht wurde, lediglich ein möglichst buntes Feld zu erzeugen, um dem Titel der Weltmeisterschaft auch absolut gerecht zu werden. Eine schöne Überlegung, die in diesem nach wie vor gefährlichen Sport aber schnell brandgefährlich werden kann. Misano war ein kräftiger Warnschuss, den die Entscheidungsträger nicht ignorieren sollten!
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