Vom Tiguan mag man halten was man will. Ein praktischer Familientransporter, ein komfortables Rentner-Auto, der logische nächste Schritt, wenn einem der Golf zu klein und unauffällig geworden ist. Man mag fast meinen, der Tiguan löste den Golf in den letzten Jahren ab und dennoch steht VW mit dem neuen und voll elektrischen ID.4 vor der Türe. Ist er der bessere, modernere und jugendlichere Tiguan?

Die ID-Familie

Designtechnisch hebt sich die ID-Family von VW deutlich vom Rest der Modelpalette ab und geht neue, eigenständige Wege. Der ID.4 wirkt im Allgemeinen sehr glattgebügelt, mit klaren und fließenden Linien. Fast schon ein wenig unaufgeregt, dennoch tritt er deutlich erwachsender auf als der kleinere ID.3.

Je nach Ausstattungsvariante findet man sowohl vorne als auch hinten ein durchgängiges LED-Leuchtband. In einigen Märkten wie den USA oder China, darf sogar das überarbeitete VW-Logo mitbeleuchtet werden. Leider erlaubt uns das EU-Modell dieses coole Feature nicht. Schade, wäre es doch eine perfekte Ergänzung zu den 3D Heckleuchten gewesen. Der ID.4 wird in allen global wichtigen Märkten unterwegs sein. Ein typisches VW-Weltauto also, an dem fast jeder Gefallen finden wird.

Futuristisches Cockpit

Im Innenraum wurden zwei Touch-Displays auf das sonst sehr schlichte Armaturenbrett gesetzt. Einen kompakten Screen findet man direkt vor dem Fahrer, welcher alle notwendigen Key Features (Geschwindigkeit, Drive-Mode, Navigation) anzeigt.

Wer ein wenig Hightech haben will, für den gibt es das Augmented-Reality-Head-Up-Display. Geschwindigkeit, Richtungsanweisungen, sowie Straßenschilder werden erkannt und direkt vor einem auf die Straße projiziert.

Alle anderen Funktionen wurden auf das größere, in der Mittelkonsole platzierte 10 Zoll Display (optional 12 Zoll) verlagert. Der ID.4 kommt fast ohne physische Tasten und Schalter aus. Dies lässt das Interior sehr clean und aufgeräumt aussehen, dabei geht VW aber nicht ganz so weit wie Tesla, der ganz ohne Knöpfe auskommt. Ein Manko, welches der ID.4 leider hat, ist die Sprachbedienung. Dieses System sollte verbessert werden, denn sie erkennt viele Eingaben leider nicht.

Familienkutsche

Der 4,58 Meter lange SUV startet automatisch dank Schlüsselerkennung. Praktisch ist auch der Wahlhebel für die verschiedenen Drive-Modi, der sich direkt vor einem, rechts neben dem Fahrerdisplay befindet. Je nach Stellung, wählt man zwischen D, B, N, R und P.

Schaltet man den ID.4 in den B-Modus, nutzt er die Rekuperation und bremst bis ca. 5km/h herunter, ohne dass man das Bremspedal betätigen muss. Dieses One-Pedal-Driving ist bereits von anderen Herstellern bekannt und durchaus effektiv, wenn doch der ID.4 nicht ganz so stark verzögert, wie man es von seinen Konkurrenten gewohnt ist.

Dadurch, dass der Wahlhebel direkt beim Lenkrad montiert ist (man kennt das noch von alten Ami-Schlitten), ist die Mittelkonsole komplett frei und individuell nutzbar. Es gibt verschiedene Einsätze, die man je nach Belieben platzieren kann. So verwandelt man zum Beispiel das vordere Staufach zum Cupholder und unterteilt das Hintere in kleinere Abteilungen, für etwa den Geldbeutel oder das Handy.

Generell ist der Innenraum mit dem eines Tiguan vergleichbar. Man merkt dies vor allem am Kofferraum und der geräumigen Rückbank. Drei Kindersitze mit Isofix-System finden dort ausreichend Platz.

Die Umwelt im Blick

Volkswagen legt beim ID.4 im Interior viel Wert auf umweltschonende Materialien (es wird keine Lederausstattung mehr angeboten). Nichtdestotrotz findet man an gewissen Stellen, wie den Türen, billig wirkendes Plastik. Gespart wird z.B. auch an den Fensterhebern. Hat man doch vier elektrische Fenster eingebaut, aber nur zwei Knöpfe dafür. Man muss also mittels Taste umschalten und so werden die Fensterheber von vorne zu den Fensterhebern von hinten. Produziert wird der ID.4 übrigens bilanziell CO2-neutral.

Was kann der ID.4?

Es gibt ihn in sechs verschiedenen Ausstattungsvarianten. Vom Einstiegsmodell Pro über Family bis hin zum Max. Die Preisspanne zieht sich demnach von 44.450 Euro bis hin zu 58.820 Euro. Zur Verfügung steht in allen Versionen ein E-Motor mit 150 kW (204 PS) mit einem Verbrauch von ca. 16,2 kWh/100 km. In der Praxis kann das aber schon mal eher in Richtung 24 kWh/100km gehen.

Die Antriebskraft wird auf die Hinterachse übertragen (Heckmotor) und man ist in ungefähr 8,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Leistung ist mit 310 Nm Drehmoment von Anfang an vorhanden, dennoch ist bei 160 km/h Schluss. Geladen wird eine 493 Kilogramm schwere Batterie mit 77 kWh Netto-Energiegehalt. Laut Volkswagen sollte damit eine Reichweite von 490 km bis ca. 522 km möglich sein. Im Alltag kann man jedoch ca. 15-20% davon abziehen, je nach Fahrweise in der Stadt oder über die Autobahn.

Ein Aspekt, welcher fast schon wichtiger geworden ist als die Reichweite von E-Autos, ist wie schnell das E-Auto lädt. An einer DC-Schnellladestation, etwa von Ionity, kann der VW in rund 30 Minuten auf ca. 320 km Reichweite nachladen. 80% schafft man in ungefähr 40 Minuten und für die 100% wird wohl eine Stunde nötig sein. Lädt man den ID.4 über Nacht zuhause, so soll dieser in ungefähr sieben Stunden bei 11 kW Ladeleistung wieder die maximale Reichweite haben.

Der neue VW ID.4 lässt ganz klar die paar wenigen Mitbewerber hinter sich und zielt in Richtung Tesla Model Y. Nicht ganz so hightech oder sportlich, aber nahe dran. Mit einem soliden Design und guter Ausstattung ist er doch einer, der so manchen (Noch-) Tiguan-Fahrer begeistern könnte.