Corvette-Pilot Jules Gounon (22/F) ist der ADAC GT Masters-Champion 2017. Im großen Interview blickt der Franzose auf seine Erfolgssaison zurück und erklärt, warum sein Team Callaway Competition wie eine zweite Familie für ihn ist.

Es ist jetzt knapp zweieinhalb Wochen her, dass Sie den ADAC GT Masters-Titel gewonnen haben? Haben Sie den Titelgewinn inzwischen realisiert?
Jules Gounon: "Es hat etwas gedauert, bis ich wirklich verstanden habe, dass ich solch eine wichtige Meisterschaft gewonnen habe. Anfangs konnte ich es noch gar nicht realisieren. Der Titelgewinn bedeutet mir extrem viel - vor allem, nachdem ich 2016 beim Saisonfinale nach einem Unfall ins Krankenhaus musste. Damals dachte ich, dass ich wahrscheinlich nicht viele Gelegenheiten haben würde, den Titel zu gewinnen. Ich war am Boden zerstört. Im Rückblick betrachtet war ich wohl noch nicht reif für den Titelgewinn, denn es war meine erste Saison im ADAC GT Masters überhaupt. Aber in diesem Jahr fühlte ich mich optimal vorbereitet. Es freut mich sehr, dass ich das Vertrauen von Callaway Competition zurückzahlen konnte. Ich könnte derzeit nicht glücklicher sein. Als Ernst Wöhr und Giovanni Ciccone mich Anfang 2016 unter Vertrag nahmen, sind sie ein großes Risiko eingegangen. Denn ich war damals ein Niemand."

Sie bekamen nach dem Titelgewinn sicherlich viele Glückwünsche. Welcher hat Sie am meisten überrascht?
"Es waren wirklich viele. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich habe zwei oder drei Tage gebraucht, um mich für alle zu bedanken. Darunter waren auch große Namen aus dem Motorsport, das war natürlich schön. Aber was mich am meisten überrascht hat, war, wie viele Fans - darunter auch viele Kinder - in Hockenheim zu mir kamen, um zu gratulieren und mich um ein Autogramm zu bitten. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet und war für mich völlig neu. Für mich sind alle Menschen gleich, ich denke nicht, dass wir als Rennfahrer Stars sind. Daher war das etwas ganz Besonderes."

Wenn Sie auf die Saison zurückblicken, was war der Höhe-, was der Tiefpunkt?
"Wir kamen nach dem schwierigen Sachsenring-Wochenende, wo wir viel von unserem Punktevorsprung eingebüßt hatten, etwas geknickt zum Finale. Wir standen unter Druck. Doch als ich im ersten Qualifying auf die Pole-Position gefahren bin, war das eine große Erleichterung. Mir ist eine richtig gute Runde gelungen. Ich war sehr glücklich. Uns war danach klar, dass es in Hockenheim wieder besser laufen würde. Der Rest des Wochenendes war einfach traumhaft. Toll war auch Zandvoort. Da mein eigentlicher Teamkollege Daniel Keilwitz verletzt war, mussten wir ihn kurzfristig ersetzen. Ich hatte Angst, dass es das mit dem Titel war. Denn ich war mir anfangs nicht sicher, wie gut es mit Renger van der Zande als Vertretung laufen würde, da er die Corvette überhaupt nicht kannte. Doch nachdem wir von der Pole-Position aus das Rennen am Samstag gewonnen hatten, wusste ich, ich kann es schaffen."

Apropos Teamkollegen: Mit Daniel Keilwitz und seinen Vertretern Renger van der Zande und Albert Costa hatten Sie gleich drei. Hat das die Saison für Sie erschwert?
"Ich denke schon ein wenig. Ich musste erst mal Vertrauen aufbauen, da ich anfangs nicht einschätzen konnte, wie sich die neuen Teamkollegen schlagen werden. Wir mussten zudem schnell ein Set-up finden, das beiden Fahrern passte. Und zum anderen bin ich in den Freien Trainings deutlich weniger gefahren, damit sich Renger und Albert an die Corvette gewöhnen konnten. Ich musste so ohne große Vorbereitung ins Zeittraining gehen und dort auf Anhieb schnell sein. Aber rückblickend haben alle wirklich einen tollen Job gemacht."

Was war das Erfolgsgeheimnis auf dem Weg zum Titelgewinn?
"Ich habe erst spät mit dem Motorsport angefangen und lerne immer noch viel dazu. Ein wichtiger Punkt war, dass ich während der Saison immer selbstsicherer geworden bin. Als ich 2016 als Neuling in das ADAC GT Masters kam, war ich mir oft nicht sicher, ob ich auf einem ähnlichen Level fahren kann wie zum Beispiel Christopher Mies oder Philipp Eng, die ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Die diesjährigen Erfolge, darunter auch der Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Spa im Sommer, haben mich sicherer gemacht. Ein anderer entscheidender Faktor war unsere Konstanz. Wir haben in den Rennen praktisch keine Fehler gemacht und ich bin keine unnötigen Risiken eingegangen, da ich den Titel im Hinterkopf hatte. Ich habe nur zwei Mal nicht gepunktet. In Oschersleben wurde ich berührt und bin nach einem Reifenschaden ins Kiesbett gerutscht, und auf dem Sachsenring haben Steine den Kühler beschädigt."

Wie groß war der Anteil des Teams am Titelgewinn?
"Riesengroß. Ich bin Callaway Competition zutiefst dankbar, dass sie mich im vergangenen Jahr als völlig unbekannten Fahrer verpflichtet haben. Das Team ist wie eine zweite Familie für mich. Das habe ich besonders nach dem Unfall im vergangenen Jahr gemerkt, als mich die gesamte Mannschaft im Krankenhaus besucht und mich aufgemuntert und unterstützt hat. Sie haben mir Geschenke mitgebracht. Niemand hat mir einen Vorwurf gemacht. Das war sehr bewegend. Ich hatte Tränen in den Augen."

Wie sieht es eigentlich mit Ihren Deutschkenntnissen aus? Haben Sie vom Team etwas aufgeschnappt?
"Ein bisschen schon, aber es reicht nicht aus, um mich zu unterhalten. Aber ich denke darüber nach, nach Deutschland zu ziehen, um die Sprache zu lernen. Ohne in dem Land zu leben, ist es sehr schwierig, dessen Sprache zu lernen."

Wo wir beim Thema Zukunft sind: Was steht jetzt noch an, und das Wichtigste: Werden wir Sie 2018 wieder im ADAC GT Masters sehen?
"Am kommenden Wochenende starte ich beim 8-Stunden-Rennen in Laguna Seca in Kalifornien und Anfang November mit einer knapp 40 Jahre alten Greenwood-Corvette bei den historischen 24 Stunden von Daytona in Florida. Ich würde im Dezember auch gerne bei den 12 Stunden von Sepang in Malaysia antreten. Aber danach mache ich erst mal Urlaub. Es war eine wirklich intensive Saison - emotional und physisch. Ich bin in diesem Jahr knapp 30 Rennen gefahren. Ich möchte 2018 gerne mit der Startnummer 1 im ADAC GT Masters starten und meinen Titel verteidigen. Aber es ist noch sehr früh und noch nichts entschieden."