Das 24h-Rennen auf dem Nürburgring war im Jahr 2023 ein Rennen der Rekorde. Noch nie legten die Fahrer beim härtesten Langstreckenrennen der Welt auf der Nordschleife mehr Kilometer zurück als am vergangenen Wochenende bei der 51. Ausgabe. Für gewöhnlich treibt die Eifel die Teilnehmer durch extreme Wetterlagen mit Regen und Nebel an die Grenzen ihres Könnens und ihrer Widerstandsfähigkeit. Diesmal waren es perfekte Bedingungen, welche bei der Hatz durch die Grüne Holle eine brutal hohe Schlagzahl unabdingbar machten und die Fahrer zu Höchstleistungen trieben. DTM-Fahrer Arjun Maini im Mercedes und Porsche-Pilot Thomas Kiefer waren die Marathon-Männer des Rings.

Der siegreiche Ferrari 296 GT3 von Frikadelli Racing spulte mit Earl Bamber, Nick Catsburg, David Pittard und Felipe Fernandes Laser am Steuer insgesamt 162 Runden respektive 4.111 Kilometer ab und absolvierte das 24-Stunden-Rennen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 170,456 km/h. Der fleißigste Fahrer des Siegerquartetts war Pittard, der 8,87 Stunden im Auto saß und dabei 61 Runden abspulte.

Wie hart das schnellste 24h-Rennen in der Geschichte des Nürburgrings an die Substanz ging, zeigten die Geschehnisse um das Siegerteam der Cup-2-Klasse. Zielfahrer Christopher Brück schaffte in seinem Porsche 911 GT3 Cup (992) von KKrämer Racing nicht einmal mehr die Ehrenrunde über den GP-Kurs zurück ins Parc fermé. Er war nach 58 Runden auf dem 25,378 Kilometer langen 24h-Layout der Nürburgring-Nordschleife völlig entkräftet.

Arjun Maini reißt beim 24h-Debüt unglaubliche 74 Runden auf der Nordschleife ab

Von den 131 gestarteten Autos sahen nach 24 Stunden nur 88 die Zielflagge. Unter den 485 Fahrern, die zum Einsatz kamen, war der 38-jährige Nordschleifen-Veteran mit 1.472 absolvierten Kilometern aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Tatsächlich schaffte er es in der Statistik der Marathon-Männer nur auf Platz 13. Die gnadenlosesten Programme gaben sich Arjun Maini und Thomas Kiefer. Als einzige im Feld spulten sie über 70 Runden ab.

Der indische DTM-Pilot war in dem von HRT betreuten Mercedes-AMG GT3 vom Mercedes-AMG Team Bilstein erstmals beim Langstreckenklassiker in der Eifel am Start und avancierte dabei zum heimlichen Shooting Star. Am Donnerstag sorgte er in den Qualifyings 1 und 2 jeweils mit der absoluten Bestzeit für Aufsehen. Das Rennen beendeten er und seine Teamkollegen Hubert Haupt und Jordan Love in der Startnummer 6 mit einer Runde Rückstand auf die Sieger an achter Stelle. Maini absolvierte dabei 74 Runden, was einer Distanz von 1.878 Kilometern entspricht.

Schlafloser Porsche-Pilot Thomas Kiefer kurbelt elfeinhalb Stunden am Lenkrad

Mindestens genauso beeindruckend war die Leistung von Thomas Kiefer. Der Heidelberger war zum sechsten Mal beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring am Start, wo er seit jeher für das Team Four Motors antritt. Auch dieses Jahr pilotierte er wieder den #320 Porsche 911 GT3 Cup (991) an der Seite von Fanta-4-Rapper Smudo sowie Henrik Bollerslev und Teamgründer Thomas von Löwis of Menar in der AT-Wertung für alternative Treibstoffe. Für den 30-Jährigen blieb es diesmal allerdings nicht dabei.

Unmittelbar vor dem Start ins Wochenende wurde er von Huber Motorsport für den #125 Porsche 911 GT3 Cup (992) in der Cup-2-Klasse angefordert, wo er sich das Cockpit mit Hans Wehrmann, Ulrich Berg und Christer Joens teilte. Beim Tanz auf zwei Hochzeiten saß er im Rennen insgesamt 11 Stunden und 30 Minuten hinter dem Steuer und absolvierte dabei 72 Runden beziehungsweise 1.827 Kilometer. Unter den zehn fleißigsten Fahrern befinden sich bis auf zwei Ausnahmen ausschließlich Werksfahrer aus den GT3-Programmen der Hersteller. Einzig Kiefer sowie der Belgier Aris Balanian im BMW M4 GT4 von Walkenhorst Motorsport hielten da mit.

"Ich bin am Samstag um 10:00 Uhr aufgestanden und habe erst am Montag um 01:00 Uhr wieder ein Bett gesehen. Während des Rennens habe ich die kurzen Pausen für Physiotherapie genutzt, weil ich mir davon mehr als von einem Powernap versprochen habe", sagt Kiefer im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Bei seinen früheren Auftritten beim 24h-Rennen hatte er nie einen Doppeleinsatz absolviert und war von der Eifel ohnehin ganz andere Bedingungen gewohnt, als es diesmal der Fall war. Ein 24h-Rennen ohne einen einzigen Regentropfen hatte es zuletzt 2001 gegeben.

Thomas Kiefer absolvierte beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2023 auf zwei Autos insgesamt 72 Runden, Foto: Christopher Otto
Thomas Kiefer absolvierte beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2023 auf zwei Autos insgesamt 72 Runden, Foto: Christopher Otto

Schnellstes 24h-Rennen in der Geschichte des Nürburgrings verlangt alles ab

"In den vergangenen Jahren hatten wir oft Unterbrechungen, bei denen stundenlang gar nicht gefahren wurde. Dazu kommt, dass wir bei schweren Regenfällen oder dichtem Nebel auch längst nicht so hart pushen können. Diese extremen Bedingungen verlangen mental natürlich auch einiges ab und kosten viel Energie, doch diesmal war es wirklich ein Sprint über 24 Stunden und das hat eine ganz andere Intensität", erklärt er.

Kiefer fuhr insgesamt zehn Stints, davon vier Doppelstints über jeweils 16 Runden. Bei einem reibungslosen Rennverlauf wäre sein Pensum noch deutlich höher ausgefallen. "Wir haben in der Nacht bei der Startnummer 320 eine ganze Stunde verloren, als wir mit einem Getriebeproblem an der Box standen. Ich war zu der Zeit für einen Doppelstint im Auto", so Kiefer, dem durch die unfreiwillige Pause ein weiterer Einsatz über acht Runden durch die Lappen ging.

Darüber hinaus war er auf der Startnummer 125 noch für einen letzten Stint eingeplant, doch die Crew musste am Sonntagmorgen mit einem technischen Defekt vorzeitig abstellen. Dort hatte er es aber ohnehin mit erschwerten Bedingungen zu tun. "Ich konnte während der Fahrt nichts trinken, da der Schlauch meines Helms nur mit einem der beiden Autos kompatibel war. Ich musste mich entscheiden, und da ich wusste, dass ich mehr Zeit im Porsche 991 verbringen werde, verzichtete ich im 992 darauf. Ich habe dann beim Boxenstopp immer eine Flasche mit Strohhalm gereicht bekommen", sagt Kiefer, für den ohne das Technik-Pech über 80 Runden möglich gewesen wären.

Thomas Kiefer verfolgt am Start im Porsche 911 GT3 Cup von Four Motors seinen Zweitwagen vom Team Huber Motorsport, Foto: Christopher Otto
Thomas Kiefer verfolgt am Start im Porsche 911 GT3 Cup von Four Motors seinen Zweitwagen vom Team Huber Motorsport, Foto: Christopher Otto

Kiefer bereitete sich von langer Hand auf Mammut-Programm vor

"Vergangenes Jahr bin ich nur 51 Runden gefahren. Überhaupt habe ich noch nie zuvor beim 24h-Rennen auf dem Nürburgring so viele Runden abgespult. Ich habe mich aber trotz des Schlafmangels jederzeit bereit gefühlt", so Kiefer, der unter anderem schon beim 24h-Rennen in Dubai am Start war und neben unzähligen Einsätzen im Cup-Porsche bereits Erfahrungen im GT3-Auto machte. Ohne die entsprechende Fitness und die richtige Vorbereitung wäre der Marathon auf der Nordschleife für ihn aber trotz allem nicht zu bewältigen gewesen.

"Ich habe schon Anfang der Woche begonnen, meinen Schlafrhythmus umzustellen, da ich wusste, dass ich nachts viel fahren werde. Dafür habe ich nach Mitternacht noch am Simulator trainiert und bin dann erst gegen 3:00 Uhr ins Bett gegangen. So konnte ich sicherstellen, dass ich am Rennwochenende lange fit bin", erklärt Kiefer, der am Sonntagmorgen nach über 24 Stunden ohne Schlaf nahezu identische Rundenzeiten wie in seinem Stint beim Rennstart ablieferte. Auf seine in der ersten Rennstunde gefahrene persönliche Bestzeit verlor er verkehrsbedingt etwa fünf Sekunden.

Darüber hinaus galt es für ihn, seinen Energiehaushalt mit der richtigen Ernährung möglichst effizient zu gestalten. "Ich habe zwischen den Stints literweise Wasser und zusätzlich Elektrolytgetränke zu mir genommen. Dazu wurden wir vom Team regelmäßig mit Obst und leichten Mahlzeiten versorgt. Du verbrennst beim Fahren unheimlich viele Kalorien und musst das ausgleichen, sonst brichst du ein. Sobald du dann im Auto sitzt und in deinem Rhythmus bist, spielt Müdigkeit sowieso keine Rolle mehr", erklärt Kiefer.

Zwischen 2020 und 2022 holte er in der AT-Wertung mit seinen Four-Motors-Teamkollegen drei Mal in Folge den Klassensieg. Durch die nächtliche Reparaturpause wurde es diesmal trotz Kiefers Kraftakt nach einer Gesamtdistanz von 141 Runden nur Platz zwei hinter dem Schwesterauto des Teams. Die Teamkollegen Smudo, Bollerslev und von Löwis of Menar kamen in der Startnummer 320 nebenbei bemerkt auf 37, 40 beziehungsweise 19 Umläufe.

24h-Rennen Nürburgring 2023: Fahrer mit den meisten Runden

PlatzFahrerRundenKilometerZeit in Std.Fahrzeug
1Arjun Maini741.877,97211,04Mercedes-AMG GT3
2Thomas Kiefer721.827,21611,51Porsche 911 GT3 Cup (991 + 992)
3Aris Balanian691.751,08211,86BMW M4 GT4
4Luca Stolz641.624,1929,55Mercedes-AMG GT3
5Fabian Schiller641.624,1929,51Mercedes-AMG GT3
6Matteo Cairoli631.598,8149,44Porsche 911 GT3 R (992)
7Adam Christodoulou631.598,8149,50Mercedes-AMG GT3
8David Pittard611.548,0588,88Ferrari 296 GT3
9Ricardo Feller601.522,688,98Audi R8 LMS GT3 Evo II
10Raffaele Marciello591.497,3028,68Mercedes-AMG GT3