Von außen ließ sich Nico Hülkenberg nichts anmerken: Souverän setzte sich der Force-India-F1-Pilot in den Porsche 919 Hybrid und gewann gemeinsam mit Earl Bamber und Nick Tandy die 24 Stunden von Le Mans. Doch der Weg dahin war mit einigen Steinen gespickt und das Überwinden der Hindernisse bei den Testfahrten nahm teils sehr unterhaltsame Ausmaße an, wie der Emmericher und Mark Webber jetzt durchblicken lassen. Unter anderem Webber konnte ihm mit einer Reihe Tipps aushelfen, sehr zur allgemeinen Überraschung Hülkenbergs.

Bislang kannte der 27-Jährige nur die Welt der Egoisten aus seinen vielen Jahren im Monoposto: "Als ich ein Kind war und Kart gefahren bin, war ich immer auf die Formel 1 konzentriert", sagte er gegenüber Daily Sportscar. "Die Wahrnehmung von und das Interesse an Sportwagenrennen, der WEC und Le Mans ist erst in den letzten paar Jahren angestiegen, dann kam die große Gelegenheit, als Porsche letztes Jahr neu eingestiegen ist."

Zwar ist es erst sechs Jahre her, dass Sebastien Buemi ebenfalls das doppelte Programm aus Formel 1 und Le Mans in Angriff nahm, doch der Franzose stand damals bei Toro Rosso bereits auf dem Abstellgleis und war selbst der erste Fahrer seit den frühen 90er-Jahren, der die Doppelbelastung auf sich nahm. "Das zu tun ist schon etwas Besonderes", gibt Hülkenberg zu. "Beides zu managen ist eine große Herausforderung für mich, aber es war eine einmalige Chance, Le Mans mit Porsche zu machen, deshalb habe ich die Gelegenheit ergriffen." Und das mit Erfolg.

Eingewöhnungsphase: Hülkenberg lernte mit dem Porsche 919 Hybrid viele neue Dinge, Foto: Porsche
Eingewöhnungsphase: Hülkenberg lernte mit dem Porsche 919 Hybrid viele neue Dinge, Foto: Porsche

Warum hilfst du mir so viel?

Sich vom Einzelkämpfer zum Teamplayer umzustellen war eine bisweilen kuriose Transformation. So erinnert sich Mark Webber, der sich Ende 2013 komplett aus der Formel 1 zurückzog, stark amüsiert an die ersten Gehversuche Hülkenbergs im Porsche 919 Hybrid: "Nico war schon ziemlich überrascht zu Beginn, als ich versucht habe ihm zu helfen und hat gesagt: ‚Warum zur Hölle hilfst du mir so viel? Das ist doch nicht normal.‘ Im Monoposto hat man nun mal 10 bis 15 Jahre keine Hilfe vom direkten Gegner."

Teamarbeit: So grimmig wie hier ging es nur selten zu, Foto: Porsche
Teamarbeit: So grimmig wie hier ging es nur selten zu, Foto: Porsche

Webber nahm im Vorfeld des WEC-Laufs in Spa, als Hülkenberg zum ersten Mal den 919 Hybrid im Wettbewerb steuerte, die Rolle des Lehrmeisters ein, schließlich hatte er selbst erst ein Jahr zuvor den Schritt vom "egoistischen Bastard", wie Niki Lauda die Formel-1-Fahrer gerne beschreibt, zum Teamplayer unternommen: "Ich habe ihm erklärt, auf welche Sachen er im Auto achten muss, wie das mit dem Verkehr funktioniert, und dann gibt es noch die Nachtkomponente."

Kleine, aber feine Details gehörten ebenfalls auf den Stundenplan, was Webber zu nächsten Anekdote führt: "Als ich zu den Sportwagen gekommen bin, habe ich nie zuvor einen Motor selbst gestartet. Deshalb habe ich zu Nico gesagt: ‚Vergiss nicht, wenn du dich mal drehst und der Motor abstirbt, ist das Rennen nicht vorbei. Dreh einfach den Schlüssel."

Verkehr eine willkommene Herausforderung

Beim Fahren selbst machte für Nico Hülkenberg weder das geschlossene Cockpit, noch die fehlenden Windgeräusche, noch die nicht sichtbaren Vorderräder den Unterschied aus, sondern der Allradantrieb: "Es ist ein Allradfahrzeug mit Traktionskontrolle und das verändert das Spiel komplett." Anders als in der Formel 1 ist nicht die Traktion der begrenzende Faktor, sondern die eigene Linienwahl. "Man muss sich viel mehr auf den Kurvenausgang konzentrieren. Es geht darum, stabil in die Kurve einzubiegen und schnell heraus zu beschleunigen, speziell mit den langen Geraden danach. Da will man Geschwindigkeit aufbauen, deshalb muss man früh auf dem Gas stehen."

Generalprobe: Nico Hülkenberg hatte nur den WEC-Lauf in Spa als Vorbereitung, Foto: Speedpictures
Generalprobe: Nico Hülkenberg hatte nur den WEC-Lauf in Spa als Vorbereitung, Foto: Speedpictures

Weniger Umstellung erforderte hingegen der ständige Überrundungsverkehr, was Hülkenberg selbst verblüfft: "Es hört sich vielleicht verrückt an, aber ich mag den Verkehr. Ich war nicht dran gewohnt und Spa war meine erste Erfahrung, aber das fügt ein bisschen Extra-Spannung hinzu. Es ist zusätzliches Element, das man meistern muss. Man kann besser oder schlechter darin sein, deshalb finde ich das ganz interessant." Erfahrung helfe nur bis zu einem bestimmten Grad weiter, alles in allem sei es eine instinktive Entscheidung, wie man mit den langsamen Fahrzeugen umgeht.

Die Strecke in Le Mans hat er bereits in sein Herz geschlossen, insbesondere wegen der teils noch immer dicht stehenden Mauern. Insbesondere die beiden Indianapolis-Kurven mit dem ultraschnellen Eingang beschreibt er als "mega" - vor allem, weil sie überhöht sind. Die Porsche Kurven machen mit einem LMP1 enormen Spaß, sofern man eine freie Runde erwischt, fügt er hinzu. Ob man Hülkenberg noch einmal in Le Mans sieht, steht unterdessen noch in den Sternen: Sollte er wirklich in der Formel 1 ein Ferrari-Cockpit ergattern, ist es unwahrscheinlich, ihn noch einmal in einem Porsche-Overall zu sehen...