Spätestens nach Ayrtons Sennas tödlichem Unfall in der Formel 1 galt im Motorsport ein Paradigma: Sicherheit über alles, alles Weitere wurde untergeordnet. 20 Jahren später ist die Kehrseite deutlich sichtbar: Die Fans sitzen auf modernen Strecken weit von der Rennstrecke weg und durch die riesigen Auslaufzonen wirken die Autos langsamer. Bernie Ecclestone schimpfte einst: "Bei manchen Auslaufzonen geht einem eher der Sprit aus, bevor man einschlägt." Nicht selten haben sich Fans beschwert, dass die Sicherheitsvorkehrungen übertrieben seien und die Faszination leide.

Der ACO hatte bereits angekündigt, die Sicherheit der Strecke unabhängig vom tödlichen Unfall des Dänen weiter zu erhöhen, unter anderem im Bereich der Porsche-Kurven. Tom Kristensen bricht mit dem bisherigen Ansatz: Obschon ihn der tragische Verlust von Allan Simonsen sehr mitgenommen hat, warnt der Rekordsieger auf der Autosport International vor übertriebenen Kurzschlussreaktionen: "Die Sicherheit ist ein Faktor, der sich in Sachen Reglement, Auto und Strecken immer weiter entwickelt. Aber bei einem Rennen wie Le Mans sieht die Sache ein bisschen anders aus. Es gibt Stellen, die man nicht zu sehr abändern sollte."

Moderne Auslaufzonen bestrafen zu wenig

"Sicherheit ist notwendig, aber man muss Respekt vor der Strecke haben: Es sollte ein Mix aus weisen Entscheidungen, Hingabe und Respekt [vor dem Charakter der Strecke] sein." Mit dieser Opposition gegen das Paradigma der absoluten Sicherheit geht Kristensen revolutionäre Wege für einen aktiven Piloten. So deutlich hat sich noch kein Fahrer zu dieser Thematik geäußert. Der Däne legt den Finger weiter auf eine Wunde, über die sich Motorsport-Fans schon lange beschweren: Die derzeitigen Auslaufzonen bestrafen Fehler nicht genug.

"Die Action spielt sich heute viel zu weit vom Zuschauer entfernt ab, außerdem hat man nun Stellen, an denen man Fehler machen kann und einfach so davonkommt", äußerte sich der 46-Jährgie kritisch über Strecken wie in Austin, wo die LMP1-Boliden (wie auch die Formel 1) in Turn 19 mehrfach von der Strecke fuhren ohne einen Zeitnachteil in Kauf nehmen zu müssen. "Man muss immer darauf achten, die Sicherheit zu verbessern, aber man muss weise Entscheidungen treffen, wie man das tut, ohne zu weit zu gehen."

Der Audi-Werkspilot äußerte sich auch zu Allan Simonsen: "Er war ein großartiger Kerl und hat gerade begonnen, seine Werkfahrer-Karriere richtig in Schwung zu bringen. Dieses Jahr wäre für ihn ohne Zweifel ein sehr gutes geworden. All dieses Potenzial ist nun auf tragische Weise in diesem einen Ereignis vergeudet worden." Kristensen hatte 2007 selber einen Horror-Unfall in der DTM auf dem Hockenheimring überlebt.