Der 24. Oktober 2021 ist bis heute ein ganz besonderer Tag in der modernen MotoGP-Geschichte. Nicht nur, weil sich Fabio Quartararo an diesem Sonntag in Misano zum ersten Mal zum Weltmeister krönte und gleichzeitig eine fünfjährige Yamaha-Durststrecke beendete. Sondern vor allem, weil Francesco Bagnaias in Führung liegender Sturz fünf Runden vor Schluss auch Marc Marquez' bis dato letzten MotoGP-Sieg ermöglichte. Dieser hatte erst drei Wochen zuvor schon den Amerika Grand Prix in Austin gewonnen und schien damit nach langer Leidenszeit wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Doch falsch gedacht, die MotoGP-Geschichte nahm anschließend einen ganz anderen Verlauf.

Marquez verpasste zunächst die letzten beiden Rennen der Saison 2021, nachdem er beim privaten Training auf einer Offroad-Maschine zu Sturz gekommen war und sich dabei einen 2011 schonmal verletzten Augennerv beschädigte. 2022 kehrte er wieder zurück, musste nach wenigen Rennwochenenden aber erkennen, dass es so nicht weitergehen konnte. Er klagte über starke Schmerzen in der rechten Schulter und fehlende Mobilität. Am Rande des Italien Grand Prix in Mugello verkündete der Katalane schließlich, sich einer vierten Oberarm-OP zu unterziehen. Dabei sollte eine Fehlstellung des Oberarms von mehr als 30 Grad korrigieren werden. Es war nicht weniger als eine über Karrierefortsetzung oder -ende entscheidende Operation, die zum Glück erfolgreich verlief.

In Misano feierte Marc Marquez 2021 seinen bislang letzten MotoGP-Sieg, Foto: LAT Images
In Misano feierte Marc Marquez 2021 seinen bislang letzten MotoGP-Sieg, Foto: LAT Images

Marc Marquez nach Sachsering 2023: Honda-Flucht zu Gresini

Wieder bei voller Gesundheit angelangt, wollte Marquez 2023 um den WM-Titel kämpfen. Schnell wurde jedoch deutlich, dass die Honda RC213V nicht mehr konkurrenzfähig genug war und selbst ein Ausnahmekönner wie der achtfache Weltmeister nichts gegen die europäischen Werke ausrichten konnte. Wann immer er es dennoch versuchte, landete er im Kiesbett. Trauriger Höhepunkt: Das Sachsenring-Wochenende. Auf seiner einstigen Gala-Strecke stürzte Marquez gleich fünfmal und verzichtete letztlich auf einen Start im Hauptrennen. Wenige Monate später verkündete Honda dann die vorzeitige Vertragsauflösung, Marquez wechselte zum Ducati-Kundenteam Gresini Racing.

Das Ziel dieses Wechsels war klar: Der Katalane wollte auf eine Ducati, um wieder ein konkurrenzfähiges Bike zur Verfügung zu haben und an die Spitze der MotoGP zurückzukehren. Bei Gresini sitzt Marquez zwar auf einer Vorjahresmaschine, aber eben auch auf dem amtierenden Weltmeistermotorrad. Die Erwartungen der Öffentlichkeit waren entsprechend hoch, speziell nach einem beeindruckenden Debüt im Valencia-Test. Doch bislang konnte der MotoGP-Superstar noch nicht an alte Honda-Erfolge anknüpfen. Die Umstellung auf die Ducati dauerte länger als gedacht. In Portimao gelang Marquez im Sprint immerhin seine ersten Podestplatzierung, um den Rennsieg konnte er bislang aber noch nicht mitreden.

Die Saison 2024 läuft noch nicht gänzlich nach Plan für Marc Marquez, Foto: LAT Images
Die Saison 2024 läuft noch nicht gänzlich nach Plan für Marc Marquez, Foto: LAT Images

Marc Marquez: 902 Tage ohne MotoGP-Sieg

Und so reist Marquez in dieser Woche noch immer sieglos zum Amerika Grand Prix nach Austin (12. - 14. April). Unfassbare 902 Tage werden am Sprint-Samstag seit seinem letzten Erfolg im Emilia Romagna GP 2021 vergangen sein, bis zum nächstmöglichen Sieg in einem Hauptrennen sogar 903 Tage. So lange musste der 31-jährige nie auch nur annähernd auf einen Rennsieg warten. Selbst nach seinem Oberarmbruch 2020 in Jerez vergingen zwischen seinen Erfolgen in Valencia 2019 und am Sachsenring 2021 nur 581 Tage - also fast anderthalb Jahre weniger als aktuell. Und das, obwohl Marquez in dieser Zeit nur an 7 der 22 möglichen Rennen teilnehmen konnte.

Jetzt bestritt der Katalane seit seinem letzten Sieg in Misano 2021 immerhin 29 der möglichen 44 Grand Prix und 18 der 21 Sprints. Ganze 47 Möglichkeiten also, einen ersten Platz einzufahren. Zum Vergleich: Zwischen 2013 und 2015 hatte Marquez in seinen ersten 47. Grand Prix als MotoGP-Pilot 22-mal gewonnen, knapp jedes zweite Rennen also. Dass er im gleichen Zeitraum nun keinen einzigen Sieg erringen konnte, ist umso beeindruckender und bedenklicher.

Marc Marquez: Auf Lieblingsstrecke Austin endlich wieder ganz oben?

Doch was spricht denn dafür, dass diese grauenhafte Sieglosserie des Gresini-Piloten ausgerechnet am kommenden Wochenende in Austin nach mehr als 900 Tagen reist? Ganz einfach: Marquez' Statistik auf dem Circuit of the Americas. Dort ist der MotoGP-Superstar nämlich ein nachgewiesener Spezialist, gewann er seit dem Debüt der Rennstrecke im Jahr 2013 doch nicht weniger als sieben der zehn Ausgaben, darunter die ersten sechs in Serie.

2019 stürzte er dann in Führung liegend und warf somit einen wohl sicheren Triumph weg, 2023 konnte er verletzungsbedingt nicht teilnehmen. Ein Jahr zuvor hatte ihn außerdem ein Startproblem ausgebremst. Dass er dennoch als Sechster ins Ziel kam und nur 6,617 Sekunden auf Rennsieger Enea Bastianini verlor zeigt, dass Marquez wohl auch die restlichen drei Austin-Rennen hätte gewinnen können. Immerhin siegte 2023 in seiner Abwesenheit mit Alex Rins ein anderer Honda-Pilot. Die eigentlich schwache RC213V hätte einen Triumph (ausnahmsweise) also nicht verhindert.

2021 gewann Marc Marquez den Amerika GP zum siebten Mal, Foto: LAT Images
2021 gewann Marc Marquez den Amerika GP zum siebten Mal, Foto: LAT Images

Beim Gresini-Team bestreitet der achtfache Weltmeister den diesjährigen Amerika Grand Prix nun aber mit einem konkurrenzfähigen Motorrad, welches 2023 den Sprint gewann. Kombiniert mit seiner Rückkehr zu vollständiger körperlicher Fitness macht Marquez das zum vermeintlichen Topfavoriten - das sieht auch die Konkurrenz so. "Ich freue mich, wieder nach COTA reisen zu können. Aber ich weiß, dass wir ein Problem mit Marc haben werden, denn er ist dort immer sehr schnell", warnte Enea Bastianini bereits vor zwei Wochen nach dem Portugal GP.

Marquez selbst ist weiterhin um Tiefstapelei bemüht. Aber selbst, wenn er es öffentlich nicht zugibt: Der Amerika Grand Prix 2024 wird für ihn persönlich einen ganz besonderen Stellenwert haben. Zu groß sind sein Anspruch und Historie auf dieser Strecke. Soll es tatsächlich etwas mit dem ersten WM-Titel seit 2019 werden, muss die Sieglosserie in Austin enden.