1. Warum wechselte Leclerc die Reifen nicht?

Dreimal einen Red Bull überholt. "Normalerweise gewinnst du dann in dieser Saison", seufzt Ferrari-Teamchef Fred Vasseur. Charles Leclerc wurde in Las Vegas nur Zweiter. Zu Rennbeginn war er auf dem Medium-Reifen schneller, und hatte vor allem weniger Graining-Probleme. Verstappen musste nach 16 Runden stoppen, Leclerc erst nach 21: "Ich war richtig zuversichtlich, dass der Sieg unser war."

Ausgerechnet der frühere Stopp öffnete Verstappen die Tür für die Sieger-Strategie. Als das Safety Car kam, tauschte er seine 10 Runden alten Hard gegen frische. Ferrari wollte die erst 5 Runden alten bei Leclerc nicht abnehmen. Er hatte gerade erst die Anwärmphase abgeschlossen und sie ins Fenster gebracht. Er meint rückblickend: "Jetzt würde ich stoppen." Die neuen Hard am Red Bull waren hinter dem Safety Car einfacher anzuwärmen als die alten von Leclerc, die schon einmal durch einen Hitzezyklus gezwungen worden waren.

So kam er beim Restart nicht in den Gang. Erst am Ende, als die Red-Bull-Reifen wieder alterten, schien Leclerc kontern zu können. Jedoch hatte sich Red Bull durch den Boxenstopp 5 Runden erkauft, nur Perez war noch einholbar. Ferrari verteidigt: "Es war nicht ganz klar, wo er bei einem Boxenstopp rausgekommen wäre." Mindestens zwei Alpine, ein McLaren und ein frisch bereifter Sergio Perez wären so beim Restart vor Leclerc gelegen. Und hätte Verstappen nicht gestoppt, wäre auch der vornegeblieben.

2. Warum wurde George Russell bestraft?

Insofern eine relevante Frage, weil Lewis Hamilton und Oscar Piastri in einem ähnlichen Zwischenfall aneinandergerieten. Tatsächlich sind sich alle vier Fahrer bei den zwei Zwischenfällen einig. Bei Hamilton und Piastri konnte sich keiner der beiden durchringen, das Manöver kompromisslos durchzuziehen. Zu spät erst versuchte Piastri zurückzuziehen, während Hamilton Untersteuern bekam. Beide sahen es später als unglücklichen Rennunfall.

Verstappen aber stach voller Überzeugung gegen Russell innen hinein. Anders als Piastri zog Russell nicht zurück, sondern lenkte auch ein. "Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen, und das ist keine Kurve, wo du ein Manöver erwartest", erklärt er. Das soll keine Entschuldigung sein: "Absolut mein Fehler." Die Stewards sahen es genauso. Ein signifikanter Teil von Verstappens Red Bull war bereits am Mercedes vorbei. Klarer Fall für fünf Sekunden und zwei Strafpunkte.

3. Wie kam es zum Chaos am Start?

Gleich zwei Fahrer verbremsten sich am Start in Las Vegas spektakulär. Fernando Alonso drehte sich und sorgte für eine Folgekollision mit Sergio Perez und Valtteri Bottas. Carlos Sainz touchierte erst das Hinterrad von Lewis Hamilton und drehte sich dann ebenfalls. Ein Fehler ist schon verständlich - aber dass zwei von diesem Kaliber unabhängig voneinander gleichzeitig so patzen? Abgesehen von zahlreichen Fahrern, die ganz nach außen rutschten, beginnend mit Max Verstappen, der dadurch unabsichtlich Charles Leclerc von der Strecke schob und bestraft wurde.

Startunfall mit Fernando Alonso im Aston Martin
Fernando Alonso quer zur Fahrtrichtung, Foto: LAT Images

Alonso hielt sich später zurück. Der das ganze Wochenende angefressene Sainz nicht. Vor dem Rennen war bei der Fahrerparade ein alter Mercedes kaputtgegangen, hatte eine Ölspur auf die Innenbahn für alle mit geraden Startplätzen gelegt. Nun war dort Bindemittel auf einer 18 Grad kalten Strecke, deren brandneuer Asphalt dort abseits der Ideallinie noch immer völlig verstaubt war. "Das ist inakzeptabel", maulte Sainz. "Ich habe die Bremse bloß berührt und die Reifen haben blockiert. Ich habe noch nicht einmal so spät gebremst."

4. Warum crashte Lando Norris?

Es war ein sehr plötzlicher Rutscher, der Lando Norris erst in die Betonwand, dann in den Notausgang, und schließlich für Checks kurz ins Krankenhaus schickte. "Ich bin einfach beim Restart aufgesessen", meint Norris später. Kein Defekt. Teamchef Andrea Stella schätzt: "Dort ist eine Welle. Du siehst alle Autos Funken schlagen, wenn sie die überfahren. Die Kombination der Welle und der kalten Reifen könnte ihn überrascht haben." Stella fordert, gerade wegen schlechter Sicht bei Nacht, dort noch einmal nachzuarbeiten und die Welle einzuebnen: "Die Reifen sind kalt, der Grip ist niedrig, das macht es dort sehr schwierig."

5. Warum stürzte Williams so brutal ab?

Startplätze fünf und sechs für Alex Albon und Logan Sargeant, da waren Punkte das eindeutige Williams-Ziel. Stattdessen Albon auf P12, Sargeant auf dem vorletzten Rang. "Unser Vorteil im Qualifying war, dass der Rest Probleme hatte, die Temperatur in den Reifen zu bekommen", erklärte Teamchef James Vowles danach auf F1TV: "Aber nach 20 Runden sind deren Reifen da, und unsere sind heiß."

Schon im ersten Stint auf Medium rissen Sargeant und Albon mit rapide zunehmendem Graining ab und stoppten in den Runden 15 und 16 sehr früh. Die klassische Williams-Taktik: Früh auf den harten Reifen gehen und durchfahren. Dabei auf den Topspeed als Verteidigungsbollwerk vertrauen. Beim Safety Car blieb man daher auch draußen. Doch das Graining war zu extrem. Gegen Aston Martins, Mercedes und einem Ferrari mit besseren Reifen half bald kein Topspeed mehr.

McLaren-Pilot Oscar Piastri überholt Alexander Albon im Williams
Keine Chance für Williams, Foto: LAT Images

6. Wohin verschwand Pierre Gasly?

Pierre Gasly war in der ersten Rennhälfte ein Star. Gestartet von Vier, nach dem Safety Car auf Drei. Dann schien Esteban Ocon eine Teamorder zu missachten, und Gasly abzustürzen. "Da habe ich schon attackiert, und Pierre hat verteidigt", rechtfertigt sich Ocon mit Verweis auf einen späten Funkspruch. Danach tat Alpine das Richtige und behielt die Reihenfolge bei. Denn Gasly, der schon in Runde 17 auf Hard gewechselt hatte, kam in eine massive Reifen-Graining-Phase, die er nicht mehr loswurde: "Der ganze zweite Stint war nur mehr eine Herausforderung, überhaupt zum Ende zu kommen." Ocon wurde Vierter, Gasly Elfter.

7. Warum fiel Nico Hülkenbrg aus?

Haas fuhr ein unscheinbares Rennen. Nico Hülkenberg stoppte schon nach zwölf Runden zum ersten Mal, trotz gutem Start wurden er und Kevin Magnussen mangels Pace durchgereicht. Auf der 46. Runde stellte Hülkenberg hinter der Mauer ab. Ein Power-Unit-Problem, heißt es vom Team. Genauere Details müssen erst nachgeforscht werden.

8. Wie fuhr Lance Stroll von P19 auf P5?

Zuerst teilte der drehende Fernando Alonso in der ersten Kurve für Lance Stroll die See, Stroll konnte - als einer von nur zwei Fahrern mit Soft startend - zehn Plätze gutmachen. Entscheidend war aber, dass er sich beim ersten Safety Car seiner Soft-Reifen entledigen konnte, und beim zweiten noch einmal Reifen wechselte. Während zugleich Mercedes zwei Unfälle baute, und ein Alpine und beide Williams in die Graining-Hölle kamen. Stroll blieb von alldem unbehelligt - und fuhr so schadlos auf P5.