Im Motorsport gibt es zwei Naturgesetze: Motorsport ist gefährlich und er ist teuer. Die Kosten sind der Grund dafür, weshalb regelmäßig ganze Rennserien eingestampft werden. Und dann werden immer wieder neue Serien gegründet. Mit großen Zielen, Versprechungen, Investoren und Sponsoren. Rennserien kommen und gehen. Das ist der Lauf der Dinge. Nur wenige sind ohne fremde Hilfe überlebensfähig.

Im April 2024 ist es wieder so weit: Eine neue Rennserie will die Welt erobern, die A2RL. Hinter dem kryptischen Kürzel versteckt sich die Abu Dhabi Autonomous Racing League. Zumindest die Frage nach dem Geld wäre mit dem Namen schon einmal geklärt. Die Regierung des Königreichs finanziert das Racing-Startup. Zum Start wurden dafür knapp 20 Fahrzeuge angeschafft. Es handelt sich um Autos der Super Formula, die bei Dallara in Italien gefertigt werden. Aber die Formel-Autos bilden nur die Basis. Denn, wie dem Namen der Serie ebenfalls zu entnehmen ist, werden die Autos mithilfe von Künstlicher Intelligenz vollautonom fahren.

Negativbeispiel Formel E

Das ist keine völlig neue Idee. Der bekannteste Versuch ist das Roborace. Im Rahmen der Formel E sollten autonom fahrende Elektroautos gegeneinander antreten. Die Boliden sahen spektakulär aus, die Serie scheiterte aber mindestens genauso spektakulär. Mehr als Testläufe gab es nicht.

Auch mit Indycars versuchte man schon, autonom über ein Oval zu fahren. Die Geschwindigkeiten waren aber vergleichsweise niedrig, zwei speziell präparierte Autos konnten sich nur vordefiniert überholen. All das will die A2RL besser machen. Man wählte absichtlich die Autos der Super Formula, weil man Performance will.

Der Turbo-aufgeladene Honda-Vierzylinder liefert rund 550 PS und beschleunigt den Einsitzer auf über 300 km/h. Die Aerodynamik liefert mehr Abtrieb als bei einem Formel-2-Boliden. Man will mit der Performance so nah wie möglich an die Formel 1 herankommen.

Dafür hat man sogar Ex-Formel-1-Pilot Daniil Kvyat engagiert, der mit dem Auto Referenzrunden dreht. Allerdings ist noch komplett unklar, wie nah die autonome Version an die Rundenzeiten des Profi-Rennfahrers herankommen wird. Bislang gab es nur erste Shakedowns. Die waren nötig, um die Hardware zu testen. Denn die Autos mussten für ihr neues Einsatzgebiet adaptiert werden.

A2RL-Autos: Techhnologie En Masse

Die Sensorik ist spektakulär: Sieben Kameras, drei LiDAR- und vier Radar-Sensoren erschaffen ein virtuelles Abbild der Umwelt im Bereich von 10 Zentimetern bis hin zu 200 Metern rund um das Auto. Dazu wurden diverse Aktuatoren eingebaut, um das Auto zu bedienen.

Insgesamt wiegt die Zusatz-Ausrüstung rund 90 Kilogramm - dafür spart man sich den Fahrer. Statt Trinkflasche gibt es eine größere Lichtmaschine. Die war nötig, um die gesamte Elektronik mit der benötigten Energie zu versorgen. Sonst sind die Autos aber identisch zu jenen, die in der japanischen Rennserie gefahren werden.

Im April werden zehn Teams aus aller Welt auf dem Yas Marina Circuit in Abu Dhabi gegeneinander antreten. Zwei davon kommen aus Deutschland: Die Constructor University aus Bremen und die Technische Universität München. Aufgabe der Teams ist es nicht, am Setup des Autos zu arbeiten. Ganz im Gegenteil, mechanisch und aerodynamisch dürfen die Boliden nicht angefasst werden.

Stattdessen ist es ein Wettkampf der Programmierer. Derzeit werden noch Sensoren, Kontrolleinheiten und Kontrollsoftware getestet. Wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind, erhalten die zehn Teilnehmer die Basisplattform, auf der sie ihre Software aufbauen können.

Zukunftstechnologie entwickeln dank Rennsport

Wie genau das Rennformat aussehen wird, steht noch nicht fest. Die Serienbosse wollen dazu die ersten Testfahrten abwarten. Man ist realistisch genug, um keine zu hohen Erwartungen zu haben. Dass ein Auto autonom schnell fährt, ist schwierig genug. Dass die Autos auch noch sinnvoll gegeneinander fahren, fast schon utopisch.

Aber darum geht es der Rennserie auch: Man will Zukunftstechnologie im Rennsport entwickeln. Man will das autonome Fahren auf der Straße sicherer machen. "Was wäre, wenn in einer Gefahrensituation plötzlich eine KI mit dem Können von Lewis Hamilton das Steuer übernehmen könnte?", träumt Hassan Khurram, Programmdirektor der Serie.

Damit könnte man nicht nur ein Naturgesetz im Motorsport außer Kraft setzen, sondern auch im Straßenverkehr. Dass das allerdings eine Zukunftsvision ist, weiß auch Khurram: "Wir blicken nicht auf die Technologie der nächsten zwei, drei Jahre. Wir blicken zehn Jahre und weiter in die Zukunft."