Ferrari, Mercedes, Aston Martin - drei Teams, die in den letzten Wochen große Update-Pakete an ihre Formel-1-Autos geschraubt hatten. Alle drängen 2023 weiter nach vorne, doch Österreich ist ein Reality-Check für das Verfolgerfeld. Max Verstappen fährt mit einem nach wie vor nur bedingt upgedateten Red Bull RB19 allen auch im zehnten Rennen um die Ohren.

Nach dem Kanada-GP hatte es kurz nach Aufhol-Potential ausgesehen. "Ich habe die ganzen Artikel darüber geliebt", kann Verstappen in Spielberg darüber nur lachen. Red Bulls Motorsport-Chef Dr. Helmut Marko hatte Ferrari gar in Kanada als ebenbürtig gesehen, doch allen Updates zum Trotz kamen die Verfolger in Österreich nicht auf Touren.

Verstappen und Perez demütigen Ferrari in Österreich

Ferrari hatte sich eigentlich die größten Hoffnungen gemacht. In Kanada hatten beide Ferrari trotz verkorkstem Qualifying den Rückstand auf 18 Sekunden beschränken können. Und sie hatten Sergio Perez hinter sich gehalten. Charles Leclerc kam im Österreich-Qualifying bis auf 48 Tausendstel an Verstappen heran.

Die Fahrer waren wieder glücklicher mit dem Handling. Die verpasste Pole war fast enttäuschend. Zumindest Außenseiter-Chancen rechnete sich das Team mit zwei Autos vorne gegen einen Red Bull aus, nachdem Verstappen im Vorjahr hier mit den Reifen zu kämpfen hatte. Doch im Rennen verloren Leclerc und Carlos Sainz schnell den Anschluss an Verstappen, und kontinuierlich Zeit. Red Bull hatte sich, anders als im Vorjahr, vom Start des Wochenendes weg auf die Renn-Pace fokussiert. Trotzdem holte Verstappen Pole.

Bis zum Ende waren es 2023 im Rennen 24 Sekunden. Eine Lücke, die groß genug für Verstappen war, um noch ein drittes Mal zu stoppen, sich noch die schnellste Rennrunde zu sichern, und trotzdem mit 5,155 Sekunden vor Leclerc zu gewinnen. Sainz erging es schlimmer. Er wurde in Runde 46 vom von Platz 15 gestarteten Sergio Perez vom Podium verdrängt. Track-Limit-Strafen warfen ihn bis auf den sechsten Platz zurück.

Zweifel an Ferraris Österreich-Strategie gerechtfertigt?

Besonders Sainz zweifelte nach dem Rennen aber an der Strategie. Er und Leclerc waren in den ersten Runden im Formationsflug unterwegs, nachdem Leclerc zuerst noch aggressiv versucht hatte, Verstappen die Führung abzujagen. Er schien dann aber Sainz aufzuhalten. So stellte es der Spanier am Team-Funk dar: "Ich denke, das seht ihr." Die Box wies ihn aber an, die Position zu halten.

Das war der Plan, erklärte Teamchef Frederic Vasseur später: "Wir wollten vermeiden, dass sie kämpfen und die Leute dahinter in ihrem DRS bleiben." Priorität war für Ferrari, dass sich beide vom Rest des Feldes absetzten.

Nächstes Problem: Der erste Boxenstopp unter dem Virtuellen Safety Car in Runde 15. Zum einen funktionierte er nicht, denn das VSC endete zu früh. Zum anderen wurde ein Doppel-Stopp riskiert, beide Autos hintereinander. Es klemmte bei Leclerc (4,46 Sekunden), dann bei Sainz (4,56). Der hatte sich ohnehin schon zurückfallen lassen müssen. Nun hatte er so viel Zeit verloren, dass er hinter Lando Norris und Lewis Hamilton zurückfiel. Von da an war er in der Defensive, musste sich wieder vorbeikämpfen, dafür seine Reifen aufbrauchen.

Obendrauf konnten Verstappen und Perez, die in den Runden 24 und 25 starteten und sich ihr Reifenmanagement jetzt besser einteilen konnten. Dass die Ferrari hier kurz in Führung gingen, spielte keine wirkliche Rolle, denn beide mussten mehr Reifenmanagement betreiben. Leclercs Rundenzeiten begannen am Ende des Mittelstints merklich abzufallen. "Wir müssen uns anschauen, ob die Strategie eine gute war", räumt Vasseur ein. Der aufsummierte Zeitverlust spricht aber ohnehin auch für sich und kann nicht allein auf kleine Strategie-Fehltritte zurückgeführt werden.

Für Verstappen war das Überholen von Ferrari dank Reifenvorteil einfach, Foto: LAT Images
Für Verstappen war das Überholen von Ferrari dank Reifenvorteil einfach, Foto: LAT Images

Mercedes & Aston Martin haben ein Problem mit Spielberg

Ferrari erging es zumindest besser als Mercedes und Aston Martin. Lewis Hamilton und Fernando Alonso hatten in Kanada noch um den zweiten Platz gekämpft. In Österreich waren sie zu langsam für den McLaren von Lando Norris. Beide Teams haderten mit den engen Kurven auf dem Red Bull Ring.

"Wir dachten, in Österreich würden die Highspeed-Kurven unsere fehlende Performance in langsamen Kurven ausgleichen", meint Teamchef Toto Wolff. Aber Mercedes bekam das Setup nie auf den Punkt. Das Heck war schwach. Hamilton wollte im Rennen, Reifenverschleiß antizipierend, das lose Heck mit flachem Frontflügel kompensieren und brachte stattdessen Untersteuern ins Auto: "In Kurve 10 bin ich nur gerutscht. Bei den Boxenstopps habe ich massiv Flügel hinzufügen lassen." Hamilton bezahlte einen zusätzlichen Preis, da er mehrmals in den letzten Kurven über die weiße Linie untersteuerte und so 15 Sekunden Track-Limit-Strafen sammelte.

Lewis Hamilton hatte Red Bull nichts entgegenzusetzen, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton hatte Red Bull nichts entgegenzusetzen, Foto: LAT Images

Nach zwei guten Rennen mit dem rundum erneuerten W14 also wieder ein Rückschritt. Hamilton beklagte, das Auto fühle sich an wie im Vorjahr. Wolff will sich keine Sorgen machen: "Es ist nie ein gerader Aufstieg, und das war einer der größeren Rückschritte. Das willst du nicht, aber die einzigen, die es momentan auf den Punkt bekommen, sind Max und Red Bull."

Auf Aston-Martin-Seite sieht Fernando Alonso den Grund für einen schwachen fünften Platz in streckenspezifischen Eigenheiten. Im Vorjahr war der Aston Martin hier schon nicht gut. Das galt auch für Barcelona, wo das Team sowohl 2022 als auch 2023 schwach war: "Aber zwischen den Updates, die Ferrari und McLaren gebracht haben, haben wir etwas Pace verloren. Da gibt es mehr zu verstehen."

Red Bull auch ohne Entwicklungs-Sprint weiter schnell

Red Bull hat anders als die Konkurrenz aber keine massiven Updates gebracht - und hält trotzdem konstant die Lücke. Teamchef Christian Horner hob am Österreich-Wochenende mehrfach hervor, dass viel in der Fabrik bereits auf 2024 zuläuft. Red Bulls Vorteil verortet er im wohl guten Verständnis, wie sich das Paket mit den Reifen zusammen verhält: "Wenn du sie ins richtige Fenster bringst, gibt es dort Performance. In Sachen Setup macht das Ingenieurs-Team einen tollen Job."

Die Konkurrenz hat sich auch deshalb mit den letzten Updates nicht unbedingt darauf versteift, ihre Autos schneller zu machen - sondern vor allem Arbeitsfenster zu vergrößern und Balance zu verbessern. Manchmal muss ein Rennauto nicht schneller werden, sondern vielmehr den Fahrern die Möglichkeit geben, konstant schnell zu fahren. Das Vertrauen ins Auto lässt sich aber nicht einmal in modernen F1-Simulatoren verlässlich bemessen.

Diesbezüglich fühlt sich zumindest Ferrari nun als erster Verfolger von Red Bull. Das erste Rennen mit neuen Seitenkästen und Unterboden in Barcelona war schlecht gelaufen, doch hatte man viel aus den Daten gelernt und sich prompt entschlossen, für Österreich einen neuen Frontflügel und modifizierten Unterboden vorzuziehen.

"Von den Zahlen her ist es der richtige Weg, ein weiterer Schritt ähnlich wie der letzte", meint Ferrari-Ingenieur Jock Clear. "Das Auto scheint sich gut zu verhalten haben und wir haben keine Zweifel, weil die Fahrer uns gutes Feedback geben." Bei Mercedes ist für Silverstone am nächsten Wochenende das nächste Paket angekündigt. Red Bulls Verfolger haben aber noch einen ordentlichen Weg vor sich, bis sie verlässlich vorne mitmischen können.

Diesbezüglich sei noch McLaren zu nennen, wo ebenfalls ein über mehrere Rennen verteiltes Update-Paket gerade Anlauf nimmt. Lando Norris war damit in Österreich dritte Kraft hinter Red Bull und Ferrari. Aber das Team ist vorsichtig. Der McLaren ist sozusagen das Gegenteil des Aston Martin - die Charakteristik des Autos passt seit Jahren zu Österreich. Daher will niemand diesen vierten Platz überbewerten.