Gegen 9:20 Uhr beginnt sich der Saal A101 des Münchener Landgerichts langsam mit Fotografen zu füllen. Alle warten auf das erste Foto von Bernie Ecclestone auf der Anklagebank. 16 Minuten später betritt der 83-Jährige den Saal - gut gelaunt, mit einem kleinen Notizbuch unter dem Arm. Leicht verwirrt sucht Ecclestone seinen Platz, zwei Minuten später eröffnet der vorsitzende Richter Peter Noll die Verhandlung.

Diese beginnt unterhaltsam. Der Richter will wissen, wie er den Namen Ecclestone aussprechen soll. Er bleibt bei der üblichen Aussprache, lediglich Ecclestones Hauptverteidiger Dr. Sven Thomas wechselt zwischen 'Ecclestone' und 'Ecclestn'. Heiterkeit macht sich breit, als Ecclestone nach seinem Familienstand gefragt wird.

Kleine Witzchen zum Auftakt

Ecclestone und die Frauen - eine lange Geschichte, Foto: Sutton
Ecclestone und die Frauen - eine lange Geschichte, Foto: Sutton

"Geschieden", gibt er zu Protokoll. Richter Noll fragt nach: "Ich dachte, Sie wären verheiratet?" Ecclestone antwortet: "Es ist beides richtig." Nach kurzer Belehrung, dass nur sein aktueller Familienstand von Relevanz ist, wirft er nochmals ein: "Ich will nur an den Teil mit der Scheidung erinnern."

Das war es dann schon für Bernie Ecclestone an Verhandlungstag eins - und somit auch mit dem unterhaltsamen Teil. 24 Seiten Anklageschrift werden vom Staatsanwalt vorgetragen. Rund eine Stunde dauert das Prozedere. Nun die entscheidende Frage: Nimmt Ecclestone zu den Anschuldigungen Stellung oder nicht?

Ja, er wird sich zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern, verkündet Anwalt Dr. Thomas. Allerdings würde er vorerst nicht für Rückfragen zur Verfügung stehen, sondern erst dann, wenn Dr. Gerhard Gribkowsky als Zeuge vernommen wird. Ecclestone hat bereits ein Statement vorbereitet, das er allerdings nicht selbst vorliest.

91-seitiges Statement

Dieser Teil wird von seinen Anwälten übernommen. Ecclestone sei das nicht zumutbar, da er seit seiner Geburt auf dem rechten Auge nicht richtig sieht. Außerdem würde es das ganze Prozedere unnötig erschweren, da die Dolmetscherin Ecclestones Aussagen für das Gericht ins Deutsche übersetzten müsste.

Ecclestone verlas sein Statement nicht selbst, Foto: Sutton
Ecclestone verlas sein Statement nicht selbst, Foto: Sutton

Dr. Thomas beginnt mit dem Vorlesemarathon. Zu Beginn ahnt noch niemand, wie lange die Verlesung dauern würde. Das Statement steht Medienvertretern nicht zur Verfügung. Motorsport-Magazin.com erfuhr von Gerichtssprecherin Andrea Titz, dass es sich um 91 Seiten handelt - ohne Anlagen.

Die Verteidigungsstrategie

Ecclestone holt in diesem Statement weit aus, beginnt bei seiner Geburt und erläutert die Umstände, in denen er aufwuchs. Die Worte 'Krieg' und 'deutsche Bomber' fallen auffällig häufig. Weiter erläutert Ecclestone grundlegende Mechanismen der Formel 1 und seine genaue Position in diesem Zirkus.

Im Zentrum der Verteidigung steht die Rückweisung des Vorwurfs, Ecclestone habe gewusst, dass Gribkowsky kein normaler Banker gewesen sei, sondern in einem Beamtenverhältnis stand. Mit zahlreichen Anekdoten versucht er zu beweisen, dass er zu keinem Zeitpunkt vom wahren Angestelltenverhältnis wusste. Gribkowsky habe sich auch immer als normaler Banker ausgegeben.

Ecclestone sagt vorerst noch nicht aus, Foto: Sutton
Ecclestone sagt vorerst noch nicht aus, Foto: Sutton

Weiter weist Ecclestone die Behauptung zurück, er habe im Jahr 2005 unter enormen Druck gestanden, weil seine Rolle als Geschäftsführer in Gefahr war. Dies sei zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen, weil er zum einen die Geschäfte zur vollsten Zufriedenheit aller geleitet hätte und zudem die Rückendeckung der FIA hatte. Diese hätte bei einer Absetzung Ecclestones als CEO die 100-jährigen Vermarktungsrechte wieder zurückfordern können, so der Angeklagte. Somit konnte es in niemandes Interesse sein, ihn vom Posten des CEO zu entheben. Gleichzeitig hätte er auch kein Interesse daran gehabt, dass CVC Capital Partners die Anteile der Bayern LB übernimmt.

Hat Briatore Millionen an Gribkowsky gezahlt?

Gleichzeitig nimmt der Bambino Treuhandfond eine wichtige Rolle in der Verteidigung Ecclestones ein. Mehrfach betont er, dass er niemals die Kontrolle über dessen Formel-1-Anteile hatte. Gribkowsky habe aber mehrfach Andeutungen in diese Richtung gemacht, durch die sich der Angeklagte unter Druck gesetzt fühlte.

Hat Gribkowsky Ecclestone an der Nase herumgeführt?, Foto: Sutton
Hat Gribkowsky Ecclestone an der Nase herumgeführt?, Foto: Sutton

Um dies zu belegen, führt der 83-Jährige zahlreiche Unterredungen und Protokolle an, die letztendlich dazu geführt hätten, dass er Gribkowsky das geforderte Schweigegeld bewilligt hätte. Ecclestone wollte eine noch unangenehmere Steuerprüfung durch britische Behörden verhindern. "Aus heutiger Sicht war es keine rationale Entscheidung, Gribkowsky das Geld zu zahlen", gesteht Ecclestone.

Weil angeblich die Zahlungen in Höhe von rund 44 Millionen US-Dollar nach Gribkowskys Wunsch nicht aus Großbritannien stammen sollten, hätte Ecclestone bei zwei Personen um Hilfe gebeten. Diese hätten dann in letzter Folge die Zahlungen getätigt. Eine dieser Personen, so der Angeklagte, ist Flavio Briatore.

Fortgesetzt wird der Prozess am 2. Mai. Dann steht ein Statement der Staatsanwaltschaft auf der Tagesordnung. Zudem werden Hildegard Bäumler-Hösl und Dr. Gerhard Gr. in den Zeugenstand treten und darüber aussagen, was Bernie Ecclestone einst im Gribkowsky-Prozess ausgesagt hatte.