Können Sie sich noch an den Besuch Ihrer ersten WRC-Rallye erinnern?
Jost Capito: Natürlich. Es war die Rallye Griechenland 2003. Ich war damals bei Ford und wir präsentierten dort BP Castrol als Hauptsponsor. Daran erinnere ich mich sehr gut. Übrigens haben wir mit Markko Martin gewonnen. Ich erinnere mich auch noch daran, dass wir dort mit unserer Medien-Happy-Hour begonnen haben. Die gibt es noch heute, also muss das eine gute Idee gewesen sein.

Sie haben offensichtlich eine Leidenschaft für die WRC. Was macht sie für Sie so besonders?
Jost Capito: Ich denke, es ist die Vielfalt. Die WRC hat alles: Speed, Ausdauer, lange Tage, das Fahren auf normalen Straßen. Und dann natürlich das Teamwork. Es sitzen zwei Leute im Auto und dann gibt es noch ein Team, das sie unterstützt. Natürlich ist es auch eine sehr große Herausforderung, aber gleichzeitig ist es sehr bodenständig und erreichbar für die Fans. Insgesamt einfach ein toller Sport.

Marcus Grönholm bei seinem Sieg in Monte Carlo 2006, Foto: Sutton
Marcus Grönholm bei seinem Sieg in Monte Carlo 2006, Foto: Sutton

Sie haben viel Erfolg in der WRC gefeiert. Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?
Jost Capito: Die Rallye Monte Carlo 2006 mit Ford zu gewinnen war fantastisch. Diese besondere Rallye zum ersten Mal zu gewinnen, war sehr besonders. Gleichzeitig dann auch der Sieg in der Hersteller-WM 2006 - das war für Ford das erste Mal innerhalb von 27 oder 28 Jahren. Dann natürlich das erste Jahr von Volkswagen, als wir 2013 alle Titel gewonnen haben. Das hatte niemand erwartet. Bei Ford hatte jeder damit gerechnet, den Titel jedes Jahr zu gewinnen.

Was hat Sie überzeugt, die WRC für die Formel 1 zu verlassen?
Jost Capito: Für mich ist Rallye fantastischer Motorsport, aber die Formel 1 ist die Spitze. Für mich war nicht nur die Formel 1 entscheidend, schließlich war ich dort schon zuvor. Es war McLaren. Neben Ferrari ist McLaren eines von zwei Teams, das seit 50 Jahren konstant in der Formel 1 ist. Als Kind war ich ein großer Fan von Bruce McLaren. Ich folge diesem Team bereits mein ganzes Leben, seit ich fünf oder sechs Jahre alt bin. Ich habe nicht mal zu träumen gewagt, ihr Formel-1-Team zu leiten - das ist also so etwas wie ein wahrgewordener Kindheitstraum. Als ich diese Chance bekam, konnte ich nicht nein sagen.

Welchen Ratschlag haben Sie für Ihren Nachfolger bei Volkswagen?
Jost Capito: Werde jedes Jahr Weltmeister! Wir haben ein fantastisches Team und Rallye ist DER Teamsport im Motorsport. Und wenn du ein fantastisches Team hast, dann lasse es, wie es ist. Halte es am Laufen, sorge dafür, dass die Leute glücklich bleiben und dass der Erfolg weitergeht.

Gibt es irgendetwas in der WRC, dass Sie gerne hinter sich lassen?
Jost Capito: Jemand meinte die Politik, aber ich habe die Politik genossen. Es ist immer gut zu sehen, dass es Raum für Verbesserungen gibt und dafür kämpfst du. Das werde ich zweifelsfrei vermissen. Was ich nicht vermissen werde, ist das frühe Aufstehen - um 4 Uhr morgens.

Jost Capito nach dem Tortenangriff von Jari-Matti Latvala bei der Rallye Deutschland, Foto: Volkswagen Motorsport
Jost Capito nach dem Tortenangriff von Jari-Matti Latvala bei der Rallye Deutschland, Foto: Volkswagen Motorsport

Wenn Sie etwas Freizeit haben: Welche Rallye würden sie im kommenden Jahr für einen Besuch wählen?
Jost Capito: Das wäre mir egal. Einfach die, für die ich Zeit habe. Wahrscheinlich nicht Wales, auch wenn sie sagen, dass es dort kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Kleidung gibt. Da aber Wales meine Heimrallye ist, wird es vielleicht die einzige sein, zu der ich gehen kann. Also, da haben wir es: Wales!

Worauf sind sie stolzer: Die Erfolge mit Ford oder mit Volkswagen?
Jost Capito: Es ist unmöglich zu sagen, welche mir mehr bedeuten. Wenn du die Weltmeisterschaft gewinnst und das dann wiederholst, kannst du nicht sagen, dass das eine besser als das andere war. Zudem waren die Systeme bei Volkswagen und Ford komplett unterschiedlich. Bei Ford habe ich im Team M-Sport gearbeitet - auch wenn es Teil der Ford-Familie war - aber du stehst vielen starken Teamchefs gegenüber. Bei Volkswagen hatte ich die gleiche Rolle wie bei Ford, plus die Rolle des Teamchefs. Das hat es ein bisschen einfacher gemacht!

Wenn Sie in der WRC eine Sache ändern könnten, was wäre das?
Jost Capito: Für mich wäre das ganz klar das Shootout [bei dem die Abstände zwischen den Autos für die finale Prüfung proportional reduziert werden]. Vielleicht ist Shootout auch das falsche Wort, denn niemand ist danach raus, aber ich denke, das würde den Rallye-Sport auf das nächste Level heben. Es wäre ein guter Weg, ein breites Publikum mit etwas wirklich Spannendem anzuziehen. Ich glaube fest daran, dass es nicht den Spirit des Rallyesports verändern würde, schließlich würde das letztliche Ergebnis draußen auf den Prüfungen entschieden werden. Die finale Prüfung würde dadurch sehr attraktiv für Live-TV werden - für mich ist das immer noch das Hauptziel. Die sozialen Netzwerke sind gut, um bereits interessierte Menschen auf dem Laufenden zu halten. Was der Rallyesport aber zunächst machen muss, ist mehr Interesse und Begeisterung bei der Allgemeinheit schaffen.

Glauben Sie, einer der aktuellen WRC-Fahrer könnte den Sprung in die Formel 1 schaffen?
Jost Capito: Ich denke, sie sind insgesamt alle zu alt. Das ist Fakt. Haben sie das Vermögen? Ja, das denke ich. Die Fahrer, die in einer Motorsport-Kategorie top sind, können auch in einer anderen top sein. Es geht doch letztlich nur um das Fahren von Autos - egal, ob auf einer Rallye-Piste oder einem Rundkurs. Das haben wir bei Kimi Räikkönen gesehen. Viele Menschen sagten, dass seine Leistungen in der WRC nicht beeindruckend waren, aber ich denke das schon. Er war nicht daran gewöhnt, auf einen Beifahrer hören zu müssen. Zudem hat er sich nicht langsam durch die kleineren Kategorien nach oben gearbeitet, sondern war sofort auf dem höchsten Niveau - und er war konkurrenzfähig. Ich bin aber der Meinung, dass du früh in deiner Karriere entscheiden musst, was du tun möchtest. Besonders im Rallyesport braucht es lange, um Erfahrung zu sammeln. Daher bist du zu alt für die Formel 1, wenn du im Rallye-Bereich auf einem Top-Level angekommen bist.