Nach der LMP1-Schlacht in Fuji reist die WEC nach Shanghai weiter, wo der vorletzte Lauf zur WEC-Saison 2016 auf dem Programm steht. Porsche kann bereits Fahrer- und Hersteller-Champion in der Langstrecken-WM werden, doch Audi und Toyota wollen das Rennen weiterhin offen halten. Das verspricht eine interessante Gemengelage für das 6-Stunden-Rennen in China.

Rückblick: Das LMP1-Kräfteverhältnis in Fuji

Eng, enger, WEC! Schon im Laufe der ersten Rennstunde konnte jeder der drei Hersteller Führungsluft schnuppern. Die meiste Zeit über führte Audi das Rennen an, doch das Rennen wurde zu einem Leckerbissen für alle Taktikfüchse. Nach fast vier Stunden trennten die Top-3 (bestehend aus je einem Audi, Porsche und Toyota) gerade einmal zwei Sekunden! Toyota gelang der Glücksgriff zum Sieg, als man beim letzten Stopp auf den Reifenwechsel verzichtete und somit mit einem Doppelstint das Rennen zu Ende fuhr. 1,4 Sekunden betrug der Vorsprung am Ende auf den zweitplatzierten Audi, eines der engsten WEC-Finishes aller Zeiten! Auch dem drittplatzierten Porsche fehlten im Ziel nur 17,3 Sekunden.

Audi vor den 6h von Shanghai 2016

Audi schockte die Konkurrenz und alle Beteiligten und Fans jüngst mit der Meldung, sein WEC-Engagement nach der laufenden Saison zu beenden. Umso mehr kämpfen die Ingolstädter darum, sich mit mindestens einem Sieg und im günstigsten Fall dem WM-Titel für Di Grassi/Duval/Jarvis aus der Langstrecken-WM zu verabschieden. Mit einem Sieg wollte es jedoch seit dem Rennen in Spa aus den verschiedensten Gründen nicht mehr klappen. Beim letzten Rennen in Fuji musste man sich Toyota um gerade einmal 1,4 Sekunden geschlagen geben.

Auch in Fuji musste sich Audi hinten anstellen, Foto: Porsche
Auch in Fuji musste sich Audi hinten anstellen, Foto: Porsche

Trotzdem konnte sich der Audi R18 #8 um Di Grassi/Duval/Jarvis noch im Titelrennen halten. Doch dort sind die Chancen klein angesichts des Rückstands auf die WM-Leader Dumas/Jani/Lieb. Aufgeben kennt man jedoch bei Audi nicht: "Bei 52 noch zu vergebenden Punkten haben die aktuellen Tabellenführer schon einen deutlichen Vorsprung. Wir lassen nichts unversucht, um den Kampf bis zum Schluss offen zu halten", gibt sich Audis LMP1-Leiter Stefan Dreyer kämpferisch.

Porsche vor den 6h von Shanghai 2016

Audi kämpft noch um die WM, Porsche kann sie in Shanghai schon eintüten - sowohl bei den Fahrern als auch bei den Herstellern. Dumas/Jani/Lieb müssen dazu drei Punkte mehr holen als die WM-Zweiten Sarrazin/Conway/Kobayashi, gleichzeitig darf man maximal 2,5 Punkte auf Di Grassi/Duval/Jarvis verlieren. Bei den Herstellern kann es sich Porsche erlauben, maximal 15 Punkte auf Audi einzubüßen. Nach dem Drama-Finale 2015 in Bahrain ist man bei Porsche aber vorsichtig: "Am Ende wurde es ein Nerven zerreißender Krimi mit einem fünften Platz, weil wir technische Probleme bekamen. Damals reichte es nur zum Titel, weil das Schwesterauto den Sieg erkämpfte", erinnert sich Fritz Enzinger an die Zitter-Krönung für Bernhard/Webber/Hartley zurück.

Trotz des jüngsten Formtiefs: Dumas/Jani/Lieb können in China Weltmeister werden, Foto: Porsche
Trotz des jüngsten Formtiefs: Dumas/Jani/Lieb können in China Weltmeister werden, Foto: Porsche

Dieses Mal ist die Besatzung auf dem Schwesterauto drauf und dran, den WM-Titel für Porsche zu holen. Romain Dumas und Marc Lieb wollen jedoch noch nicht an die mögliche Krönung denken und haben nur das Rennen im Kopf: "Die zurückliegenden vier Rennen waren nicht gut. Wir wollen uns nun in der entscheidenden Phase der WM aus diesem Tief herausziehen und in Shanghai die Leistung abrufen, die von uns erwartet wird und die auch unseren eigenen Ansprüchen genügt", so Lieb. Offensiver geht da schon Neel Jani an das Wochenende heran: "Das Ziel ist klar: Wir müssen für die Fahrer-WM vor unseren direkten Konkurrenten, dem #6-Toyota und dem #8-Audi, ins Ziel kommen." Jani weiß aber auch: "Beide werden stark sein." Den Titel zu holen, wird daher alles andere als einfach.

Toyota vor den 6h von Shanghai 2016

Auch, weil Toyota nach dem Sieg zuhause in Fuji hochmotiviert nach Shanghai weiter reist. Der Erfolg auf der Hausstrecke hat Sarrazin/Conway/Kobayashi nicht nur an Di Grassi/Duval/Jarvis vorbei gebracht, sondern katapultierte sie wieder in Schlagdistanz zu den WM-Leadern Dumas/Jani/Lieb. 15 Punkte nahm man dem Porsche-Trio in Japan ab, in ähnlicher Form soll der Rückstand in China weiter reduziert werden. "In dieser Saison haben wir nur noch zwei Rennen übrig. Dieses Wochenende wird also extrem wichtig, denn wir befinden uns noch im WM-Rennen. Es wird zwar schwer, die Jungs im Porsche #2 noch einzuholen, aber wir werden bis zum Ende kämpfen", ist sich Mike Conway bewusst.

Sarrazin/Conway/Kobayashi fuhren in Fuji als Sieger über die Ziellinie, Foto: Toyota
Sarrazin/Conway/Kobayashi fuhren in Fuji als Sieger über die Ziellinie, Foto: Toyota

Jedoch war der Shanghai International Circuit immer ein gutes Pflaster für Toyota. 2012 und 2014 gewann man, 2013 musste man sich erst in der Schlussphase gegen Audi geschlagen geben. Knüpft man an diese Leistungen an, kann die Aufholjagd weitergehen. "Das erste Ziel ist es, in Shanghai und in Bahrain gute Resultate zu holen und die Serie an Podiumsplätzen auszubauen", gibt Conway die Marschroute vor. Podiumsplätze sind aber auch das Mindeste, will die Besetzung des Toyota #6 die WM noch zu ihren Gunsten drehen.

WEC Shanghai 2016: Das LMP1-Kräfteverhältnis im Vorjahr

Das WEC-Rennen in Shanghai wurde 2015 zu einer Regenschlacht. Trotzdem konnte Porsche dem Rennen seinen Stempel aufdrücken. Am Ende feierte man auch dank eines Strategiekniffs am Schluss einen Doppelsieg. Audi versuchte alles und riskierte es auch, als erster LMP1-Hersteller auf Slicks zu wechseln. Doch es reichte nicht, um die Porsche an der Spitze ernsthaft zu gefährden. Somit blieben für Audi die Plätze drei und vier. Toyota dagegen konnte auch im Regen nicht mithalten und belegte am Ende die Positionen fünf und sechs.

Die Aussagen der Verantwortlichen vor den 6h von Shanghai 2016

Dr. Wolfgang Ullrich, Motorsportchef Audi: "Wer in dieser hart umkämpften Serie gewinnen will, darf sich nicht die geringste Schwäche erlauben. Deshalb setzen wir alles daran, in China noch einen Schritt nach vorn zu machen."

Andreas Seidl, Teamchef Porsche: "Tendenziell kommt die Streckenführung in Shanghai der Charakteristik unseres 919 eher entgegen als jene des Fuji Speedway, dem Austragungsort des letzten Rennens. Es kommt aber auf sehr viele Faktoren an, und wir haben in den zurückliegenden beiden Rennen gesehen, dass die Konkurrenz mindestens aufgeschlossen hat. Bei der Startnummer 2 hatten wir sowohl in Austin als auch in Fuji Probleme, weil die Frontpartie sehr viel des herumliegenden Reifenabriebs aufgesammelt hat und dadurch die Fahrzeugbalance nicht stimmte, bis wir die Front getauscht hatten. In Shanghai gilt es, mit unserem bewährten, sehr zuverlässigen 919 Hybrid und einer weiteren fehlerfreien Teamleistung wieder um die Spitzenpositionen zu kämpfen."

Toshio Sato, Team-Präsident Toyota: "Es war sehr befriedigend, beim Heimrennen in Fuji zurück auf die oberste Stufe des Podiums zu klettern. Jetzt wollen wir dieses Momentum mitnehmen und die Saison möglichst stark beenden. Wir sind hochmotiviert, unsere Podestserie weiter auszubauen. Der Wettbewerbslevel in der WEC ist momentan unglaublich. Vor allem die letzten beiden Rennen waren durchgehende Spritrennen, und praktisch nichts hat die drei Hersteller nach sechs Stunden engem Racing getrennt. Wir wissen also, das wir erneut alles geben müssen, um unsere Ziele zu erreichen. Auf diese Herausforderung freuen wir uns schon in Shanghai."