Pro: LMP1 kann sich nicht auf Werksteams verlassen

von Heiko Stritzke

Es ist eine alte Weisheit im Motorsport: Werksteams kommen und gehen. Nicht nur die Formel 1 musste diesen schmerzhaften Prozess durchmachen, sondern auch die WEC hatte es bereits bitter zu spüren bekommen: Durch den völlig überraschenden Peugeot-Rückzug Anfang 2013 wäre die Langstrecken-Weltmeisterschaft um ein Haar nicht zustande gekommen. Trotz aller langfristiger Bekundungen der drei Hersteller Porsche, Audi und Toyota: Ein Autohersteller kann schnell den Stecker ziehen, dazu braucht es beispielsweise nur einen Wechsel an der Konzernspitze.

Rein quantitativ besteht in der LMP1 noch Aufholbedarf, Foto: Speedpictures
Rein quantitativ besteht in der LMP1 noch Aufholbedarf, Foto: Speedpictures

Und bei aller Faszination: Eine Klasse bestehend aus sechs Werksautos mag zwar qualitativ heiß umkämpft sein, aber quantitativ sind sechs Autos viel zu wenig. Da nach Le Mans die Starterzahlen bekanntermaßen nachlassen, weil Vorbereitungsfahrzeuge wie jüngst bei Audi in Spa abgezogen werden, sind Privateinsätze hilfreich. Denn für diese Teams ist der Sport die Essenz. In der Formel 1 sind, vom Ausnahmefall Ferrari einmal abgesehen, Privatkonstrukteure lange Zeit die traditionsreichsten Teams gewesen. Und Dome bringt gar eine kleine, aber feine Le-Mans-Tradition mit.

Die Langstrecken-Weltmeisterschaft in eine Rennserie im Aufschwung. Das neue, effizienzbasierte Reglement für 2014 öffnet technologische Zukunftsperspektiven. Ein derartig auf Energieeffizienz getrimmtes Reglement hat es in Motorsportgeschichte noch nie gegeben, nicht einmal zu Gruppe-C-Zeiten. Und gerade bei solchen Paradigmenwechseln kann ein privater Konstrukteur einen großen Wurf landen, bei Erfolg winkt die Kooperation mit einem Hersteller. Die WEC wird sich wachsender Beliebtheit erfreuen - Prototypen als Geschäftsmodell könnten bei einer fähigen Führung ein Zukunftsmodell werden. Oreca ist dies mit den FLM-Boliden bereits gelungen.

Contra: Gibt es überhaupt einen LMP1-Markt?

von Fabian Stein

Perrinn wartet auf Kunden - vergeblich?, Foto: Perrinn
Perrinn wartet auf Kunden - vergeblich?, Foto: Perrinn

Vielfalt ist die Würze des Motorsports. Daher ist allerorts die Freude über neue Projekte groß. So auch bei der Ankündigung der neuen LMP1-Projekte von Perrinn Ltd. und Dome. Während Automobilhersteller ihre eigenen Prototypen bauen (lassen), müssen jedoch die unabhängigen Konstrukteure erst einmal Kunden finden. Somit stellt sich bei aller freudigen Erwartung die nüchterne aber entscheidende Frage: Wer sollte einen hohen sechsstelligen Betrag für den Erwerb eines LMP1 zahlen? Und warum überhaupt?

Als LMP1-Team tritt man unmittelbar gegen die Werksteams an, die auf erheblich mehr Ressourcen fast aller Art zurückgreifen können. Als privater Feldfüller kann man somit lediglich "best of the rest" werden und mit etwas Glück mal auf das Gesamtpodium kommen. Ein fragwürdiger Gegenwert für die erheblichen Kosten. Dieser Kampf mit ungleichen Waffen wird umso mühseliger, wenn man bedenkt, dass die LMP2-Kateorie schon für die Privatiers konzipiert wurde und die entsprechende Bühne bietet. Dome will daher auch bei der Konstruktion des S103 zweigleisig fahren und in Zukunft für beide Prototypen-Klassen ein Chassis anbieten.

Aber nicht nur für die Teams bzw. Käufer ist ein LMP1-Projekt riskant. Gerade auf den Konstrukteuren lastet der enorme Druck, die Entwicklungskosten zu begleichen. Doch weder ein hoher Anschaffungspreis, noch teure Ersatzteile helfen bei der Kundenakquirierung. 2013 gibt es weltweit mit Rebellion, Strakka, Pickett (Muscle Milk) und Dyson lediglich vier nennenswerte private LMP1-Teams – von denen drei schon länger auf Lola setzen. Und ausgerechnet Lola musste trotz zusätzlicher LMP2-Chassis-Verkäufe jüngst Konkurs anmelden: ein mahnendes Beispiel für die lauernden Gefahren. "Der Markt ist klein, aber es gibt einen Markt", sagt Nicolas Perrin. Für die Vielfalt des Sports wünscht man ihm, dass er damit Recht behält.