Erst am vergangenen Wochenende fand in Jerez das Finale der Superbike-Weltmeisterschaft 2023 statt, in dem sich Alvaro Bautista erneut zum Titelträger krönen konnte. Keine vier Tage später geht der Blick schon wieder Richtung Saison 2024: Auf dem Circuito de Jerez fanden unter der Woche zweitätige Testfahrten statt, die die Fahrer und Teams nutzen konnten, um sich einen ersten Geschmack von ihren neuen Arbeitsgeräten zu verschaffen. Im Mittelpunkt dabei: Jonathan Rea, der erstmals auf seiner neuen Yamaha YZF-R1 Platz nahm oder auch Ex-MotoGP-Pilot Andrea Iannone, der 2024 sein Comeback im Rennsport nach vier Jahren Dopingsperre feiern wird. Motorsport-Magazin.com informiert euch, wie der zweitätige Test für die WorldSBK-Stars lief.
Jonathan Rea: Yamaha-Debüt erfolgreich gemeistert
"Die ersten Eindrücke mit dem Team sind fantastisch. Yamaha war sehr zuvorkommend und hat mir den Einstieg wirklich leicht gemacht", fand Rekordweltmeister Jonathan Rea am Mittwochabend gleich lobende Wort für seinen neuen Arbeitgeber. Sein Fazit nach zwei Testtagen auf der Yamaha: "Am ersten Tag ging es mehr darum, das Bike kennenzulernen. Das war ein großer Schock, weil ich viele unterschiedliche Eindrücke zu dem vorgefunden habe, was ich gewohnt war - allerdings alles sehr positiv, das Bike ist sehr benutzerfreundlich. Schritt für Schritt haben wir dann unterschiedliche Dinge ausprobiert. Beide Tage waren sehr positiv. Ich kann nicht sagen, dass ich mir die R1 schon völlig zu Eigen gemacht habe, aber das Gefühl ist schon ziemlich gut."
Die Umstellung nach neun Jahren Kawasaki klappte also ohne größere Probleme. "Das Gefühl ist sehr unterschiedlich, die R1 hat viel Traktion. Diese ist aber einfach zu nutzen, das gibt dir Selbstvertrauen und hilft, schnell zu sein", analysierte der Nordire. Und das war tatsächlich auch auf der Strecke gleich zu sehen: Den zweitätigen Test in Jerez beendete Rea als Dritter und war dabei nur knapp zweieinhalb Zehntel langsamer als im Qualifying am vergangenen Freitag. Auf die damalige Rundenzeit von Toprak Razgatlioglu fehlten gar nur 0,018 Sekunden. "Testfahrten sind das eine, die Rennen sind dann nochmal eine andere Geschichte", will der Yamaha-Neuzugang das Ergebnis aber nicht überbewerten. Er warnt: "Beim nächsten Test können wir tiefer in die Setup-Arbeit einsteigen, es liegt noch viel Arbeit vor uns."
Remy Gardner mit Bestzeit, Dominique Aegerter unauffällig
Für die Schlagzeilen sorgte an Dienstag und Mittwoch ohnehin ein anderer Yamaha-Fahrer: Ex-MotoGP-Pilot Remy Gardner. Der Australier geht 2024 mit GRT in sein zweites Superbike-Jahr und scheint nach einer durchwachsenen Rookie-Saison nun so richtig angekommen zu sein. Gardner fuhr bereits am regengeprägten Tag eins die schnellste Runde und fand sich auch zum Abschluss der Testfahrten am Mittwochabend wieder ganz oben im Klassement. Er sorgte in 1:38.448 Minuten für die Bestzeit und war damit anderthalb Zehntel schneller als die Polezeit von Alvaro Bautista beim Saisonfinale. "Es war ein positiver Test, meine Pace war mit Renn- und Qualifying-Reifen wirklich gut. Es wäre sogar noch etwas mehr gegangen, ich habe ein paar Fehler auf meiner schnellsten Runde gemacht. Sie war nicht perfekt, aber auch nicht schlecht. Viel mehr freue ich mich aber über die Fortschritte, die wir gemeinsam mit Yamaha über die zwei Tage machen konnten", berichtete Gardner am Mittwochabend.
GRT-Teamkollege Dominique Aegerter, am Wochenende in Superpole-Race und Rennen 2 noch auf dem Podium, erlebte hingegen einen unauffälligeren Jerez-Test. Landete er am Dienstag noch auf Platz zwei, reichte es einen Tag später nur noch zum neunten Rang, ganze 1,655 Sekunden hinter Gardner. Anders als der Australier konzentrierte sich Aegerter aber auch nicht auf die Qualifying-Pace, sondern testete diverse neue Teile für Yamaha, darunter eine neue Front-Schwinge. Zudem kostete ein Sturz in Turn 1 den Schweizer wertvolle Testzeit.
Andrea Iannone: Beim Comeback gleich in den Top Fünf
Im Ducati-Lager waren natürlich sämtliche Augen auf die Box des GoEleven-Teams gerichtet, wo Andrea Iannone sein Superbike-Debüt feierte. Der einmalige MotoGP-Sieger legte nach fast vier Jahren Doping-Sperre gleich beeindruckend los und beendete den zweitägigen Jerez-Test mit einer Rundenzeit von 1:39.335 Minuten auf Platz fünf und als zweitbeste Ducati. "Es hat wirklich Spaß gemacht, ich habe den heutigen Tag sehr genossen. Mein Gefühl für das Motorrad verbesserte sich von Ausfahrt zu Ausfahrt und von Lauf zu Lauf", zog 'The Maniac' am Mittwoch ein positives Fazit. "Es ist wirklich interessant, denn ich bin ein wenig überrascht über das Ergebnis, auch über das Gefühl mit den Reifen und allem anderen. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, aber wir starten von einem wirklich guten Punkt aus, das ist gut."
Mit 26 Runden am Dienstag und 69 am Mittwoch gehörte Iannone zu den fleißigsten Piloten im Feld. Dass der Italiener gleich so weit vorne im Klassement auftauchte, überraschte dann aber doch etwas, saß er doch zuletzt Ende 2019 beim Valencia Grand Prix der MotoGP auf einem vergleichbar schnellen Motorrad. Das hindert Iannone aber nicht von großen Ambitionen in der kommenden Saison: "Ich will auf einem hohen Niveau zurückzukehren. Ich möchte diese Ergebnisse erzielen und versuchen, an die Spitze zu kommen. Ich weiß, dass es schwierig wird, weil das Niveau hier sehr hoch ist, jeder ist nah dran. Aber ich denke, dass wir hier beim ersten Test nicht mehr hätten erreichen können. Das Motorrad hat mich positiv beeindruckt, die Reifen ebenso. Sie sind sehr nutzerfreundlich, man hat gespürt, wo die Grenzen liegen und ich denke, dass das ein guter Punkt ist."
Alvaro Bautista kämpft mit kombiniertem Mindestgewicht
Den Jerez-Test nur auf dem siebten Platz und damit mehr als sechs Zehntel hinter Iannone beendete Doppel-Weltmeister Alvaro Bautista. Der Ducati-Star nutzte die beiden Testtage, um sich an die Regeländerungen im kommenden Jahr anzupassen. Schließlich gilt in der Superbike-WM ab 2024 ein kombiniertes Mindestgewicht für Fahrer und Motorrad. Der 169 Zentimeter kleine und 60 Kilogramm leichte Bautista zählt zu den Piloten, die darunter am meisten leiden werden. "Wir haben viele Lösungen mit dem Gewicht ausprobiert. Wir haben unterschiedliche Bereiche des Motorrads mit Gewicht versehen und auch den Innenraum des Motors probiert. Wir haben viele Tests durchgeführt, um zu verstehen, wie das Motorrad funktioniert", beschrieb der WorldSBK-Dominator der vergangenen beiden Jahre.
Ob sich in der kommenden Saison etwas daran ändert? Noch bereitet das kombinierte Mindestgewicht dem Ducati-Werksteam jedenfalls Kopfzerbrechen. "Es ist nicht einfach, denn wenn das Motorrad gut funktioniert, fühlt es sich völlig anders an, wenn man 7 Kilogramm hinzufügt, besonders in den schnellen Kurven", analysiert Bautista. "Wir haben einige unterschiedliche Verteilungen vorgenommen, um mehr Daten zu haben. Im Winter können wir jetzt daran arbeiten und experimentieren, wie die Basis für den Start der Saison 2024 aussehen könnte."
Schnellster Ducati-Pilot war in Jerez derweil Nicolo Bulega: Der amtierende Supersport-Champion wird im kommenden Jahr Stallgefährte von Bautista im Werksteam. Mit einer Rundenzeit von 1:38.726 Minuten sortierte sich der Italiener auf Platz zwei im Gesamtklassement ein, knapp zweieinhalb Zehntel hinter der Bestzeit von Gardner. Auf die Polezeit Bautistas vom vergangenen Wochenende fehlten ihm damit nur 0,091 Sekunden. "Ich bin glücklich, weil ich gleich schnell war, obwohl wir nicht viel fahren konnten", berichtete das ehemalige VR46-Academy-Mitglied und schickte gleichmal eine Warnung an das restliche Feld hinterher: "Ich bin erst bei 85 Prozent. Ich lerne das Motorrad noch kennen und muss erst verstehen, wie ich mit meinem Team kommunizieren muss. Wir können noch viel verbessern, aber wir haben einen guten Startpunkt gefunden."
Toprak Razgatlioglu fehlt, Axel Bassani und Scott Redding hinten
Weniger spektakulär verlief das Debüt von Kawasaki-Neuzugang Axel Bassani. Der junge Italiener absolvierte am Mittwoch zwar 54 Runden, tat sich bei der Umstellung auf die Kawasaki ZX-10RR aber sichtlich schwer. Er belegte den 12. und vorletzten Platz, auf Teamkollege Alex Lowes fehlten mehr als zwei Sekunden. Auch im BMW-Lager brachte der zweitägige Jerez-Test wenig Erfreuliches: Scott Redding kam bei seinem Debüt im Kundenteam Bonovo Action mit knapp 1,8 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit nicht über Platz zehn hinaus. Teamkollege Garrett Gerloff, zuletzt in starker Verfassung, landete direkt dahinter auf dem elften Rang, musste in den letzten 30 Minuten der Testfahrten aber noch einen Sturz in Turn 3 wegstecken.
Nicht mit dabei war in Jerez Vizeweltmeister Toprak Razgatlioglu. Der Türke, der im kommenden Jahr ins BMW-Werksteam wechseln wird, erhielt von seinem derzeitigen Arbeitgeber Yamaha keine Freigabe und darf damit erst im kommenden Jahr erstmals auf der BMW M 1000 RR Platz nehmen. Weitere prominente Namen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in Jerez testeten: Danilo Petrucci (Barni), Sam Lowes (MarcVDS), Manuel Locatelli (Yamaha), Michael van der Mark (BMW), Iker Lecuona oder Xavi Vierge (beide Honda).
Übersicht: Ergebnis der WSBK-Testfahrten in Jerez
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
1. | Remy Gardner | GRT Yamaha | 1:38.448 Minuten |
2. | Nicolo Bulega | Ducati | 1:38.726 Minuten |
3. | Jonathan Rea | Yamaha | 1:39.179 Minuten |
4. | Alex Lowes | Kawasaki | 1:39.221 Minuten |
5. | Andrea Iannone | GoEleven Ducati | 1:39.335 Minuten |
6. | Michael Ruben Rinaldi | Motocorsa | 1:39.807 Minuten |
7. | Alvaro Bautista | Ducati | 1:39.962 Minuten |
8. | Bradley Ray | GMT94 Yamaha | 1:40.007 Minuten |
9. | Dominique Aegerter | GRT Yamaha | 1:40.103 Minuten |
10. | Scott Redding | Bonovo Action BMW | 1:40.291 Minuten |
11. | Garrett Gerloff | Bonovo Action BMW | 1:40.346 Minuten |
12. | Axel Bassani | Kawasaki | 1:41.346 Minuten |
13. | Tarran Mackenzie | Petronas MIE Honda | 1:42.110 Minuten |
diese Superbike WSBK Nachricht