Die Superbike-WM startet in wenigen Tagen in die neue Saison. Mit Jonas Folger will ein deutscher WSBK-Neuling seiner Karriere zu einem zweiten Höhenflug verhelfen, während alle den Serien-Weltmeister Johnny Rea auf seiner Kawasaki jagen. 24 Fahrer auf fünf verschiedenen Motorrädern geben ab 22./23. Mai in Aragon Gas.

Motorsport-Magazin.com hat sich mit dem langjährigen TV-Experten und Co-Kommentator Dirk Raudies über die kommende Saison unterhalten.

Dirk, was traust du Jonas Folger in seiner ersten Saison in der Superbike-WM zu?
Dirk Raudies: Jonas hat schon in der MotoGP gezeigt, was er kann. Wir alle erinnern uns noch an das Rennen am Sachsenring im Jahr 2017 (Folger wurde 2. hinter Marquez; Anm.). In einer mental etwas schwierigen Phase hat er sich dann freiwillig in eine Auszeit begeben, was sicherlich eine schwierige Entscheidung für ihn war. Viele haben danach nicht mehr an ihn geglaubt. Aber wegen einer Pause verschwindet das grundlegende Talent ja nicht. Wenn er seine Probleme überwunden hat und sich nun wieder wohlfühlt, dass ist er für mich ein Kandidat, der viel erreichen kann in der Superbike-WM.

Bei den Testfahrten präsentierte er sich stark. Gibt das Hoffnung?
Dirk Raudies: Wenn man sich die Tests ansieht, würde ich sagen: Ja, er ist wieder richtig gut drauf. Daher hoffe und erwarte ich von ihm auch gute Rennen.

In den vergangenen Jahren dominierten Kawasaki und Ducati das Geschehen. Was ist in diesem Feld auf einer BMW denn überhaupt möglich?
Dirk Raudies: Das ist eine der großen Fragen dieser Saison. Tom Sykes hat gezeigt, dass man eine schnelle Runde rausquetschen kann. Allerdings hatte er, wie bereits zu seinen Anfangszeiten bei Kawasaki, Probleme die Reifen auch über die volle Distanz zu bringen. Das ist ihm im Vorjahr auch bei BMW immer wieder passiert. Wenn sie das noch irgendwie hinbekommen, dann ist alles drin.

Wirklich alles?
Dirk Raudies: (lacht) Naja, das Hauptproblem bleibt dann noch der Serien-Weltmeister, der das Selbstvertrauen und die Erfolge gepachtet hat. Johnny Rea ist schon ein Phänomen.

Hat sich Ducati einen Gefallen damit getan, den dreifachen Vizeweltmeister Chaz Davies aus dem Werksteam zu eliminieren?
Dirk Raudies: Da muss ich ganz brutal sagen: Ja. Davies ist ein guter Fahrer und war auf Strecken, die ihm extrem gut liegen, immer eine Bank. Aber er hat auch immer wieder Fehler reingehauen, die er sich selber zuschreiben musste. Dadurch hat er sich oft selbst aus dem Titelrennen geschossen. Johnny Rea ist ein Gegner, bei dem du dir keine Fehler erlauben darfst, denn sonst kommst du an dem nicht vorbei. In der jüngsten Vergangenheit haben sich bei ihm die Fehler aber gehäuft.

Viele Ducati-Fans haben diese Entscheidung aber kritisiert.
Dirk Raudies: Ducati will einen Weltmeister und Davies hat viele Jahre lang seine Chancen nicht optimal genutzt. Daher kann ich diese Entscheidung der Italiener nachvollziehen. Davies ist ja auch nicht ganz weg, sondern bekommt im Kundenteam im Grunde das gleiche Material wie in der Werksmannschaft. Sollten sie sich mit dieser Personalentscheidung verzockt haben, so würde Davies trotzdem auf einer Ducati gewinnen und der Konzern könnte diesen Erfolg entsprechend für sich vermarkten.

Lassen wir den Dominator Johnny Rea mal außen vor. Wen hast du in dieser Saison sonst noch auf deiner Favoritenliste?
Dirk Raudies: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Michael Ruben Rinaldi war im vergangenen Jahr schon richtig gut. Der ist jung und hat Feuer in sich, daher darf man vom ihm sicherlich eine Steigerung erwarten. Scott Redding war im Vorjahr auch stark, hatte aber auch ein paar Fehler. Man wird in dieser Saison sehen, ob die Ducati tatsächlich so schwer auf der Bremse ist, wie er immer sagte, oder ob er es im Vorjahr aufgrund des Drucks übertrieben hat. Ansonsten sehe ich keinen, dem ich ernsthaft zutrauen würde, im Kampf um den Titel in den Ring zu steigen. Vielleicht überrascht mich aber irgendjemand von den Jungs! Eine Überraschung wird aber mit Sicherheit ausbleiben: Johnny Rea wird auch 2021 definitiv nicht hinterher fahren.