"Ich kann es nicht glauben", sagte der erste französische Weltmeister seit Raymond Roche 1990. Sylvain Guintoli ist ein alter Hase in der Welt des Motorradrennsports und doch kommt der Franzose erst im Alter von 32 Jahren am Zenit an: 16 Podestplätze in 24 Rennen, darunter fünf Siege und zwei Pole Positions erfüllten ihm im packenden Finale seinen Traum vom Weltmeister. Doch wo hat sich Guintoli zuvor versteckt? Motorsport-Magazin.com macht sich auf die Suche in der Vergangenheit.

2007 fuhr Sylvain Guintoli für Tech3 in der MotoGP, Foto: Yamaha
2007 fuhr Sylvain Guintoli für Tech3 in der MotoGP, Foto: Yamaha

Im Alter von sechs Jahren begann Guintoli seine Karriere mit Motorrollerrennen. Danach startete er bis 1998 in nationalen 125ccm-Pokalrennen, bevor er 1999 in die offene französische Motorradmeisterschaft wechselte. Als Sieger der nationalen 250ccm Meisterschaft und Dritter in der europäischen Serie debütierte Guintoli im Alter von knapp 18 Jahren beim Frankreich Grand Prix. Sein erstes GP-Rennen, das er mit einer Wildcard in der 250er Klasse bestritt, beendete er jedoch nicht.

Der junge Guintoli wollte die Weltbühne allerdings nicht so schnell verlassen, wie er sie betreten hatte. Er fuhr die komplette kommende Saison in einem Privatteam, sammelte 44 Punkte und landete damit auf dem 14. WM-Rang. Mit einem vierten Platz in Assen machte er Herve Poncharal auf sich aufmerksam. Sein Landsmann verpflichtete ihm im Jahr darauf als Tech3-Testfahrer in der 500ccm Klasse und fuhr dort beim Tschechien Grand Prix ein erstes Rennen. Nachdem er dort nur den letzten Platz belegte, ging Guintoli zurück in die 250ccm-Kategorie.

Erster und einziger Podestplatz im Grand Prix

Dort gelang ihm 2003 ein Podestplatz in Assen und der zehnte Gesamtrang - eine stolze Position für ein Privatteam. Allerdings ging es danach eher bergab. Guintoli fuhr in den kommenden drei Jahren jeweils auf die Positionen 14, zehn und neun. Das reichte Poncharal, um ihm 2007 einen Platz im Tech3-Team in der Königsklasse anzubieten. Der Wechsel begann für Guintoli allerdings schwierig, da er sich beim Test auf dem Paul Ricard Circuit im November 2006 das Schlüsselbein brach.

Platz 13 in der Königsklasse auf der Ducati 2008, Foto: Sutton
Platz 13 in der Königsklasse auf der Ducati 2008, Foto: Sutton

Dennoch konnte er in 17 Rennen der Saison beeindrucken, fuhr nur in drei Rennen nicht in die Punkte und beendete das Jahr auf Platz 16 - trotz einiger heiß diskutierter Manöver wie gegen Alex Hofmann in Laguna Seca, den er nach einer selbstverschuldeten Kollision aus dem Rennen beförderte. Poncharal konnte seinen Landsmann nicht halten, also wechselte Guintoli im Folgejahr ins d'Antin Ducati Team.

Wie alle anderen außer Casey Stoner kam Guintoli auf dem roten Biest nicht gut zurecht, punktete aber trotzdem in jedem Rennen und beendete die Saison auf Rang 13. Obwohl Guintoli nur knapp hinter seinem Teamkollegen Toni Elias landete, hatte er bereits genug vom Grand Prix und wechselte überraschend in die britische Superbike Meisterschaft. Schnell gewöhnte sich Guintoli an die neue Maschine und die Meisterschaft, holte eine erste Pole und gewann sein erstes Rennen. Schon in den ersten beiden Rennen hatte er in der BSB also mehr erreicht als in neun Jahren Grand-Prix-Sport.

Der Weg in die World Superbike

Am dritten Rennwochenende schlug das Verletzungspech allerdings zu: Guintoli stürzte in Donington Park, brach sich das Bein und musste monatelang zu Hause bleiben. Dennoch wurde er zum Ende der Saison 2009 bereits in die Superbike-WM berufen und startete dort zwei Rennen im Suzuki-Team als Ersatzfahrer für Max Neukirchner. 2010 sattelte er komplett in die WSBK über. In seiner Debüt-Saison war Guintoli zwar konstant unterwegs, aber auch konstant hinter den Podestplätzen zu finden und wurde am Ende Siebter. Für Suzuki nicht genug: Also musste sich der Franzose abermals um einen neuen Job bemühen.

Das Effenbert-Liberty Racing Team setzte Sylvain Guintoli zur Saisonmitte 2012 auf die Straße, Foto: WorldSBK
Das Effenbert-Liberty Racing Team setzte Sylvain Guintoli zur Saisonmitte 2012 auf die Straße, Foto: WorldSBK

Unterschlupf fand er im Effenbert-Liberty Racing Team, in dem er auf seiner neuen Ducati aber schon im ersten Rennen der Saison heftig abflog und sich den Fuß verletzte. Dennoch fuhr Guintoli jedes Rennen, kam aber zu Beginn der Saison nur langsam voran. Nach einem Wildcard-Auftritt im Pramac Team auf dem Sachsenring 2011 fuhr Guintoli im Miller Motorsports Park zurück in der WSBK zum ersten Mal aufs Podest. Die Saison beendete er auf Rang sechs.

2012 feierte Guintoli im gleichen Team seinen ersten Sieg und den ersten Erfolg seiner Crew: Er gewann im verregneten Assen. Trotz des Durchbruchs musste er gleichzeitig Kritik der Effenbert-Chefs einstecken. Bis heute ist nicht klar, was genau zwischen Effenbert und Guintoli passierte, doch er wurde zur Mitte der Saison aus dem Team geworfen. Lächerlicherweise behauptete das tschechische Team danach, dass der Grund dafür seine schlechten Ergebnisse wären.

Weltmeister-Ersatz wendet das Schicksal

Das Pata Team nahm den damals 30-Jährigen auf, was Guintoli ihnen mit einem Sieg beim Team-Debüt in Silverstone direkt zurückzahlte. Mit zwei weiteren Siegen beendete er die Saison auf Platz sieben, obwohl er aufgrund des Teamwechsels zwei Rennen verpasst hatte. Während sich das Pata Team auflöste, bot ihm Aprilia für die Saison 2013 den Platz von Max Biaggi an. Auf der Maschine des Weltmeisters feierte Guintoli zwar nur einen Sieg, aber 13 weitere Podestplätze, die ihn auf Rang drei der Gesamtwertung katapultierten.

Der silberne Pfeil auf dem Weg zum Titel, Foto: Donnyfoto.com
Der silberne Pfeil auf dem Weg zum Titel, Foto: Donnyfoto.com

Trotz weiterer Verletzungen biss sich Guintoli in den letzten Jahren durch. Dass 2014 das Jahr seines Erfolges wird, dachte wohl besonders nach den beiden Rennen in Laguna Seca niemand mehr. Denn drei Rennwochenenden vor Saisonende führte Tom Sykes bereits mit 44 Punkten Vorsprung. Dank Schützenhilfe seines Teamkollegen Marco Melandri, der Guintoli im ersten Magny-Cours Rennen gewinnen ließ, konnte er das Ruder herumreißen.

Am finalen Wochenende in Katar feierte Guintoli, der seine französische Heimat schon seit Jahren verlassen hat, um mit seiner britischen Frau und seinen vier Kindern in Großbritannien zu leben, den ersten Doppelsieg seiner Superbike-Karriere und gleichzeitig den ersten Weltmeistertitel seines Lebens. "Ich widme diesen Titel meiner Frau und meinen Kindern. Es war nicht leicht, im letzten Teil der Saison an meiner Seite zu bleiben", sagte Guintoli nach seinem atemberaubenden Erfolg, den er mit Team, Kollegen, aber vor allem mit der ganzen Familie in Katar teilen durfte.