Er jubelte, er strahlte und er reckte die WM-Krone in die Höhe, wie er es in seiner Karriere zuvor bereits fünf Mal getan hatte: Max Biaggi ist zum zweiten Mal Superbike-Weltmeister. Doch zum Titel aus dem Jahr 2010 und den vier Gesamtsiegen in der 250cc-Klasse gab es einen großen Unterschied: Noch nie war es in der Endabrechnung so knapp zugegangen wie 2012. Ein Nuller im ersten Lauf und Platz fünf im zweiten Rennen von Magny Cours reichten Biaggi aber letztlich aus, um sich mit dem Minimalabstand von 0,5 Zählern den WM-Titel in der Superbike-Weltmeisterschaft zu sichern – und das mit 41 Jahren.

Herzschlagentscheidungen sind für den Römer nicht neu. Vier seiner sechs Gesamtsiege machte Biaggi erst im letzten Rennen klar. Doch auch wenn der Aprilia-Pilot scheinbar Nerven wie Drahtseile hat, verglich er sich nach dem Lauf selbst mit einem Taschenrechner. Schließlich hatte der entscheidende Sonntag alles andere als gut für Biaggi begonnen. Nach einem Vorderrad-Rutscher fand sich der Italiener, der mit dem Modell Eleonora Pedron liiert ist, zunächst im Kiesbett wieder. Dass er auch mit großem Druck und unter psychisch extrem harten Bedingungen eine überzeugende Leistung abrufen kann, bestätigte der neue Weltmeister im zweiten Lauf, als er sich mit Rang fünf das minimal notwendige Ergebnis sicherte.

Magny-Cours: Spiegelbild der Saison

Das letzte Rennwochenende wirkt dabei wie ein Spiegelbild der Saison. Zwar war der Champion von 2010 mit einem Sieg und einem zweiten Rang in Australien in die Saison vielversprechend gestartet, aber anschließend lief es nicht immer nach Plan für den ehrgeizigen Römer. Nach zwei Podiumsplätzen in Salt Lake City triumphierte der Heißsporn vor heimischer Kulisse in Misano dann gleich zwei Mal, aber nach dem miserablen Wochenende von Silverstone schwanden die Chancen auf den Titel wieder. Es war in der Saison 2012 augenscheinlich nicht das Erreichen der insgesamt elf Podestplätze, sondern eine stetige Konstanz beim Sammeln der Punkte gegenüber der Konkurrenz.

Die Zurückeroberung des WM-Titels erscheint für Biaggi nach dem durchwachsenen Jahr 2011, welches er nach einem Fußbruch noch als Dritter beendete, wie eine Genugtuung. Denn am Ende der letzten Saison sah es für den Italiener alles andere als rosig aus, schließlich hatte sich beinahe sein komplettes Team von ihm verabschiedet. "In der Tat bin ich es, der unter diesem Wechsel leidet. Nichts war von mir abhängig und unglücklicherweise muss ich die Konsequenzen tragen. Jeder kann sich vorstellen, wie hart es ist, eine neue WM-Saison zu beginnen, nur ein paar Monate Zeit zu haben, alles zu organisieren und das mit einem komplett neuen Team", hatte der erfolgreichste Aprilia-Pilot aller Zeiten Biaggi damals den Umstand kommentiert und sich dennoch große Ziele gesetzt.

Dass die Verbindung italienischer Fahrer und italienischer Hersteller als Gesamtpaket funktioniert, hatte der 41-Jährige in der Vergangenheit schon mehrfach unter Beweis gestellt. Bereits 1994 konnte Biaggi seinen ersten WM-Erfolg bejubeln. "Die 'ersten Male' sind immer etwas Besonderes und die vergisst man nie, wie meinen ersten 250ccm-Titel 1994 auf Aprilia", so der Italiener, der 1991 erstmals in der Weltmeisterschaft angetreten war und bis 1997 drei weitere Titel folgen ließ. Auch in den folgenden Jahren mischte er in der 500cc-Klasse und in der späteren MotoGP vorn mit, musste sich allerdings mehrfach nur knapp geschlagen geben. Seit 2000 waren es vor allem die Duelle mit Biaggis härtesten Rivalen Valentino Rossi, die auf und neben der Strecke für zahlreiche Aufreger in der GP-Welt sorgten.

Rivalität mit Rossi förderlich für den Sport

Besonders in Erinnerung geblieben ist den Motorsport-Fans dabei das Rennen von Suzuka, bei dem Biaggi seinen Rivalen Rossi bei Topspeed auf der Start- und Zielgeraden von der Strecke gedrängt hatte und dafür kurz darauf den ausgetreckten Rossi-Mittelfinger sah. Wenige Wochen später lieferten sich die beiden Landsleute zwischen Rennende und Siegehrung in Barcelona einen Schlagabtausch, der für Biaggi mit einer lädierten Nase endete und bis zum letzten Auftritt des Römers in der Königsklasse weitere Neuauflagen finden sollte. "Valentino war über Jahre hinweg mein Erzfeind", gesteht sich Biaggi ein.

Allerdings habe sich das Verhältnis in den letzten Jahren verbessert: "Wir sind keine Kinder mehr und respektieren heute die Arbeit des jeweils anderen. Ob es gut oder schlecht war, eines steht fest: Unsere Duelle haben dem Sport viel gegeben. Plötzlich haben Menschen die Rennen verfolgt, die vorher überhaupt nichts damit am Hut hatten."

Max Biaggi setzte sich 2012 ein weiteres Mal durch, Foto: WorldSBK
Max Biaggi setzte sich 2012 ein weiteres Mal durch, Foto: WorldSBK

Ende 2005 war das Kapitel MotoGP und damit auch der Zwist mit Rossi für Biaggi beendet. Schon während der Saison hatte der Italiener mehrfach öffentlich die Werks-Honda kritisiert. Wenig überraschend wurde sein Vertrag nach Rang fünf in der Gesamtwertung daher nicht verlängert. Trotz großer Sponsorenunterstützung fand Biaggi für die Saison 2006 weder in der MotoGP, noch in der Superbike-Weltmeisterschaft einen Platz. Nach einem Jahr Pause ging er mit dem Alstare Suzuki Corona Extra-Team an den Start und konnte am Saisonende mit 17 Podestplatzierungen eine starke Bilanz und Gesamtrang drei bejubeln.

Einem durchwachsenen Jahr beim Privatteam Sterilgarda Go Eleven und Platz sieben am Saisonende folgte die viel beleuchtete Rückkehr zu Aprilia. "Ich erinnere mich auch an 2009, als sie mich fragten, ob ich für Aprilia entwickeln und fahren will. Die RSV war komplett neu und der Enthusiasmus groß. Wir haben nie erwartet, in nur zwei Jahren den WM-Titel holen zu können", kommentierte der Vater zweier Töchter die Entwicklung von Aprilia, die nach siebenjähriger Abstinenz wieder die Herausforderung Superbike-Weltmeisterschaft angegangen waren.

Bei seinem ersten Titel für den italienischen Hersteller konnte der Bestverdiener seiner Klasse bereits zwei Rennen vor dem Saisonende alles klar machen und mit zehn Erfolgen den Gesamtsieg bejubeln. In Magny-Cours sicherte sich Biaggi nun zum zweiten Mal in seiner Karriere den Superbike-Titel. "Jetzt bin ich ganz oben und sehr glücklich darüber. Auch Tom [Sykes] hätte es verdient, hier oben zu stehen. Dieses Mal war es aber wohl einfach für mich an der Zeit, seine Zeit wird noch kommen", schätzte der AS Rom-Fan fast schon nüchtern ein.

Wird Max Biaggi auch 2013 für Aprilia starten?, Foto: WorldSBK
Wird Max Biaggi auch 2013 für Aprilia starten?, Foto: WorldSBK

Ob Biaggi auch 2013 in der Superbike-Weltmeisterschaft an den Start gehen wird, steht noch nicht fest. Eine Fortsetzung seiner Karriere um ein Jahr bei Aprilia scheint nicht unrealistisch zu sein - auch, weil der Italiener zuletzt im Rahmen der Intermot in Köln die neue RSV4 präsentiert hat. "Ich würde meine Karriere gerne bei ihnen beenden. Es ist der gegenseitige Respekt und die Zuneigung füreinander, die mich hier halten. Die vier gemeinsamen WM-Titel rücken nicht so schnell in Vergessenheit. Dennoch gibt es viele Variable. Der finanzielle Aspekt ist nicht so wichtig", hatte Biaggi bereits im August der 'Gazzetta dello Sport' zitiert.

Die Möglichkeit, dass der Römer eventuell für Ducati auf der neuen Panigale 1199 starten könnte, scheint derweil aus dem Rennen zu sein: "Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, aufzuhören. Es ist absolut sicher, dass ich weitermache, doch Ducati steht nicht auf meinem Plan. Wenn ich weiterhin für eine italienische Marke fahre, dann wird es Aprilia sein." Mit 41 noch kein bisschen müde, sondern voller Energie - egal ob und wo er 2013 fahren wird: Max Biaggi wird die Blicke immer auf sich ziehen.