Die Superbike nach Monza mit Schleudertrauma, Foto: Effenbert Liberty Racing
Die Superbike nach Monza mit Schleudertrauma, Foto: Effenbert Liberty Racing

Am Donnerstag noch feierte die Superbike mit Fahrern, Teams, Organisatoren, Sponsoren und Journalisten 25 Jahre WSBK, nur drei Tage später war es aus mit der Familien-Idylle. Oberflächlich gesehen könnte man einfach Jupiter die Schuld in die Schuhe schieben, was schickt der Wettergott auch ausgerechnet zum Jubiläum tonnenweise Regen und wechselhafte Bedingungen? Auf den zweiten Blick aber gehen die Streitigkeiten auf die Kappe der Organisation, Rennleitung und Interessenverfolgung einzelner Teams.

Nicht etwa, weil es grundsätzlich falsch ist, fünf Fahrer zu bestimmen, die bei wechselnden Bedingungen oder Regen der Rennleitung per Handzeichen deutlich machen sollen, ob gefahren werden kann oder nicht. (Beispiel Assen: Max Biaggi, Marco Melandri, Carlos Checa, Jonathan Rea und Tom Sykes). Das Problem war eher, dass das System statisch ist – in Monza wäre es besser gewesen, man hätte mehr als fünf Fahrer dazu befragt. Es gab so viele verschiedene Meinungen, dass die, die nicht einmal befragt wurden, sich schlicht übergangen fühlten und natürlich werden Entscheidungen auch nach eigenen Interesse gefällt.

Konstellationen nach dem Rennabbruch:
- Fahrer die nicht starten wollten, da sie befürchteten, dass die Regenreifen zu schnell kaputt gehen
- Reifenhersteller Pirelli, der meinte die Reifen funktionieren perfekt
- Fahrer, die kein Problem darin sahen, ein Rennen zu fahren, Bsp.: Ayrton Badovini
- Marco Melandri, der nach seinem heftigen Sturz keinesfalls wieder starten wollte
- Max Biaggi, dessen Maschine auf der Auslaufrunde kaputt ging und der von der Rennleitung gebeten wurde, mit zur Streckeninspektion zu kommen, um seine Meinung zu äußern
- Carlos Checa, der bei komplett nasser Strecke gefahren wäre, vielleicht auch, weil die Ducati dann konkurrenzfähiger gewesen wäre

Entscheidung: Das erste Rennen wurde komplett gestrichen, nachdem ein weiterer Regenschauer niederging. Der zweite Lauf wurde gestartet, allerdings erst nach langer Verzögerung, einer Weigerung der Fahrer und drei Aufwärmrunden. Nach acht Runden war allerdings Schluss, da es erneut zu regnen begann.

Der Streit um die Reifen

Gezankt wurde nicht nur in Sachen, welche Fahrer und Teams werden gefragt und welche nicht, nein, auch bei den Reifen gab es einige Diskussionen. Hersteller Pirelli hatte bereits am Samstag nach der Superpole die Nase voll. "Wir hatten den Teams und Fahrern empfohlen, Intermediates zu verwenden, unsere Empfehlung wurde durchweg ignoriert", sagte Giorgio Barbier, Renndirektor von Pirelli Moto.

Fahrer- und Pirelli Meinungen gingen weit auseinander, Foto: WorldSBK
Fahrer- und Pirelli Meinungen gingen weit auseinander, Foto: WorldSBK

Der Grund für die Empfehlung waren die zwei langen Geraden von Monza, die trocken waren, während in den Schikanen das Wasser stand. Entgegen den Hinweisen von Pirelli entschieden sich die Fahrer für Regenreifen, die allerdings auf den Geraden keinerlei Kühlung erhielten. "Die Reifen funktionieren ausgezeichnet mit einer Betriebstemperatur von 50-60°C, aber durch die Fahrt auf den trockenen Geraden kamen sie auf Temperaturen von 200°C, was sie schlicht zerstört hat."

Während Barbier betont, dass es mit den Regenreifen weder in der Superstock 1000 noch in der Supersport Probleme gegeben habe und er nicht verstehe, warum sich die Superbike Fahrer derartig Mädchenhaft anstellten, muss allerdings folgendes für Lauf 1 in Betracht gezogen werden:

Nach dem Abbruch des ersten Rennens herrschten aufgrund des einsetzenden Regens Streckenverhältnisse wie in der Superpole. Monza war zu nass für Slicks, aber auch zu trocken für Regenreifen. Zudem gibt es auf der Traditionsstrecke in den einzelnen Sektoren verschiedene Beläge, bei Feuchtigkeit oder Nässe ist die Reaktion der Reifen und das Gefühl der Fahrer also jeweils anders und: Monza ist die schnellste Strecke im Kalender, es werden Geschwindigkeiten um die 330km/h erreicht.
Egal für welchen Reifen ein Fahrer sich entschieden hätte, es wäre ein Risiko gewesen. Nun gehört dies im allgemeinem zum Rennsport, doch angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen scheinen alle vorsichtiger. In Australien verunglückte Oscar McIntyre beim Rennen der nationalen Serie tödlich, bei den Testfahrten in Imola stürzte Joan Lascorz schwer - sein Zustand war wochenlang kritisch - und beim Rennen in Assen erwischte es Brett McCormick (Effenbert), der mit Wirbelbrüchen ohne Folgen für das Nervensystem davon kam.

Alles zusammen genommen führten diese Umstände dazu, dass die Fahrer bei diesen Bedingungen mit Hinweis auf die Reifenhaltbarkeit nicht fahren wollten. Carlos Checa änderte seine Meinung, nachdem die Strecke komplett unter Wasser stand: "Als es richtig zu regnen begann, war ich bereit, ein Rennen zu fahren, mit zwei Regenreifen und Nassabstimmung. Doch die Rennleitung entschied, das Rennen komplett zu streichen."

Vielleicht auch, weil es den Zeitplan des Superbike-Sonntags noch mehr durcheinander gebracht hätte, doch viele Fahrer sagten: "Es war die richtige Entscheidung".

Danke, dass du mich regierst

Mit dem Wort Entscheidung hatte aber besonders das Effenbert Liberty Racing Team ein großes Problem und die Tschechen scheuten sich nicht davor, ihrem Ärger am Abend in der Pressemitteilung Luft zu machen. Entscheidungen über Rennen ja oder nein, werden nämlich nur von einer Minderheit von fünf ausgewählten Fahrern getroffen. In der Superbike wird eben nicht jeder gefragt. So wurde aus dem Jahrestag, einer der 'schlimmsten in der Geschichte der WSBK'.

Zitat Effenbert Liberty Racing: "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass heute einer der schlechtesten Tage in der Geschichte der WSBK war, was Respektlosigkeit sowohl für die Öffentlichkeit, als auch für Teams wie Effenbert betrifft, die so viel in den Sport investieren."

"Es ist nicht akzeptabel, dass tragende Entscheidungen mit einer Oberflächlichkeit getroffen werden, wie es sie nicht einmal in der Roller-Meisterschaft geben würde. Dies hat verdeutlicht, dass in der WSBK nur eine Handvoll von Teams und Fahrern das Sagen haben."

Effenbert ist erst seit zwei Jahren in der Superbike, allerdings war man von Beginn an gut dabei und 2012 schaffte Sylvain Guintoli in Assen den ersten Sieg und die Superpole in Monza. Dennoch droht das Teammanagement, die weitere Teilnahme in der WSBK überprüfen zu wollen.

Nach dem Monza Wochenende scheint die Idylle auf jeden Fall dahin und es schwelen einige kleine Brände, die besser durch ein paar ernsthafte Gespräche gelöscht werden sollten, anstelle sie zu ignorieren. Denn der nächste Regen kommt bestimmt und ein ähnliches Debakel wie in Monza dürfte dem Superbike Image extem schaden.