Klaus, Du warst mehrfacher Deutscher und Europameister im Hovercraft. Wie bist Du zu diesem Sport gekommen?
Klaus Bönighausen: Ein Freund meines Bruders fuhr damals in der Formel 2-Klasse. Als 18-Jähriger fuhr ich zu einem Rennen nach Freiburg, um mir die Action einmal live anzuschauen. Dass man mit einem Gefährt so schnell über Land und Wasser fahren kann, hat mich total fasziniert. Nur vier Wochen später stand ich bei einem Rennen in Belgien bereits am Start. Wir kauften damals ein gebrauchtes Boot und machten es wieder wettbewerbsfähig - dafür musste ich mein Motorrad verkaufen, aber es hat sich gelohnt.

Was macht für Dich den großen Reiz am Hovercraft fahren aus?
Klaus Bönighausen: Es ist eben das einzige Fahrzeug, das sowohl über Wasser als auch an Land fährt und außerdem eine Sportart, die nicht Jeder macht. Ein weiterer großer Reiz: wir haben keine Bremsen, sondern sind ein Mittelding aus Flugzeug, Boot und Jetski. Es ist schwierig, Hovercrafts mit irgendetwas zu vergleichen - es ist einfach eine außergewöhnliche und spektakuläre Sportart. Es ist schon faszinierend, wenn du ein Formel-1-Boot von 0 auf 100 in nur vier Sekunden beschleunigst.

Der große Unterschied zum Automobilsport?
Klaus Bönighausen: Keine Reifen, keine Bremsen, keine Bodenhaftung. Ein vielleicht passender Vergleich, um sich das Fahren besser vorstellen zu können: Hovercraft fahren ist ein wenig wie Rallye auf Eis, nur, dass das Auto nicht aufsteigen will. Bei einem Hovercraft mit 200 kg Gewicht kann Wind schon ein richtiges Problem darstellen. Der wohl größte Unterschied zum Auto sind die fehlenden Bremsen. Wenn wir bremsen, müssen wir das per Gewichtsverlagerung tun.

Der Fahrer ist also physisch richtig gefordert.
Klaus Bönighausen: Auf jeden Fall. Man kann sagen, dass 50 Prozent des Fahr- und Lenkverhaltens vom Fahrer abhängen.

In einfachen Worten: wie funktioniert das Prinzip der Hovercrafts?
Klaus Bönighausen: Wir haben eine flache Platte mit Schürzen drum herum, die unten offen sind. Die Schürzenspitzen schließen den Hohlraum zwischen der Platte und dem Boden. Mit einem Motor wird Luft unter eben diese Platte gebracht und durch den Luftdruck wird die Platte nach oben gedrückt. Die Schwebhöhe beträgt 15 bis 20 cm. So können wir über so ziemlich alle Untergründe fahren, die glatt sind: Eis, Asphalt, Gras und Wasser zum Beispiel. Das Leergewicht eines Formel-1-Bootes beträgt 170 bis 200 kg, der Topspeed liegt bei 180 km/h.

Reine Action, Foto: Susanne Bösche
Reine Action, Foto: Susanne Bösche

Bei 180 Sachen ist Schluss?
Klaus Bönighausen: Rein vom Schub her wäre noch mehr drin. Allerdings erreichen wir bei 180 eine physische Grenze, weil wir das Boot dann nicht mehr unten halten können. Wir heben ab - wie eine Briefmarke im Wind. Mit einem richtig ausgeklügelten Flügelsystem, das in dieser Situation mehr Downforce generiert, könnten wir auch noch schneller fahren. Der Rennschnitt liegt bei 80 bis 120 km/h, je nach Streckenlayout.

Bei hohen Geschwindigkeiten fühlt sich Wasser an wie Beton...
Klaus Bönighausen: Ja, das ist mega-hart! Es kommt auch darauf an, wie man aufschlägt und ob das Boot vielleicht sogar auf dem Fahrer landet, wir sind ja nicht angeschnallt. Schutzkleidung, Helm und Protektoren schützen uns bei Unfällen. Ein Beispiel für einen Unfall: wenn der Wind auf langen Geraden von hinten bläst, kommt es zum so genannten Plow-in. Sprich: der Luftdruck im Kissen reicht nicht aus, um das Boot gerade zu halten. Das Boot kann dann vorn leicht im Wasser eintauchen, was einer Bremsung von 120 auf 0 in einer Sekunde gleichkommt.

Wasser oder Land - was macht mehr Spaß?
Klaus Bönighausen: Die meisten Rennfahrer bevorzugen Wasser, denn dort reiben die Schürzen quasi nicht auf dem Untergrund. Deshalb werden die höchsten Geschwindigkeiten auf dem Wasser erzielt. Ich selber fahre jedoch lieber über Land.

Und das auch gern mal spektakulär. Fürs Fernsehen hast Du dir mal ein hartes Duell mit Renn-Lady Sabine Schmitz geliefert. Worum ging es da genau?
Klaus Bönighausen: Da gibt es diese TV-Sendung, in der Sabine gegen alle möglichen Fahrzeuge antritt. Sie war auf einem Subaru Impreza-Rallyeauto unterwegs, ich auf dem Hovercraft. Zuerst fuhren wir ein Rennen auf Asphalt und dann noch einmal auf dem für das jeweilige Fahrzeug typischen Untergrund; ich also über Wasser und Land, sie über Schotter und Asphalt. Das war eine enge Kiste zwischen uns beiden! Auf der zweiten Strecke hatte sie nach drei Runden knapp eine Wagenlänge Vorsprung, ähnlich lief es auch beim Asphalt-Rennen. Beim Start ließ ich sie stehen, weil ein Hovercraft ja keine Traktion benötigt, während sie die Kraft des Autos erst einmal auf die Straße bringen musste. Dafür hatte ich mit Wind zu kämpfen, der hat mich etwas von der Strecke getragen. Das war eine wirklich spannende Challenge.

Dann war da noch das MotoGP-Wochenende auf dem Sachsenring 2011. Da hast Du Hovercraft-Chauffeur für Stefan Bradl, Sandro Cortese und Co. gespielt. Hat es den Jungs Spaß gemacht oder hatten sie gar Angst?
Klaus Bönighausen: Das war schon eine lustige Geschichte. Die MotoGP-Verantwortlichen haben uns gesagt, 'Die Jungs können Motorrad fahren, lass die doch mal dein Hovercraft fahren'. Wir haben Bradl, Cortese und Hayden aber erst einmal in einem Formel-1-Boot als Passagiere mitgenommen, damit sie sich einen Eindruck verschaffen konnten. Anschließend meinten sie, 'Da fahren wir lieber nicht selber, das ist uns zu heftig'. Stattdessen fuhren sie unser Formel-2-Boot mit rund 120 PS Schubkraft weniger. Bradl hat das wirklich sehr gut gemacht, Cortese ist in die Boxenmauer gefahren - zum Glück verletzte er sich nicht. Ich denke, dass die Jungs vom Hovercraft fahren begeistert waren.

Wie sieht es mit den Kosten aus?
Klaus Bönighausen: Motorsport ist im Grundsatz teuer. Es kommt darauf an, welches Niveau man anstrebt. Als Anfänger bekomme ich für 5.000 bis 10.000 Euro ein gutes Einstiegsmodell, mit dem die Lizenz in der Novizen-Klasse erworben werden kann. Nach oben gibt es keine Grenzen, schließlich muss auch die Logistik mit Mechanikern, Fahrern, Betreuern und so weiter stimmen. Ein gut ausgestattetes Formel-1-Boot kostet rund 50.000 Euro, je nach Ausstattung können es auch schnell mal 100.000 Euro werden.

Wie professionell ist der Hovercraft-Sport organisiert?
Klaus Bönighausen: Wir haben ganz normale Strukturen in Deutschland. Es gibt Ortsklubs, dann fährt man für den Motorsportclub. Diese sind an den Dachverband HVD angeschlossen. Natürlich gibt es europaweite Strukturen, jedes Land hat seinen Dachverband. Diese European Hovercraft Federation ist wiederum an den Weltverband WHC angeschlossen. In Deutschland gibt es derzeit 30 bis 50 mehr oder weniger regelmäßige Hovercraft-Fahrer, in Europa rund 2000. Im Hovercraft-Sport gibt es sechs unterschiedliche Formel-Klassen mit bestimmten Reglements, in denen man kontinuierlich aufsteigen kann.

Braucht man einen speziellen Führerschein?
Klaus Bönighausen: Nein, man braucht überhaupt keinen Führerschein. Es gibt eine nationale Lizenz, mit der man in Europa Rennen fahren kann - diese ist nicht, wie bei manch anderen Motorsportarten, an den Führerschein gekoppelt. Man muss nur schwimmen können.

Wie sieht es mit Sponsoring aus? Ist es schwierig, Geldgeber zu finden?
Klaus Bönighausen: Die Profi-Teams finden schon Sponsoren. Hovercraft ist einfach etwas Anderes und eben nicht das zehnte Motorrad. Für Geldgeber können wir besondere Events anbieten, das macht es interessant: ich fuhr beispielsweise schon durch den Münchner Olympiapark und vor einem Fußball-Bundesligaspiel auf dem Stadionrasen.

Bei den Rennen geht es eng zu, Foto: Susanne Bösche
Bei den Rennen geht es eng zu, Foto: Susanne Bösche

Dieses Jahr kehrt die WM nach Deutschland zurück...
Klaus Bönighausen: Genau. Wir haben es geschafft, die Weltmeisterschaft nach Deutschland zurückzuholen. Diese steigt vom 12. bis 16. September in Saalburg auf Deutschlands größtem Stausee, dem Bleilochstausee. Die WM findet alle zwei Jahre in einem anderen Land statt.

Was genau gibt es dort zu sehen?
Klaus Bönighausen: Wir bieten eine Woche lang Spektakel. Von der großen Eröffnungsfeier bis hin zur Möglichkeit, in einem Formel-1-Zweisitzer mitzufahren. Der Besucher kann den Hovercraft-Sport hautnah mitzuerleben. Wenn 30 Boote gleichzeitig ins Rennen gehen, ist das Action pur und die Geräuschkulisse ist wie bei anderen Motorsport-Events. Wir öffnen mehrmals täglich das Fahrerlager, damit die Zuschauer auf Tuchfühlung mit den Piloten gehen können.

Wie läuft der Renn-Modus?
Klaus Bönighausen: Alle Klassen fahren Sprint-Rennen, inklusive Training und Qualifying. Es gibt sechs Läufe, täglich zwei pro Formelserie. Die Rennen gehen über 8 bis 15 Runden, je nach Streckenlänge. In jedem Lauf gibt es Punkte zu holen, diese werden am Schlusstag addiert und so der neue Weltmeister ermittelt.

Kommt es während der Rennen eigentlich auch zu Kollisionen?
Klaus Bönighausen: Ja, das kommt vor, vor allem, weil wir keine Bremsen haben oder man sich leicht mit dem Wind verschätzen kann. Beim Start kann es zum Gerangel kommen, da wir jedoch keinen Bodenkontakt haben, macht das nichts. Während des Rennens kann es auch zu Remplern kommen, wir haben teilweise sehr harte Kämpfe. Vor allem die Engländer und Australier gehen gern hart zur Sache. Bei hohen Geschwindigkeiten kann schon eine Menge passieren, aber das ist eben echtes Racing.

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