KTM - drei Buchstaben, die längst zum Inbegriff kerniger Offroad-Geschosse auf zwei Rädern geworden sind. Im vergangenen Jahr fasste der österreichische Hersteller aber auch im internationalen Straßensport wieder so richtig Fuß. In der Moto3-Klasse bejubelte KTM gemeinsam mit Sandro Cortese den ersten Titel in der Fahrer-WM, zum Drüberstreuen reichte es für die Österreicher auch zum Triumph in der Konstrukteurs-Wertung - nach 2005 zum zweiten Mal.

Redakteur Michael Höller durfte nicht nur die heiligen Hallen besichtigen..., Foto: adrivo Sportpresse
Redakteur Michael Höller durfte nicht nur die heiligen Hallen besichtigen..., Foto: adrivo Sportpresse

Im beschaulichen oberösterreichischen Örtchen Munderfing (2.757 Einwohner) steht seit rund einem Jahr das orangene Herzstück der Motorsport-Bemühungen von KTM Factory Racing. Auf 3.500 Quadratmetern arbeiten über 60 Leute an der Konzeption, Entwicklung und dem Aufbau der zukünftigen Einsatzfahrzeuge auf Asphalt, Schotter oder Sand.

Unzählige Motorräder wurden hier in den ersten Monaten dieses Jahres aufgebaut und machten sich von dem kleinen Städtchen aus in alle Welt auf zu den Einsatzteams. Etwa zu Aki Ajo und seinem Moto3-Rennstall, zu spanischen Talenten wie Maverick Vinales oder Alex Marquez, aber auch in die Offroad-Werkstätten in Belgien oder Italien, wo diverse Motocross- und Enduro-Einsätze vorbereitet werden. Einige Motorräder schafften von hier aus sogar den Sprung über den Großen Teich, wo KTM seit eineinhalb Jahren mit Stars wie Ryan Dungey oder Ken Roczen die Supercross-Szene gehörig aufmischt.

Alleine rund 70 Maschinen und fast 150 Motoren für den Grand-Prix-Sport setzte KTM in den Wintermonaten in Munderfing zusammen. Von den Production-Racern für die diversen nationalen Meisterschaften bis hin zu den reinrassigen Werksmaschinen für die Moto3. "Da reisen die Teams mit ihren Trucks und ihrem Werkzeug an, wir bauen die Motorräder gemeinsam auf und nach zwei Tagen sind sie wieder weg", erklärt Technikchef Wolfgang Felber, der seit 31 Jahren beim österreichischen Hersteller beschäftigt ist. Die Anzahl der KTM-Bikes in der kleinsten Klasse der Motorrad-WM stieg in dieser Saison von fünf auf acht. Anfragen erhielt man - ob der Erfolge im letzten Jahr - weit mehr. "Wir konnten uns quasi die besten Fahrer und Teams aussuchen", sagt Felber stolz. Diese indirekte Anerkennung ist der Lohn für die harte Arbeit in den vorangegangenen Jahren. Erste Experimente für die Konzeption liefen bereits im Herbst 2010 an. "Da sind wir grundsätzliche Basistests gefahren, haben mit der Kühlergröße gespielt, Vibrationen gemessen und solche Dinge", führt der Technikchef aus.

...sondern auch mit Wolfgang Felber sprechen, Foto: adrivo Sportpresse
...sondern auch mit Wolfgang Felber sprechen, Foto: adrivo Sportpresse

"Anfang 2011 ließ ich den ersten Konstrukteur beginnen, im August war der Motor das erste Mal auf dem Prüfstand und einen Monat später gab es den ersten richtigen Test", so Felber weiter. Damit war die Arbeit aber noch lange nicht zu Ende: "Im vergangenen Jahr sind wir mehr oder weniger mit einem Experimental-Motorrad gestartet, weil es eine völlig neue Klasse war und wir uns größtmögliche Freiheit lassen wollten, um etwa auch die Geometrie verbessern zu können. Insgesamt hat es dann über das ganze Jahr drei große Updates gegeben." Auf den Erfahrungen des letzten Jahres wurde das Motorrad für 2013 komplett neu gestaltet - ab den Sommermonaten ein fließender Prozess, der parallel zur Titeljagd bewältigt werden musste. "Es war brutal und ist im Winter noch brutaler geworden", sagt Felber. "Es kristallisiert sich bis Juni oder Juli heraus, wie das Motorrad für nächstes Jahr ausschauen soll. Und ab dann brennt der Hut. Die Konstruktion, die Beschaffung der Teile, die Tests und dann noch die ganze Logistik, damit du genug Ersatzteile hast. Jedem von uns hängt jetzt noch die Zunge heraus", meint das KTM-Urgestein.

Aktuell geht es in Munderfing wieder etwas ruhiger zu. Die neue Motorrad-Generation ist bereits an den Rennstrecken, die Planungen für 2014 laufen erst in einigen Wochen an. Während der Saison sind die Hallen der Motorsport-Fabrik ohnehin fast leer. Nur die abgestellten Trucks, eifrige Mechaniker und aufgebockte Dakar-Maschinen zeugen davon, dass man sich mitten im orangenen Rennherz befindet. Da wäre etwa das Dakar-Servicefahrzeug, das erst im Januar quer durch Südamerika Marc Coma bei seinem fünften Triumph für KTM beim Klassiker Geleitschutz gab. Beim Besuch des Motorsport-Magazins gleicht der Truck nur einem stählernen Gerüst. Er wird gerade umgebaut, weil die Mechaniker-Crew neue Vorstellungen von einer optimierten Lagerung des umfangreichen Werkzeugsatzes hätte, heißt es. Eine Halle weiter steht auch der neue Moto3-Servicetruck frisch lackiert und wartet blitzsauber auf seinen allerersten Einsatz. Erstmals wird das mit österreichischem Kennzeichen beflaggte Gefährt den KTM-Piloten während den elf Europarennen der Motorrad-WM eine zentrale Anlaufstelle für ihre Anliegen bieten. Mit an Bord: Drei "Verbindungsmänner" - quasi die Augen und Ohren von KTM an der Rennstrecke, welche die Zentrale in Österreich mit den wichtigsten Informationen versorgen.

Simulatoren auch in Oberösterreich

Technikchef Felber verschlägt es nämlich nicht mehr oft in die Boxengasse, dafür hat er Männer wie Konrad Hefele, der seinen Arbeitsplatz künftig im brandneuen KTM-Truck hat. "Wir sind bei den Rennen mit einem Ersatzteile-Kontingent vor Ort, müssen aber auch die Daten der Teams sammeln und bei jeglichen Problemen mit Rat und Tat zur Seite stehen", erklärt der Deutsche seine Aufgabe. Vor allem gehe es aber um die Versorgung der Motorsport-Zentrale mit den wichtigsten Daten für künftige Entwicklungen der Factory-Bikes. "Wir verfolgen die Fahrerkommentare, der Rest läuft über die klassische Datenanalyse", führt Hefele aus.

Am Bildschirm wird mittlerweile auch ein Großteil der Entwicklungsarbeit in Munderfing erledigt. "Wir sind in dieser Hinsicht sehr modern unterwegs und arbeiten viel mit Simulationen", so Felber. "Wenn du es richtig angehst, ist das kein extra Aufwand, weil du dir dadurch viel empirisches Testen ersparst. Beim Motor etwa kennst du die Performance schon im Vorhinein exakt. Aber auch was das Fahrwerk oder die Aerodynamik betrifft, kannst du schon extrem viel sehr genau simulieren. Im Windkanal siehst du ja nur, ob etwas funktioniert oder nicht funktioniert, wir wollen aber immer wissen, warum das so ist und wie es besser ginge."

Immer wieder wurde KTM mit einem Einstieg in die Superbike-WM in Verbindung gebracht. Aus technischer Sicht macht das aktuell für Felber wenig Sinn: "Dazu müsste man die RC8 neu auflegen, um die richtige Basis zu haben, denn im Grunde muss bei den Superbikes der Impuls für die Serienmotorräder aus dem Rennsport kommen und nicht umgekehrt." Auch personell würde der Start eines WSBK-Projekts aktuell den Rahmen sprengen. "Für ein professionelles Engagement müssten wir die Moto3-Truppe quasi spiegeln und eine Mannschaft mit 20 bis 22 kompetenten Leuten aufbauen. All das würde wahrscheinlich eine Vorlaufzeit von zwei bis drei Jahren benötigen", so Felber.

"Wir tendieren bei KTM ohnehin immer dazu, uns zu viel vorzunehmen", meint der Technikchef mit einem Lächeln im Gesicht. Der Erfolg gibt KTM allerdings Recht: 20 WM-Titel konnte der Hersteller im Vorjahr quer über alle Motorrad-Kategorien absahnen. Das sticht Besuchern der Rennsport-Fabrik im Eingangsbereich sofort an einer Art "Wall of Champions" ins Auge. In einem kleinen Seitenraum bewahrt man zudem ausgemusterte Sieger-Maschinen, etwa von Marc Coma, Mika Kallio oder auch Cortese, in einer Art provisorischem Museum auf. Längst ist dieses viel zu klein, um tatsächlich jedes siegreiche Bike in Szene zu setzen. Überhaupt ist das erst vor einem Jahr bezogene Herzstück des orangen Rennsports in Munderfing fast schon wieder zu klein für das umfangreiche und sich ständig ausweitende Engagement. Vor kurzem musste in der Halle der Moto3-Ingenieure bereits die erste Zwischendecke eingezogen werden.

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