Die IndyCar-Saison 2011 hatte wirklich alles, was den Motorsport ausmacht - Spannung, Kontroversen, Tempo, Triumphe und ein fesselndes Titelduell... jedoch auch eine Tragödie - und diese stellte alles in den Schatten. Beim Saisonfinale in Las Vegas demonstrierte sich die gefährliche Seite des Sports auf grausame Weise und das Rennfahren zeigte wieder einmal sein hässliches Gesicht.

Der Horror im Spielerparadies war nicht nur ein gerade einmal wenige Sekunden dauernder Massencrash ungeahnten Ausmaßes am 16. Oktober - es war das was folgte: Die Nachricht vom Tode eines der größten Champions der US-amerikanischen Formel-Szene und die Erkenntnis, dass der Motorsport auch heute bei weitem nicht so sicher ist, wie sich Fans, Fahrer und Verantwortliche das gerne einreden.

Triumph & Tragödie

Einen Freund verloren: Dario Franchitti war der Titel nach Dan Wheldons tödlichem Unfall in Las Vegas völlig egal, Foto: Sutton
Einen Freund verloren: Dario Franchitti war der Titel nach Dan Wheldons tödlichem Unfall in Las Vegas völlig egal, Foto: Sutton

Im Nachhinein ist es die Ironie des Schicksals, dass man vorab keinerlei Zweifel daran ließ, dass sich die Serie im letzten Jahr mit dem alten IndyCar-Chassis beim Finale mit einem großen Knall verabschieden wollte. Tragischerweise gelang dieses Vorhaben. Eine bisher nie dagewesene Siegesprämie von fünf Millionen Dollar war im Vorfeld ausgeschrieben worden. Mit ihr hatte man das größte Starterfeld außerhalb eines Indy 500 angelockt - hinzu kam ein elektrisierendes Duell um den Titel. Dario Franchitti und Will Power schenkten sich 2011 gar nichts. Doch am Ende war die Entscheidung, die Show und der Glamour allen egal.

Die Rennsport-Gemeinde weinte kollektiv um Dan Wheldon - ausgerechnet um den Mann, der das neue Dallara-Chassis für 2012 als Testfahrer maßgeblich entwickelt und somit für die Zukunft die Verbesserung der Sicherheit gewährleistet hatte. Dass an Wheldon bei der Betrachtung des Jahres 2011 kein Weg vorbei führt, hatte aber noch mehr Gründe. Im Mai konnte der Brite bereits zum zweiten Mal die legendären Indianapolis 500 gewinnen. Nach dem Triumph bei seinem ersten Saisoneinsatz kannte der Jubel keine Grenzen. Wohl auch, weil er unverhoffter nicht hätte kommen können.

Auf dem Weg zum großen Indy-Triumph: Noch im Mai war Dan Wheldon ganz oben, Foto: IndyCar
Auf dem Weg zum großen Indy-Triumph: Noch im Mai war Dan Wheldon ganz oben, Foto: IndyCar

2011 war auch ein Jahr voller denkwürdiger Highlights und die letzte Kurve von Indianapolis war definitiv eines davon. Rookie JR Hildebrand sah beim Klassiker bereits wie der sichere Sieger aus, ehe er in der allerletzten Kurve des Rennens bei einem Überrundungsversuch doch noch einen Fahrfehler beging und außen in die Mauer einschlug. Die Zuschauer trauten ihren Augen nicht, genauso wenig wie Wheldon, der wenige Meter vor dem Ziel noch am Unglücksraben vorbei ging und sich anschließend überschwänglich feiern lassen durfte.

Abseits des Phänomens Indy, war die Saison sportlich und auf dem Papier genauso losgegangen, wie sie endete: Mit Dario Franchitti an der Spitze. Der schottische Titelverteidiger siegte beim Auftakt in St. Petersbeurg vor Will Power - die Marschrichtung in Sachen Meisterschaftsduell war also ab dem ersten Rennen klar, zumal Power beim zweiten Lauf in Alabama instantan mit seinem ersten Saisontriumph antwortete.

Zweikampf an der Spitze

Ein ganz heißes Duell: An der Spitze führte 2011 an Dario Franchitti und Will Power kein Weg vorbei, Foto: Sutton
Ein ganz heißes Duell: An der Spitze führte 2011 an Dario Franchitti und Will Power kein Weg vorbei, Foto: Sutton

Beim Grand Prix auf den Staßen von Long Beach holte sich Mike Conway überraschend seinen langersehnten Pemierensieg in der IndyCar-Serie, doch schon beim folgenden Südamerikaauftritt in Sao Paulo, war mit Power wieder ein alter Bekannter zurück an der Spitze. Nach der langen Indy-Pause, in der sich die beiden Titelanwärter im Rennen auf dem Brickyard mit den Plätzen 12 und 14 überdies nicht gerade mit Ruhm bekleckerten, spitzte sich der Kampf um die Krone langsam zu. Bei den beiden Läufen in Texas gewann einmal Franchitti, einmal Power und nachdem es auch zu Jahresmitte bei den zwei Kanada-Rennen in Toronto und Edmonton salomonisch auf dem Siegerpodest zuging, war vor allem Konstanz entscheidend.

Hier hatte Franchitti bereits in den ersten Saisonrennen die Nase vorne gehabt und während Power mit P20 dann auch noch in Mid Ohio schwächelte, schnappte sich der Ganassi-Pilot hinter Scott Dixon die wertvollen Punkte für den zweiten Platz und führte die Tabelle bereits mit ganzen 62 Zählern an. Power wollte jedoch nicht aufgeben und den Titel schon wieder verlieren, wie das auf Grund seiner oftmals zu schwachen Performance auf Oval-Kursen bereits in den Vorjahren der Fall gewesen war.

Spannender Schlussspurt

Zwar kostete den Penkse-Star die kontroverse Schlussphase in New Hampshire weitere Punkte - die Rennleitung hatte die Fahrzeuge gegen Bitten der Fahrer auf regennasser Fahrbahn noch einmal auf die Piste geschickt - doch angespornt von seiner Wut über die unfaire Entscheidung ließ der Australier eine eindrucksvolle Serie folgen, die in den beiden Triumphen von Sonoma und Baltimore gipfelte. Während Franchitti im Schlussspurt etwas seiner Form hinterherfuhr, setzte Power mit dem zweiten Rang in Motegi sogar noch einen drauf und fand sich gerade einmal zwei Rennen vor Schluss auf einmal in Führung im Gesamtklassement wieder.

Die Katastrophe von Las Vegas machte sprachlos, Foto: Sutton
Die Katastrophe von Las Vegas machte sprachlos, Foto: Sutton

Mit einer herausragenden Pole-Position in Kentucky untermauerte der Penske-Faher anschließend seine Ambitionen. Im Rennen ging jedoch so ziemlich alles schief. Ein Missverständnis mit Nachzüglerin Ana Beatriz beendete in den Boxen seine Siegchancen und gleichermaßen auch schon fast alle Titelträume. Power reiste mit 18 Punkten Rückstand auf Franchitti zum Finale nach Las Vegas - wohl wissend, dass sein Rivale im Gegensatz zu ihm als ausgewiesener Oval-Spezialist gilt. Am Ende waren alle Rechenspiele und möglichen Szenarien ohnehin hinfällig, denn nach fünf Runden schlug das Schicksal zu.

Nach der Verkündung der schlimmsten aller Nachrichten wurde der letzte Saisonlauf abgebrochen und Franchitti war Meister, wenngleich dieser Umstand im Tränenmeer der Wüste Nevadas völlig unterging. Der vierte Titel in fünf Jahren war der mit Abstand traurigste für den Schotten und er würde ihn mit Sicherheit eintauschen, könnte er so seinen unvergessenen Freund zurück ins Leben holen - den beliebten Strahlemann aus Emberton in Großbritannien, der dieses Jahr prägte, wie kein Anderer.