Es wurde gegrübelt, investiert, getestet, gebalanced. Doch auch unmittelbar vor den 24 Stunden von Daytona stehen zu viele Fragezeichen in den Gesichtern von Teamchefs, Funktionären, Fahrern und Fans als dass sich irgendwer sicher sein kann, dass alles wie gewünscht funktioniert. Die amerikanische Öffentlichkeit schaut mit Argusaugen auf die neue Einheits-Sportwagenrennserie bei deren wichtigstem Rennen, es gibt weder Netz noch doppelten Boden. Der Roar before the Rolex 24-Test hatte massive Schwächen im Balancing fast aller Klassen ans Tageslicht geführt und sämtliche Änderungen sind ein Schuss ins Blaue.

Die USCC stieß bei den Teams auf gigantisches Interesse. Sage und schreibe 67 Autos umfasst die offizielle Nennliste. Damit werden die 24 von Daytona 2014 eines der größten Autorennen aller Zeiten. Rein theoretisch sieht alles sehr gut aus, doch selten ist ein Projekt mit derart hohem Risiko angegangen worden. Aber ganz nach amerikanischer Mentalität nimmt die IMSA dieses Risiko gerne in Kauf. Sollte das Rennen spannend werden, könnte der USCC eine großartige Zukunft bevorstehen. Die 24 Stunden von Daytona werden für die Rennserie selbst eine ebenso große Bewährungsprobe wie das Rennen für die Teams. Sportlich wird die Hatz ein absoluter Leckerbissen, wie der Ausblick zeigt.

Prototypen: Kriegen die LMP2 ihre Chance?

Mit dem Diesel-Mazda wird in Daytona noch nicht zu rechnen sein, Foto: IMSA
Mit dem Diesel-Mazda wird in Daytona noch nicht zu rechnen sein, Foto: IMSA

In der P-Klasse zeichnete sich schnell ab, dass die DPs viel zu schnell gemacht wurden. Dank umfangreicher Änderungen beim Balancing erhofft sich die IMSA ein ausgeglichenes Rennen zwischen LMP2, DPs und dem DeltaWing, wobei Letzterer eher Außenseiterchancen hat. Viel hängt vom BoP ab: Haben die Änderungen ihren Zweck erfüllt? Sind die DPs immer noch zu schnell, oder hat sich das Blatt ins Gegenteil gewendet? Oder war der Bildschuss ein Volltreffer? Die Nennliste lässt keine Wünsche offen: Die Siegerteams der letzten Jahre treffen mit ihren umgerüsteten, monströsen Daytona Prototypen auf die Meister aus ALMS und WEC. Viel Prominenz aus IndyCar und Nascar ist traditionell am Start.

Das Rennen ist absolut unvorhersehbar, nicht selten haben kleinere Teams völlig überraschend gewonnen. Wenn man überhaupt einen Favoriten ausmachen kann, dann wären es die Fahrzeuge von Chip Ganassi Racing, die aber anders als in den Vorjahren nun mit Ford-Power unterwegs sind. Auch auf Juan Pablo Montoya muss Ganassi verzichten. Den stärksten Eindruck bei den Testfahrten hinterließen die Mannen von Action Express Racing, die zwei Corvette DP an den Start bringen. Ebenfalls zu beachten ist das Team Spirit of Daytona; auf dem Corvette DP sitzt unter anderem der amtierende DTM-Champion Mike Rockenfeller.

Die Favoriten-Liste müsste hier geschlossen werden, wenn da nicht die neuen Regeln wären, nach denen auch LMP2-Autos um den Sieg fahren dürfen. Doch nach Daytona haben es nur vier Fahrzeuge nach ACO-Regularien geschafft: Die amtierenden ALMS-Meister von Pickett Racing betreten mit dem Oreca 03 Neuland, die WEC- und AsLMS-Champions Oak Racing bringen einen Morgan-Nissan an den Start. Trotzdem dürfte die Favoritenrolle bei den P2 in den USA verbleiben: Bei den Testfahrten waren die HPD ARX-03b von Extreme Speed Motorsports die Schnellsten Nicht-DPs. Ob sie damit auch für den Gesamtsieg in Frage kommen, hängt einzig und allein vom BoP ab.

Die härteste GT-Schlacht aller Zeiten

Der Kampf der fünf Marken aus der ALMS wird nochmals angeheizt: Zu den Werksteams von BMW, Corvette und SRT hat sich nun auch Porsche mit einer eigenen US-Werksabordnung gesellt. Um die GT-Schlacht auf den Siedepunkt zu bringen, hat darüber hinaus Aston Martin Racing einen Werks-Vantage nach Daytona geschickt. Zusammen mit dem Ferrari 458 Italia von Risi Competizione sind damit sämtliche auf der Welt erhältlichen GTE-Fahrzeuge mit absoluten Topmannschaften am Start. In dieser Klasse ist damit zu rechnen, dass auch nach 24 Stunden ein halbes Dutzend Fahrzeuge innerhalb weniger Sekunden die Zielflagge sehen wird.

Fünf Marken sind zu wenig? Bitteschön, hier kommt die sechste!, Foto: IMSA
Fünf Marken sind zu wenig? Bitteschön, hier kommt die sechste!, Foto: IMSA

Bei den Testfahrten hat die brandneue Chevrolet Corvette C7.R gemeinsam mit dem Porsche 911 RSR den stärksten Eindruck hinterlassen. Allerdings war hier der Risi-Ferrari noch nicht dabei. Dennoch hat die IMSA dem Italiener ein Zugeständnis in Form von größeren Restriktoren und weniger Gewicht gemacht. Vom reinen Speed her sollte Corvette Racing im Vorteil sein, schließlich wurden die C7.R nicht weiter angepasst. BMW hing bei den Testfahrten zurück und bekam keine Zugeständnisse. Dafür darf man auf die 30 Kilogramm leichtere SRT Viper gespannt sein. Eines ist jetzt schon klar: Bei zehn siegfähigen Fahrzeugen darf nicht der kleinste Fehler gemacht werden. Das GTLM-Rennen wird hart. Knallhart.

Internationale Prominenz in der PC

Die PC-Kategorie hatte beim Vortest mit Problemen zu kämpfen: Die Oreca FLM09 waren nie für Hochgeschwindigkeitsstrecken wie Daytona gebaut worden und hatten eine zu kurze Übersetzung. Aus diesem Grund gilt eine Mindest-Flügelhöhe, die ein zu langes Fahren im Begrenzer verhindern soll. Beim ersten Auftritt dieser Klasse in Daytona haben sich einige namhafte Fahrer eingeschrieben: Von GP2-Ass Sam Bird über Enzo Potolicchio, der 2012 die LMP2-Klasse in der WEC für sich entscheiden konnte, bis hin zum amtierenden PC-Champion aus der ALMS, Mike Guasch, sind einige in der Sportwagenszene bekannte Namen in die Prototypen-Einheitsklasse gegangen.

Porsche schickt gleich zwölf 911er in die GTD-Kategorie, Foto: IMSA
Porsche schickt gleich zwölf 911er in die GTD-Kategorie, Foto: IMSA

Die PC-Kategorie, ursprünglich für Amateurteams vorgesehen, hat mittlerweile bekannte Teams wie 8 Star Motorsports, Core Autosport oder Starworks Motorsport angezogen. Die Favoritenrolle fällt hier den Meistern von PR1/Mathiasen Motorsports zu. Mike Guasch und David Cheng stehen bislang jedoch nur zu Zweit in der Nennliste, was einen Kraftakt bedeuten würde, bei den in der entscheidenden Schlussphase Ermüdungserscheinungen zu Fehlern führen könnten. Auch in dieser mit neun Fahrzeugen besetzten Klasse ist von der Papierform her mindestens ein halbes Dutzend Autos siegfähig.

Audi in der GTD Favorit

Mit 29 Fahrzeugen stellt die GTD-Klasse klar den größten Teil des Starterfeldes und könnte glatt eine eigene Rennserie bilden. Eine ganze Reihe von BoP-Änderungen hat nach den Testfahrten noch einmal das gesamte Feld auf den Kopf gestellt. Auffällig ist jedoch, dass der Audi R8 LMS, der beim Roar before the Rolex 24 als einziges Fahrzeug mit den nun eingebremsten Porsche 911 GT America mithalten konnte, keine Einschränkungen bekommen hat. Somit geht die Favoritenrolle klar an Flying Lizard Motorsports in deren erster Saison im Zeichen der vier Ringe. Doch auch der R8 von Paul Miller Racing kommt mit einer glänzenden Fahrerbesetzung für den Sieg in Frage.

Eine ganze Horde von Porsche wird versuchen, den Audi-Sieg zu verhindern. Bestens aufgestellt sind im wilden Zuffenhausener Dutzend unter anderem Alex Job Racing, Park Place Motorsports und GMG Racing. Ob die BoP-Änderungen die Ferrari 458 Italia, BMW Z4, Aston Martin V12 Vantage und die einzelne SRT Viper nach vorne bringen werden, muss das Wochenende zeigen. Noch besetzt werden müssen die Ferrari von Level 5 Motorsport bei deren ersten Einsatz als Kundensport-Team.

Schummeln lohnt sich nicht

Dem DeltaWing fehlte es beim Test noch an Speed, Foto: IMSA
Dem DeltaWing fehlte es beim Test noch an Speed, Foto: IMSA

Lässt man einmal die vielen Unwägbarkeiten beim Balancing außer Acht, könnte mitten im Januar ein riesiges Sportwagen-Spektakel mit einer selten gesehenen Dichte an Topteams bevorstehen. Sandbagging wird hart bestraft werden: Fährt ein Fahrzeug im Rennen signifikant schneller als in der Qualifikation, kann es empfindliche Strafen von bis zu fünf Minuten geben - in der letzten halben Stunde, wenn es am meisten weh tut. In der letzten Stunde könnte nämlich wieder die berühmte Daytona-Gelbphase anstehen, wenn das Feld für den Schlussspurt noch einmal komprimiert wird.

In allen vier Klassen ist höchste Spannung angesagt bei einem Rennen, das eines der wichtigsten in der amerikanischen Motorsportgeschichte werden kann. Viele Skeptiker wollen eines Besseren belehrt werden, wenn die Weichen für die Zukunft des US-Sportwagensports gestellt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Fragezeichen in den vielen Gesichtern schnell verschwunden sind und das Racing und nicht die Politik das Wochenende bestimmen wird.