Der Motorsport liefert immer wieder die kuriosesten und dramatischsten Geschichten. Nicht nur in der berühmten Formel 1, sondern auch in anderen Kategorien spielen sich filmreife Szenen ab. So geschehen bei einem Rennen der GT4-Klasse in der GT World Challenge Asia im japanischen Okayama.

Der Japaner Manabu 'Max' Oribo sah mit seinem BMW M4 GT4 bis kurz vor dem Zieleinlauf wie der sichere Sieger aus und hätten mit dem Triumph zudem vorzeitig die Meisterschaft in dieser Klasse gewonnen. Mit lockeren 33 Sekunden Vorsprung bog der 54-Jährige und zweifache Champion der GT300-Klasse der Super GT aus der letzten Kurve heraus auf die Zielgerade ein - dann das Drama!

Oribo schiebt BMW über die Ziellinie

Dem BMW von YZ RACING with BMW M Team Studie ging in der 34. Runde vorzeitig der Sprit aus. Keine Chance für Oribo, der sich den GT4-Wagen mit Landsmann Masaki Kano teilt, den M4 GT4 irgendwie die letzten wenigen hunderte Meter über den Zielstrich zu fahren. Wer sein Auto liebt, der schiebt, heißt es bekanntermaßen. Diesen Spruch nahm sich der rüstige Japaner zu Herzen, stieg kurzerhand aus und begann in voller Montur, den knapp 1.400 Kilo schweren BMW mit eigener Muskelkraft anzutreiben!

Oribo, der 2004 bei den 24 Stunden von Le Mans den zwölften Platz belegte, musste nassgeschwitzt mitansehen, wie Verfolger Seita Nonaka mit seiner Toyota GR Supra GT4 mühelos vorbeifuhr und den völlig unerwarteten Sieg holte. Vier weitere Autos überholten den mit aller Leibeskraft schiebenden Oribo, der im vorläufigen Klassement mit einer Runde Rückstand als Vorletzter der sieben Autos geführt wurde.

Oribo klappt nach sechs Minuten Kraftakt kurz zusammen

Es waren durchaus heldenhafte Szenen, als Oribo es schließlich gelang, seinen BMW unter dem Schwenken der Zielflagge über die Linie zu wuchten. Der Kraftakt für die rund 200 Meter auf der Start/Ziel-Geraden dauerte insgesamt sechs Minuten! Oribo ließ sich zunächst etwas theatralisch neben seinem Auto auf den Boden fallen, war kurze Zeit später aber ansprechbar und nach einem Schluck Wasser offenbar auch wieder wohlauf.

Der Sprit sei ihm ausgegangen, bestätigte der langjährige Rennfahrer im Interview nach dem Rennende. Oribo und Teamkollege Kano gehen mit nun 13 Punkten Vorsprung bei noch 25 zu vergebenen Zählern ins Finale am Sonntag. In Okayama startet die GT4-Klasse erstmals eigenständig, nachdem sie zuvor gemeinsame GT-World-Challenge-Asia-Rennen mit den GT3-Autos bestritt.

Die Idee, das Auto bis ins Ziel zu schieben, sei ihm - wie könnte es auch anders sein - durch ähnliche Szenen in einem Manga-Comic eingefallen. Man muss sie einfach lieben, die Rennsport-Japaner!

Legendäre Schiebe-Aktionen in der Formel 1

Inspiration für seinen nach Punkten unbelohnten Heldenakt hätte sich Oribo auch aus der Historie der Formel 1 holen können. 'Black' Jack Brabham schob beim F1-Saisonfinale 1959 in Sebring seinen mit leerem Tank liegengebliebenen Cooper über die Ziellinie, was ihm tatsächlich den vierten Platz sowie den WM-Titel mit vier Punkten Vorsprung bescherte.

Der 'Löwe' Nigel Mansell blieb 1984 in Dallas kurz vor dem Rennende wegen eines Getriebeproblems mit seinem Lotus liegen und versuchte ebenfalls, das Auto händisch über die Distanz zu bringen. Mansell brach nach wenigen Metern des Schiebens völlig entkräftet zusammen und musste von seinen an der Ziellinie bereits wartenden Teammitgliedern notversorgt werden. Obwohl Mansells Lotus das Ziel nicht erreichte, hatte der Brite Glück im Unglück: Er wurde mit drei Runden Rückstand als Sechster gewertet und nahm damit einen Punkt aus Dallas mit.

Legendär auch der Einsatz von Alain 'Professor' Prost beim Formel-1-Rennen 1986 auf dem Hockenheimring: Prost lag in der letzten Runde an dritter Stelle, als seinem McLaren der Sprit ausging. Der Franzose versuchte daraufhin, unter den lautstarken Anfeuerungsrufen des Publikums seinen Wagen ins Ziel zu schieben, scheiterte jedoch an diesem Vorhaben. Nigel Mansell und Rene Arnoux überholten den gestrandeten Prost, der zudem auch noch hinter seinen Teamkollegen Keke Rosberg zurückfiel, dem kurioserweise ebenfalls auf den letzten Metern der Sprit ausgegangen war. Da der Finne die letzte Runde aber vor Prost begonnen hatte, wurde er vor dem Franzosen gewertet, für den schlussendlich der sechste Rang zu Buche stand.