61 GT3-Sportwagen von elf Herstellern sind für das kommende Wochenende in Spa-Francorchamps zur 90. Auflage des 24-Stunden-Rennens in den Ardennen angekündigt. GT-Fans dürfen daher zu Recht in Schnappatmung verfallen, zumal das Wetter wechselhaft werden soll und damit den Schwierigkeitsgrad für Fahrer, Teams und Wagen noch erhöht. Es sind also alle Zutaten für ein würdiges Highlight der Blancpain Endurance Series vorhanden, zumal es ein gutes Dutzend an Sieganwärtern gibt.

Bentley mit guter Ausgangsposition

GT3 ist Kundensport. Wer allerdings in Spa durch das Fahrerlager schlendert, wird diesen Satz aber nur mit einem ironischen Grinsen über die Lippen bringen. Zu verwischt sind bei der hohen Qualität von Fahrern und Teams die Grenzen zwischen Werkseinsatz, werksunterstützten Mannschaften und Kunden- respektive Privatteams.

Am offensten ist in diesem Bereich Bentley: Das Einsatzteam ist die erfahrene Rallye-Truppe M-Sport unter Malcolm Wilson. Zwei Pro-Fahrzeuge sowie Geld und Fahrer (Smith/Meyrick/Kane und d'Ambrosio/Leclerc/Tappy) von Bentley lassen wenig Spielraum für Fantasie. Obwohl der bullige Continental nicht zu den schnittigsten Vertretern seiner Zunft gehört, verfügt er über eine ausgeklügelte Aerodynamik und hat bislang bemerkenswerte Zuverlässigkeit bewiesen - und das gleich im ersten Einsatzjahr. Trotz zweier Siege in drei BES-Läufen vermutet die Konkurrenz, dass die Briten bislang noch nicht ihr volles Potential gezeigt haben.

Audi und BMW greifen unterschiedlich intensiv an

Mercedes geht als Titelverteidiger ins Rennen: Die beiden Maxis Buhk und Götz sowie Altmeister Bernd Schneider besiegten 2014 im HTP-Flügeltürer das BES-Establishment. 2014 ist das Trio nicht mehr vereint, aber HTP hat gleich drei stark besetzte SLS gemeldet: Buhk/Götz/Jafaar, Afanasiev/Dusseldorp/Maassen und Schneider/Verdonck/Primat. Zwei Wagen von Black Falcon, die etwas heterogener besetzt zu sein scheinen, aber auch Potential haben, vervollständigen die Mercedes-Fraktion in der Profi-Klasse.

HTP-Mercedes ist bereit für Spa, Foto: Brecht Decancq Photography
HTP-Mercedes ist bereit für Spa, Foto: Brecht Decancq Photography

Audi hingegen hat für den Saisonhöhepunkt die Altmeister der vier Ringe in Belgien vereint: In den drei R8 LMS von WRT in der Pro-Wertung geben sich GT-Könner und illustre Gaststarter das Volant in die Hand. Rast/Vanthoor/Winkelhock und Stippler/Mies/Nash sind die etablierten BES-Kräfte, während mit Fässler/Tréluyer/Lotterer die Le-Mans-Fraktion der Ingolstädter an den Start geht. Dazu kommt der aktuell in der BES bestplatzierte Audi von Saintéloc mit Ortelli/Sandström/Guilvert sowie der solide ISR-Bolide mit Basseng/Hamprecht/Salaquarda.

BMW setzt alles auf eine Karte. Deren Name ist Marc VDS Racing. Das belgische Team hat zwei Z4 gemeldet, deren Besatzungen vor Qualität geradezu bersten. Etwas anderes als der Gesamtsieg als Ziel ist bei den Trios Farfus/Martin/J. Müller und Luhr/Palttala/Werner kaum vorstellbar. Die beiden Pro-Am-Wagen von TDS Racing sind zwar mit starken Top-Piloten besetzt, werden aber kaum um mehr als ein glückliches Podium konkurrieren können.

McLaren braucht "nur" Standfestigkeit

Ginge es nur nach der Schnelligkeit, so würde der Sieg in Spa wohl nur über McLaren gehen: ART Grand Prix hat bislang in der BES zu den stärksten Teams gehört. Das wird sich bei den beiden Besatzungen in Spa wohl auch nicht ändern (Demoustier/Lapierre/Parente und Estre/Korjus/Soucek). Doch der McLaren besitzt nicht gerade den Ruf technischer Verlässlichkeit, sodass ein McLaren-Sieg nur deshalb eine kleine Sensation wäre. Doch Obacht: Mit Von Ryan Racing werfen die Briten noch einen dritten Boliden ins Feld. Hier ist unter anderem der V8-Supercars-Star Shane Van Gisbergen mit an Bord. Und der hat heuer bereits in Bathurst eindrucksvoll bewiesen, wie schnell er den 12C GT3 um eine anspruchsvolle Strecke peitschen kann.

Einer unter vielen: ein AF-Corse-Ferrari, Foto: Brecht Decancq Photography
Einer unter vielen: ein AF-Corse-Ferrari, Foto: Brecht Decancq Photography

Der letzte Ferrari-Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Spa ist nun schon eine Dekade her: 2004 gewann ein Ferrari 550 GTS - nach Reglement der seligen GT1. In diesem Jahr sind zwar fast 20 Ferrari 458 dabei, doch keiner davon befindet sich in der reinen Profi-Kategorie. Castellaci/Gay/Rizzoli von Villorba Corse sind das homogenste und bis dato in der BES auch erfolgreichste Gespann des italienischen Sportwagenurgesteins, derweil bei AF Corse keiner der Wagen durchgehend schnell besetzt ist. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Porsche-Teams.

Nissan beschränkt sich mit zwei GT-R und den Academy-Absolventen auf die Pro-Am-Wertung und das Setzen von ein paar Highlights. Aston Martin wird auch nicht viel mehr übrig bleiben: Die Werksfahrer Mücke, Lamy und Turner sind in der Pro-Am-Wertung verteilt und dem einzigen Pro-Vantage von Oman Racing fehlt mit Al Harty/Caine/Yelley wohl der nötige Punch. Entgegen vorheriger Ankündigungen wird es in Spa keinen Aston-Werkseinsatz gegeben. Der einzige Lamborghini im Feld kommt aus Australien: Der selbst fahrende Teamchef Roger Lago hat drei illustre Landsleute (Russell/Richards/Owen) für sein Spa-Debüt im Gepäck, sodass eine Zielankunft wohl das Mindestziel sein dürfte.

Gleich dreimal Punkte in den Ardennen

In Spa werden auf Grund der langen Renndistanz insgesamt dreimal Punkte vergeben. Bei der 6- und bei der 12-Stunden-Marke werden die Hälfte der üblichen Punkte ausgegeben. Für das Endergebnis nach 24 Stunden gibt es dann noch zusätzlich die volle Ausbeute wie sie bei den anderen Läufen auch üblich ist.

Durch diese Punktestruktur werden besonders die regulären BES-Teams taktieren und zwischen Rennstrategie und wichtigen Meisterschaftspunkten abwägen. Die "Gaststarter" können sich indes ihr Rennen auf den Gesamtsieg hin einteilen. Für alle gilt jedoch die Beschränkung eines Stints auf 65 Minuten.

Der Zeitplan für Spa

Die Qualifikation und das Rennen werden auf der Webseite der BES per Livestream mit englischem oder französischem Kommentar übertragen. Bei Twitter ist #Spa24h das offizielle Hashtag der Veranstaltung.

Parade: Mittwoch, 15:00 bis 19:25 Uhr
Qualifikationstraining: Donnertag, 20:45 bis 22:00 Uhr
Nachtqualifikation: Donnertag, 22:30 bis 23:45 Uhr
Superpole: Freitag, 18:50 bis 19:10 Uhr
Rennstart: Samstag, 16:30 Uhr