Wenigsten die Laune ließ sich Bruno Senna nicht wirklich verderben: Locker und flachsend kam er mit seinen brasilianischen Fahrerkollegen di Grassi und Negrao vom Qualifying zurück, obwohl es für ihn wieder nur zum 18. Startplatz gereicht hatte. "Das Auto fühlt sich eigentlich gar nicht so schlecht an, wesentlich besser als zuletzt am Nürburgring oder in Ungarn. Die Balance, die Stabilität, das war alles ganz okay - es fehlt einfach an der Geschwindigkeit. Gut, ein Teil geht auch noch auf meine Kappe, ich habe das Auto zwischen den beiden Versuchen hinten ein bisschen tiefer gelegt haben wollen, das war zuviel, dadurch hat es dann aufgesetzt und ich habe noch Zeit verloren. Eine gute halbe Sekunden wäre bei unverändertem Set-up mit dem zweiten Satz sicher drin gewesen…" Womit aber immer noch 1,5 Sekunden auf die Spitze und eine gute halbe auf die Top-Ten fehlen würden - in der ersten Saisonhälfte, als Senna auf Anhieb um Siege und Podiumsplätze mitfuhr, ein völlig undenkbarer Rückstand…

Bruno Senna ist ratlos., Foto: Bumstead/Sutton
Bruno Senna ist ratlos., Foto: Bumstead/Sutton

"Ich weiß - aber das ganz große Problem ist, dass wir nicht wirklich wissen, wo wir suchen sollen. Wenn das Auto ein krasses Problem hat, über- oder untersteuert oder springt, dann weiß man wenigstens, wo man suchen soll. Aber so?" Einen Schwachpunkt hat er ausgemacht: "Wir können aus irgendwelchen Gründen in den Kurven nicht mehr so die Geschwindigkeit mitnehmen. Ich muss dann in der Kurve noch mal auf´s Gas - und dann tendiert das Auto dazu, hinten auszubrechen. Wir müssen uns jetzt noch mal ganz genau die Daten anschauen…"

Wobei im Bereich Datenanalyse, Computer-Simulation und Telemetrie sowieso eines der großen Probleme liegen dürfte. Es ist in der GP2-Szene ein offenes Geheimnis, dass Arden in diesen Bereichen Teams wie iSport und ART deutlich unterlegen ist. Was auch erklärt, warum man solche Probleme hat, im Laufe der Saison weiter mitzuhalten oder aus Krisen wieder herauszufinden. Michael Ammermüller musste im letzten Jahr ja bereits diese Erfahrung machen… Und dass dann zumindest unterschwellig gern behauptet wird, die Fahrer seien schuld, ist auch nicht wirklich etwas Neues bei der Truppe, der einfach eine Führungspersönlichkeit fehlt, seitdem Teamchef Christian Horner mit seinen Formel-1-Aufgaben völlig ausgelastet ist und sich um Arden wirklich nur noch am Rande kümmert, wo hinter finanziellem und personellem Einsatz schon das ein oder andere Fragezeichen zu stehen scheint.

Da kommen sich die Fahrer dann wohl auch manchmal vor, als würden sie gegen Wände reden, wenn sie versuchen, grundlegendere Veränderungen durchzusetzen. Bruno Senna erreichte bei dem "Krisengipfel" mit Horner in der Woche nach Ungarn zumindest, dass Arden in Zukunft einen zusätzlichen Daten-Spezialisten von Red Bull bekommen soll - allerdings erst ab Monza.

Es läuft einfach nicht rund im Team., Foto: Hartley/Sutton
Es läuft einfach nicht rund im Team., Foto: Hartley/Sutton

Im freien Training hier in Istanbul war der Brasilianer zwar auch nur 18. gewesen, hatte aber dennoch noch etwas optimistischer ins Qualifying geschaut, "denn die Sektorzeiten waren in Ordnung, nur war meine schnellste Runde praktisch die erst in-lap… Aber im Prinzip wäre die Zeit auf dem gleichen Level gewesen wie Adrian - und der war Achter…" Aber dann schlug das Phänomen, dass sich die meisten anderen Teams vom freien Training zum Qualifying viel stärker steigern können als Arden, ohne dass es dafür ersichtliche Gründe gäbe, wieder zu: Es verblüfft und beunruhigt im Moment beide Arden-Piloten.

Adrian Zaugg, der im Gegensatz zu Senna die Strecke aus Formel-Renault-Zeiten bereits kannte, fiel im Qualifying ja sogar bis auf Rang 20 zurück: "Auf jeden Fall hatte ich mit dem ersten Satz Reifen sehr viel Verkehr. Dort hätte ich sicher ein paar Zehntel schneller fahren können. Aber damit wäre ich über Platz 16 auch nicht herausgekommen", schüttelte der Südafrika-Schweizer nur noch den Kopf, sichtbar frustriert. Sein besonderes Problem: "Die Reifen können wir nur zwei Runden nutzen, danach verlieren sie schlagartig Grip. Dann geht nichts mehr und man verliert zu viel Zeit. Da haben wir noch einigen Rückstand auf die anderen Teams. In Budapest war es ähnlich, die Reifen hielten nur für zwei bis drei Runden - dann ging nichts mehr. Vielleicht müssen wir einfach mal das Setup komplett umkrempeln.Ich erwarte so jedenfalls für das Rennen auch nicht viel."

Interessanterweise schien dieses Reifenproblem Bruno Senna weniger bis gar nicht zu betreffen: "Ich hatte von Anfang bis Ende meiner Runs etwa das gleiche Griplevel, die Reifen sind sehr konstant. Das ist das einzige, was mir für das lange Rennen hier bei dieser großen Hitze etwas Hoffnung gibt, dass wir vielleicht doch noch eine Überraschung schaffen können." Zufrieden sein kann Senna, der sich nach dem guten Saisonstart und dem Sieg in seinem erst dritten Rennen in Barcelona schon einen Platz unter den Top 5 in der Meisterschaft ausgerechnet hatte, natürlich nicht: "Aber wenn ich jetzt hier rumschimpfe und nur alle anmeckere, das bringt ja auch nichts", meint er, wenn sich manche über seine immer noch verhältnismäßig gute Laune wundern. Innerlich verabschiedet hat er sich aber trotzdem noch nicht: "Natürlich versuche ich alles, dass wir zusammen mit dem Team da wieder rauskommen…" Wenn er für 2008 aber über andere Optionen nachdenkt, sollte das allerdings auch niemanden wundern…