Nicht alle formulieren ihre Worte in der Formel 1 so unverblümt wie Bernie Ecclestone. Am Türkei-Wochenende gab der Zirkusdirektor gar wundersames von sich: Das Fehlen von Super Aguri sei "kein Problem, denn jetzt ist endlich wieder mehr Platz im Fahrerlager. Die Teams kommen mit immer größeren Trucks und Motorhomes und jetzt ist alles wieder ein bisschen entspannter." Außerdem sei "die Formel 1 ohnehin immer nur für 10 Teams geplant gewesen. Irgendjemand bei der EU hat geglaubt, man müsse allen eine Chance geben. Bitte sehr. Wir haben allen eine Chance gegeben. Das Resultat sieht man ja." Und der groß angekündigte Plan mit 12 Teams inklusive Prodrive? "Alles Unsinn, da war völlig klar, dass die es nie in die Formel 1 schaffen würden."

Wie lange zeigt der Daumen für Nelsinho noch nach oben?, Foto: Sutton
Wie lange zeigt der Daumen für Nelsinho noch nach oben?, Foto: Sutton

Wie immer muss man bei Bernie sehr aufpassen, ob er grad blanken Zynismus verstreut oder einfach nur sein Herz auf der Zunge trägt. Zwischen den Zeilen lese ich heraus: Bernie ist ziemlich angespeist. Er, der einst Notleidenden wie Minardi aus eigener Tasche das Überleben sicherte, lässt ein Retortenteam fallen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Die Hersteller gehen ihm auf die Nerven. Und er hat keine Lust, Fantasieprojekten weiter eine Bühne zu geben.

Super Aguri ist nun also Geschichte - vor allem weil Aguri Suzuki selbst die Reißleine gezogen hat, um größeren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Das muss man dem Mann hoch anrechnen. Er hätte genauso einen auf Tom Walkinshaw machen können und am Ende allen die lange Nase zeigen, die sicher noch bis heute auf ihr Geld warten.

Aber ein paar andere Kandidaten sind nach fünf Rennen ebenfalls bereits angezählt. Die Schonfrist ist vorbei für sie und im Hintergrund tut sich einiges. So könnte es durchaus sein, dass Nelson Piquet jr. seine erste Saison nicht zu Ende fahren wird. Ich bin kein Freund voreiliger Urteile. Ich habe mit meiner Skepsis gegenüber Nelsinho immer hinter dem Berg gehalten. Aber jetzt ist es an der Zeit zu sagen: der Junge hat ein echtes Problem. Wie sonst soll man es verstehen, wenn man in Istanbul aus Teamkreisen hört "er war das ganze Wochenende nie richtig zuhause im Auto", "seine Fehler sind intern natürlich nicht unbemerkt geblieben" (Pat Symonds) oder "wenn er's im Kopf nicht hinkriegt, dann wird alles den natürlichen Lauf der Dinge nehmen" (Alan Permane). Kein Geflüster hinter vorgehaltener Hand, sondern öffentliche Statements des Teammanagements.

Was wird aus Adrian Sutil?, Foto: Sutton
Was wird aus Adrian Sutil?, Foto: Sutton

Für mich ist Nelsinho ein verwöhnter Balg, ein "rich kid". Zwar ein netter, ein anständiger und auch talentierter, aber eben einer, der von Kindesbeinen alles gerichtet bekommen hat, um einmal in die Fußstapfen des Papa treten zu können. Schon in der Grundschule wurde er - so hat man mir vor Jahren in Brasilien erzählt - nach dem Unterricht mit dem Privathelikopter hinaus zur Kartbahn geflogen und am Abend wieder retour. Die Beißerqualitäten eines Kimi Räikkönen lernst du so nicht. Und erst recht nicht, wenn dich dein reicher Papa in jeder Rennserie mit den besten Leuten und dem besten Material versorgt.

Nelsinho ist schnell an guten Tagen, aber er war bisher selten fehlerfrei. Und er hatte alle Zeit der Welt, sich auf seinen Job vorzubereiten. Mein Mitleid ist daher begrenzt und Flavios Geduld (was mehr zählt als mein Mitleid) auch nicht endlos. Die Brasilianer machen sich seit Jahren über Rubens Barrichello lustig. Aber ob Nelsinho auch nur annähernd so viele Grand Prix fahren wird, wage ich in Zweifel zu stellen.

Der andere Wackelkandidat könnte demnächst Adrian Sutil sein. Auch ein sehr offener, sympathischer Typ. Sein Auftreten war schon immer was Besonderes. Aber die Kollegen in den Nachwuchsklassen nach Strich und Faden abzuledern ist offensichtlich noch zu wenig, um einen ausgekochten Fuchs wie Giancarlo Fisichella das Wasser zu reichen. Auch wenn der mit der Startkollision diesmal eher einen Ausreißer nach unten produziert hat. Adrian sieht gegen Fisico kein Land. Nicht im Training, im Qualifying, nicht auf eine Runde, nicht auf einen Longrun. Und das tut einem Rennfahrer besonders weh. Seine treuherzige Ankündigung direkt vorm Start "Heute komme ich ganz, ganz sicher durch die erste Kurve" war schon eher komisch. Alles kann man versprechen, nur so etwas ganz bestimmt nicht. Schon gar nicht in Istanbul. Adrians Schutzschild sind die Medion-Millionen, aber wenn's so weiter geht kann ich mir durchaus vorstellen, dass Tonio Liuzzi auch mal seine Chance kriegt. Er hält sich ja schon mit Tourenwagenrennen fit.

Wann knackt Heikki den Briten erstmals?, Foto: Sutton
Wann knackt Heikki den Briten erstmals?, Foto: Sutton

Ein paar weitere Dinge sollte man nach Istanbul nicht unerwähnt lassen: Mark Webber fährt in der Form seines Lebens. David Coulthard sieht extrem alt aus gegen den Aussie, der schon zum vierten Mal in Serie gepunktet hat. Honda fehlt auf den Geraden extrem viel Topspeed. Egal in welchem Trim. Zumindest ist aber nun die Gefahr gebannt, vom eigenen B-Team blamiert zu werden. Felipe Massa scheint ein Spezialist für Linkskurse zu sein. Immer wenn gegen den Uhrzeigersinn gefahren wird (Istanbul, Interlagos), ist er extrem stark. Schon aufgefallen? Eine logische Erklärung dafür gibt es aber wohl kaum.

Heikki Kovalainen hätte das Rennen eigentlich gewinnen müssen. Aber wie immer gibt es im Rennsport keinen Konjunktiv. Nur saubere und schmutzige Linien beim Start. Auch für Fahrer, die zwei Wochen nach einem Megacrash den Teamkollegen mit mehr Sprit im Qualifying bügeln. Und die Temperaturkomponente scheint heuer eine Rolle zu spielen. Vielleicht täusche ich mich. Aber je heißer, desto Ferrari und BMW. Je kühler, desto McLaren. Wollen wir mal hoffen, dass es kein zu heißer Sommer wird. Nur im Sinne der Spannung...