Lang nahm man sich bei Ferrari nicht Zeit, um nach dem Rennen in Shanghai zu feiern. Schnell war das Team dabei, sich auf das Rennen in Sao Paulo zu konzentrieren, wo Kimi Räikkönen noch Außenseiter-Chancen auf den Titel hat. Deswegen war beim traditionellen Debriefing, das diesmal mit Stefano Domenicali und Luca Baldisserri stattfand, auch nur kurz das zurückliegende Rennen ein Thema. So waren beide nicht von dem Fehler von Lewis Hamilton überrascht und Domenicali erklärte warum: "Man kann überall Fehler machen. Das ist die Formel 1. Vielleicht dachte er, das wäre der einfachste Teil des Rennens. Das ist Racing."

Baldisserri konnte dafür darüber referieren, wie gut die Pace der Ferrari und vor allem von Kimi Räikkönen im Qualifying gewesen war, als die Bedingungen noch gut waren. "Kimi hatte zumindest für vier Runden mehr Benzin. Auf dieser Strecke bedeuten vier Runden rund eine halbe Sekunde. Das ist eine einfache Rechnung und man sieht, dass unsere Leistung im Qualifying gestern wirklich, wirklich gut war", erklärte er und meinte deswegen, dass man sich in punkto Pace nicht verstecken müsse. Dennoch sieht der Chefingenieur auch ein Problem im Qualifying - vor allem beim letzten Rennen. "Wir müssen herausfinden, wie wir den superweichen Reifen im Qualifying benutzen. Wir haben nach Budapest einiges gearbeitet und einige Dinge verstanden. In Brasilien müssen wir uns darauf konzentrieren", sagte Baldisserri.

Die Strecke an sich macht ihm aber keine Sorgen, da sie neu asphaltiert ist und deswegen die Bodenwellen keine Probleme mehr darstellen sollten. Eine spezielle Abstimmung hat man bereits, wird im Simulator aber weiter daran feilen. Tests gibt es ja keine mehr. "Wir können nicht testen, da es bis zum Rennen keine Tests mehr gibt. Wir haben einen Shakedown, den wir machen können, aber der wird nur dazu sein, um die Teile für das Rennen zu testen: Motor, Getriebe... Das Meiste, was wir tun können, ist am Simulator", erklärte der Chefingenieur. Die reduzierten Testkilometer in diesem Jahr sah er übrigens auch als Grund dafür, warum es mit der Zuverlässigkeit nicht immer funktioniert hat. "Leider sind die Testregeln anders als im Vorjahr. Ein Hauptteil unserer Zuverlässigkeit war, dass man die Dinge auf der Strecke probiert und Kilometer damit gemacht hat. Von jetzt bis zum nächsten Rennen ist kein Test, also können wir nur die Simulation laufen lassen, damit wir das beste Setup finden." Außerdem will man noch alte Teile prüfen, damit man alle Punkte abdeckt, die stören könnten.

Kimi Räikkönen fährt seit Saisonmitte auf dem Niveau von Michael Schumacher, meint Luca Baldisserri, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen fährt seit Saisonmitte auf dem Niveau von Michael Schumacher, meint Luca Baldisserri, Foto: Sutton

Und noch etwas wird Ferrari in Interlagos machen: dem Motor etwas mehr Kraft entlocken. Da man beim letzten Saisonrennen ist, muss der neue Motor, den die Fahrer bekommen, nur ein Rennen durchhalten, weswegen man ihm etwas mehr zumuten kann. "Das war unser Plan. Beim letzten Test haben wir am Motor etwas probiert. Der Motor muss normalerweise zwei Mal halten, diesmal aber nur ein Mal. Also kann man sich vorstellen, dass wir etwas probieren werden, damit wir ein wenig mehr Power haben", sagte Baldisserri. Domenicali erklärte auch, warum man so vorgeht. Man habe beim nächsten Rennen einfach keine andere Wahl, als aggressiv zu sein. "Wir brauchen die Plätze eins und zwei und dann werden wir sehen. Das wird also sicher unsere Strategie."

Wichtig wird es aber auch sein, die Reifen richtig zu managen, wie der Co-Teamchef zugab. Denn wer in Brasilien in den ersten Runden zu aggressiv fährt, der wird kaputte Reifen haben. "Dadurch wäre das Rennen schwieriger", meinte Domenicali, der sich freute, in Brasilien noch eine Chance auf den Titel zu haben. Als Wunder, wie es so mancher bezeichnete, wollte er es aber nicht sehen. "Wir haben acht von 16 Rennen gewonnen. Wir haben tolle Ergebnisse. Leider hatten wir dieses Jahr ein paar Probleme, aber wir sind immer noch da", meinte er. Um in Sao Paulo möglichst sicher vor Defekten zu sein, wird nun noch einmal eine Tiefenanalyse der bisherigen Saison gemacht, damit man alle Eventualitäten vorher schon abdecken kann. "Es ist aber kein Wunder. Wir haben immer gesagt, dass wir nicht aufgeben", betonte Domenicali.

Noch weniger ein Wunder war es, dass Domenicali die Frage, ob im kommenden Jahr weiter Kimi Räikkönen und Felipe Massa weiter die Fahrer bei Ferrari sein werden mit einem lauten, deutlichen "Ja" beantwortete. Baldisserri musste dafür etwas weiter ausholen, als er die Zusammenarbeit mit Kimi Räikkönen mit jener mit Michael Schumacher vergleichen sollte. "Mit Michael haben wir 10 Jahre gearbeitet. Am Ende mussten wir uns nur in die Augen schauen und wussten, was das Problem war und was er meinte, wenn er über das Auto sprach", sagte der Chefingenieur. Bei Räikkönen habe es am Anfang ein paar Probleme gegeben, weil er sich nicht so leicht tat, seinen Fahrstil an das Auto anzupassen, die Systeme zu lernen und mit den Bridgestone-Reifen zurecht zu kommen. "Ich muss aber sagen, dass er seit Saisonmitte bis zu diesem Rennen hier auf dem gleichen Level war wie Michael. Ein Fahrer, der ein Rennen wie heute ohne den kleinsten Fehler absolvieren kann, ist ein großer Champion." In Sao Paulo stehen seine Chancen dennoch nicht zum Allerbesten.