Liebe Motorsport-Magazin.com-Leser,

heute möchte ich euch einmal etwas zum Thema 'Datenanalyse' erzählen. Man kennt es aus der Formel 1: "Wir müssen die Daten analysieren", heißt es dort immer so schön. Aber was bedeutet das eigentlich genau? Da das Grundprinzip der Datenauswertung eigentlich für alle Rennserien gleich ist, möchte ich euch einen kleinen Einblick liefern. Als Beispiel bietet sich unser vergangenes Rennwochenende am Nürburgring an, denn zum ersten Mal fuhr ich im Formel-3-Boliden auf der Kurzanbindung der Strecke. Heißt: Die Kurve sechs, also die Kurzanbindungskurve, kannte ich noch gar nicht.

Im Vorfeld gab es lange Diskussionen mit meinem Renningenieur Andreas Kohler darüber, wie wir diese Kurve genau durchfahren wollen: eher im höheren oder im tieferen Gang. Ich muss sagen, dass wir erst nach dem ersten Rennen, das ich gewinnen konnte, entschieden haben, wie wir diese Kurve im weiteren Verlauf des Wochenendes nehmen wollen und wo die richtige Rennlinie liegt. Ein gutes Verhältnis zum Ingenieur ist für uns Fahrer extrem wichtig. Wenn er etwa vorgibt, dass ich eine Kurve mit Vollgas durchfahren kann, weil das Auto es zulässt, dann mache ich das auch - da zeigt sich, dass gegenseitiges Vertrauen absolut essentiell ist.

Foto: F3V
Foto: F3V

Dieses Verhältnis geht auch über die reine Arbeit hinaus, mit Andi treffe ich mich auch gern abseits der Rennwochenenden zum Essen. An der Strecke wird natürlich zusammengearbeitet - und das nicht zu wenig. Zuerst besprechen wir jede einzelne Kurve einer Strecke, denn jede dieser Ecken weist Besonderheiten auf und hat ihre eigene Charakteristik: Wo sind die Bremspunkte, wo gibt man Gas, bei welcher Kurve muss man am Eingang pushen, bei welcher eher am Ausgang? Diese und viele weitere Fragen versuchen wir während des Rennwochenendes zu beantworten, um bestmöglich auf die Rennen vorbereitet zu sein.

Oftmals haben wir Daten von vorangegangenen Rennen zur Verfügung. Da schauen wir uns etwa die optimalen Bremspunkte an und versuchen, das später im Auto umzusetzen. Man darf aber nie vergessen, dass nicht jeder Fahrer in jeder Runde gleich fährt, deshalb probieren wir im Training immer eine Menge auf der Strecke aus und tasten uns ans Optimum heran. Unser Augenmerk liegt hier vor allem auf vier Dingen: Geschwindigkeiten, Lenkeinschläge, Bremswerte und Drosselklappen-Daten. Aus all diesen Daten basteln wir uns quasi einen Strecken-Rennplan am Computer zusammen.

Diese ganze Angelegenheit klingt ganz schön kompliziert, oder? Auch wir Fahrer lernen immer weiter dazu und ich bin sicher, dass das auch für die Stars der Formel 1 gilt. Wirft man während der Analyse einen Blick auf unsere Monitore mit all den Parametern, erkennt man zwar schnell grundlegende Dinge: Welcher Fahrer ist in welcher Kurve schneller als der andere? Aber: Für uns ist es wichtig zu erkennen, warum es der eine besser gemacht hat als der andere; hat er in einer Kurve früher, später oder härter gebremst? Es geht um das Gesamtverständnis und ich kann euch sagen: Das ist manchmal ganz schön knifflig herauszufinden...

Foto: F3V
Foto: F3V

Da kann es schnell mal passieren, dass ich eine andere Meinung habe als mein Ingenieur. Ich versuche dann zu erklären, warum ich auf der Strecke etwas anders machen würde als es die Daten eigentlich verlangen. Den Input des Fahrers darf man bei der Datenanalyse natürlich nicht unterschätzen, aber wir finden eigentlich immer eine gute Lösung.

Daten, Daten, Daten. Ihr seht, dass Motorsport viel mehr ist als nur Gas geben und die Kurve richtig treffen. Das ist eine richtige Physik und nicht umsonst heißt es heutzutage, dass der Rennfahrer gläsern ist. Früher war die Daten-Analyse bei weitem nicht so tiefgreifend, heute kann dir jeder Ingenieur genau sagen, was du falsch oder richtig gemacht hast. Ich finde das übrigens sehr gut, denn früher im Kartsport gab es so etwas kaum und oft wusste ich nicht, warum der andere Fahrer hier und da etwas schneller war als ich. Dank der Daten-Analyse kann man nun alles genauestens nachvollziehen und daraus lernen. Man sollte es aber auch nicht übertreiben und nur noch auf die Daten schauen.

Ich hoffe, dass ihr nun einen etwas besseren Einblick in dieses Thema bekommen habt. Für mich steht die nächste Analyse - und natürlich die nächsten Rennen - am kommenden Wochenende am Lausitzring an. Nach bislang acht Siegen aus 18 Rennen im ATS Formel 3 Cup führe ich die Gesamtwertung mit 103 Punkten Vorsprung auf meinen Lotus-Teamkollegen Artem Markelov an. Ich hoffe, dass es auch in der Lausitz gut für mich läuft und werde euch natürlich wieder davon berichten. Falls ihr vor Ort seid: Besucht mich doch einmal an unserem Team-Zelt, ich freue mich immer über das Interesse der Fans.

Bis dahin viele Grüße!