Ein Dutzend Mechaniker, jede Menge Werkzeug, vier neue Reifen und ein Auto - bei den Boxenstopps in der DTM ist das gesamte Team gefragt. In der Oktober/November-Ausgabe unseres Printmagazins Motorsport-Magazin analysierten wir Boxenstopps in der DTM. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Fast seit Anbeginn der neuen DTM sind Boxenstopps immer wieder ein Thema. Egal ob kuriose Strategien, Fehler der Mechaniker, mitgenommene Tankkannen oder Kollisionen abseits der eigentlichen Rennstrecke - der Fan bekommt meist etwas geboten. Mittlerweile haben die Mannschaften von Audi und Mercedes die Reifenwechsel und das Auftanken so stark perfektioniert, dass man kaum noch Zeit gewinnen kann. Bestraft werden dagegen diejenigen, denen nur der kleinste Fehler unterläuft.

Boxenstopps in der DTM sind spannend, Foto: adrivo Sportpresse
Boxenstopps in der DTM sind spannend, Foto: adrivo Sportpresse

Über den Sinn oder Unsinn der beiden Pflichtboxenstopps kann man durchaus diskutieren, findet auch der amtierende Meister Timo Scheider. "Es gab bereits Rennformate mit zwei Rennen und ganz ohne Boxenstopps - und die waren ebenfalls nicht ohne. Es liegt allerdings nicht in meinem Ermessen zu entscheiden, was gut oder was schlecht ist. Ich werde auf jeden Fall in die Box fahren und meine Reifen wechseln lassen, wenn ich zwei Boxenstopps machen muss."

In der Vergangenheit haben sich die Teams immer wieder kleine Tricks und Kniffe einfallen lassen, um das Reglement zu überlisten und sich einen Vorteil zu verschaffen. Doch egal ob Boxenstopps am Ende der ersten Runde, zwei direkt aufeinander folgende Reifenwechsel oder der Einsatz von Jahreswagen als fahrende Blockade - die Organisatoren der ITR scheinen am längeren Hebel zu sitzen: mittlerweile gibt es neben dem Boxenstoppfenster und blauen Flaggen für Fahrzeuge, die noch nicht an der Box waren, auch einen Passus im Regelwerk, der vorschreibt, dass zwischen den beiden Stopps mindestens einmal die Ziellinie überquert werden muss.

Besser als die Formel 1

"Ich kenne kein Contra gegen die Boxenstopps", meint Mercedes-Star Ralf Schumacher. Die obligatorischen Service-Stopps kennt der mehrfache Grand-Prix-Sieger bereits aus seiner Zeit in der Formel 1 - auch wenn man dort doppelt so lange vor seiner Garage hält als in der DTM. "Das ist so ganz gut gemacht. Jeder kann ungefähr erwarten, wann die Autos reinkommen und dass wir zwei Mal stoppen finde ich auch gut."

Besondere Erinnerungen an die Boxenstopps in der DTM müsste Schumachers Mercedes-Vorgänger Mika Häkkinen haben. Der zweifache Formel-1-Weltmeister staubte 2007 den Sieg in Mugello ab, als das komplette Feld während einer Safety-Car-Phase in die Boxengasse abbog, er allerdings schon beide Stopps absolviert hatte und so nach vorne gespült wurde. Unvergessen bleibt auch die Verwirrung von Zandvoort 2004: nach dem Unfall von Peter Dumbreck und dem folgenden Abbruch wusste niemand so genau, wer im verbleibenden Sprint bis zum Ziel noch an die Box kommen musste und wer nicht.

"Die DTM ist Teamsport, da ist ein Boxenstopp ein Faktor, der einfach dazugehört. Von der ganzen Mannschaft muss 100 Prozent Leistung abgeliefert werden. Solange alles gut geht, ist das eine klasse Sache", sagt Audi-Mann Timo Scheider. Wie schnell jedoch etwas schiefgehen kann, musste der Wahl-Österreicher bereits in seiner Opel-Zeit feststellen. 2003 war Scheider beim neunten Saisonlauf in den Dünen von Zandvoort auf dem besten Weg zu seinem ersten Sieg - zumindest bis zum zweiten Boxenstopp. Dann patzte ein Mechaniker und zog das rechte Vorderrad an Scheiders Astra nicht richtig fest. Der Lahnsteiner fuhr nur noch wenige Meter, bis sich das Rad selbständig machte und er seinen Opel abstellen musste.

Immerhin feierten ihn die zahlreichen Zuschauer nach seinem Ausfall wie einen Sieger. Generell scheint die enge Boxengasse der Naturrennstrecke an der Nordseeküste immer wieder für eine Überraschung gut zu sein. So kollidierte Scheider in diesem Jahr bereits während des Qualifyings mit seiner Markenkollegin Katherine Legge. Auch Laurent Aiello sammelte schmerzhafte Erfahrungen in der holländischen Boxengasse: 2001 wurde er von Peter Dumbreck über den Haufen gefahren und schied nur eine halbe Runde später aus.

Zusammenspiel der gesamten Mannschaft

"Wenn nicht alles passt, bekommt man halt gleich die negativen Folgen zu spüren und man hätte sich gewünscht, doch keinen Stopp gemacht zu haben", so Scheider. Dass sich der Ausrichter vor einigen Jahren für einen weiteren, zweiten Boxenstopp entschieden hat, erhöht natürlich das Risiko. "Ob es dadurch wirklich so viel spannender ist, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall mischt sich das Feld durch und man weiß nicht mehr genau, wer an welcher Position fährt. In Sachen Teamsport sind Boxenstopps jedenfalls eine gute Sache - und für die Fans sicher kein Nachteil."

Mehr als zehn Mechaniker überfallen die Boliden, wenn sie ihren Boxenplatz angesteuert haben. Dabei hat jeder eine feste Aufgabe und diese schon unzählige Male durchgespielt und zur Perfektion gebracht. Besonders schnell muss der Mann mit der Luftlanze arbeiten: erst wenn er den Pressluftschlauch aufgesetzt hat, kann das Auto durch Stelzen aufgebockt und die Reifen gewechselt werden. Einige Mechaniker setzen diesen Schlauch sogar schon an, bevor das Fahrzeug überhaupt zum Stillstand gekommen ist - ein perfekter Boxenstopp dauert so weniger als dreieinhalb Sekunden.

Wenn die Mannschaft fertig ist, istv der Pilot auf sich allein gestellt, Foto: DTM
Wenn die Mannschaft fertig ist, istv der Pilot auf sich allein gestellt, Foto: DTM

"Die Boxenstopps sind auf einem sehr hohen Niveau", weiß Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich. Manchmal dauert der Service-Halt bei der Crew gar nicht lang genug. "Oft geht es sogar schon so schnell, dass nicht der komplette Inhalt aus der Tankkanne in das Auto fließt. Auch der Tankmann muss alles perfekt machen, es ist ein Zusammenspiel der ganzen Mannschaft." Selbst der Pilot kann sich nicht ausruhen - sondern wird gefordert. "Er muss das Auto genau auf der richtigen Position zum Stehen bringen." Wenn seine Mannschaft fertig ist, ist der Fahrer wieder auf sich allein gestellt: er darf auf keinen Fall den Motor abwürgen, das Tempo-Limit in der Boxengasse überschreiten oder die weiße Linie bei der Rückkehr auf die Strecke überfahren - zahlreiche Teilnehmer haben sich dabei schon Fehler erlaubt.

So schnell werden die Reifenwechsel und das Nachtanken nicht aus der DTM verschwinden - sorgen sie doch selbst in eintönigen Rennen für etwas Abwechslung. "Der Boxenstopp in der DTM ist ein sehr wichtiges Element, auch um das Team entsprechend in das Ergebnis einzubinden", bilanziert Dr. Ullrich. "So wird Top-Spannung und Performance hereingebracht." Letztlich währt die Freude über einen perfekten Boxenstopp nur so lange, bis wieder etwas schief geht - und das wird früher oder später wieder der Fall sein, denn Menschen machen Fehler...

Der Hintergrundbericht zu den Boxenstopps in der DTM wurde in der Oktober/November-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Hintergrundberichte, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: