Schon allein durch die neuen EU-Richtlinien für den Fußgängerschutz sind die Maße der Silhouette des neuen Audi A4 deutlich anders als bisher. Wie schwierig war es, während der Entwicklung mit der neuen Serienbasis zurechtzukommen?
Albert Deuring: Es ist der Werdegang der neuen Fahrzeuge, dass die Autos - auch unabhängig vom Fußgängerschutz - immer größer werden. Vor einigen Jahren war der Audi A4 mit seinen Abmessungen ein klassisches Mittelklassefahrzeug. Nun bewegen wir uns fast schon auf Oberklasseformat zu. Für die Entwicklung bei Audi Sport bedeutet das eine große Umstellung, auch bei der Arbeit im Windkanal. Doch auch unabhängig von den Abmessungen haben wir dem neuen A4 DTM viele Neuerungen mit auf den Weg gegeben.

Ist das Abt Sportsline noch ein gewisser Einfluss auf die Entwicklung bei Audi Sport geblieben?
Albert Deuring: Wir sind das Werkseinsatzteam, das bei allen Testfahrten vor Ort ist. Die Erfahrungen, die wir in acht Jahren DTM gesammelt haben, können wir während der Tests durchaus in die Weiterentwicklung einfließen lassen. Zudem hat Audi viele Entwicklungspartner übernommen, mit denen wir von 2000 bis 2003 zusammengearbeitet haben. So ist zum Beispiel Dallara wie noch zu Zeiten des TT-R und der Abt-Eigenwicklung für die Windkanalmodelle zuständig. Während der Phase des werksseitigen Comebacks von Audi gab es daher auch einige Konstanten in der Entwicklungsarbeit. Das Audi Team Abt und Audi Sport versuchen vor allem während der Tests und der Weiterentwicklung, eng zusammenzuarbeiten und einen Konsens zu finden. Dass Audi Sport aber am Ende das Sagen hat, ist selbstverständlich.

Wie legen Sie nach den ersten Testkilometern ein Basis-Setup fest?
Albert Deuring: Auf Grund der Entwicklungsergebnisse und der Aero-Maps wissen wir schon vor dem ersten Test, wie sich das Auto theoretisch verhalten sollte. In der Praxis überprüfen wir die Simulationsergebnisse und versuchen gemeinsam mit den Fahrern, anhand der neuen Daten beispielsweise mit Blick auf den mechanischen Grip ein Basis-Setup zu entwickeln. Vor der Saison müssen wir die Grenzen ausloten. Gelingt uns das, haben wir schon einen Grundstein für die spezifischeren Setups, wie die Abstimmungen für Qualifying und Rennen, geschaffen. Vor der Saison sind die Testfahrten ja zum Glück nach wie vor unlimitiert. Somit reisen wir einige Male in den Süden, wo wir die Wetterverhältnisse vorfinden, die uns auch später während der Saison erwarten. Denn bei Streckentemperaturen um den Gefrierpunkt zufahren, die 30 Grad unter den Werten während der Saison liegen, bringt uns relativ wenig.

Die Simulationsdaten für den neuen A4 DTM bestätigten sich nahezu auf Anhieb, Foto: Audi
Die Simulationsdaten für den neuen A4 DTM bestätigten sich nahezu auf Anhieb, Foto: Audi

Wie gehen Sie am Rennwochenende an die Setup-Arbeit heran?
Albert Deuring: Wir kommen an die Strecke und arbeiten während der ersten Testsessions sofort auf das Renn-Setup hin. Mit Long Runs überprüfen wir, ob wir mit unserem Renn-Setup in die richtige Richtung gehen. Frühestens zum Ende der zweiten Testsession wird dann konkret auf das Qualifying hingearbeitet.

Was waren Ihre ersten Eindrücke vom neuen A4 DTM, was sind die aktuellen?
Albert Deuring: Das Auto hat sofort überzeugt und überzeugt immer noch. Es hat ein riesiges Potenzial, doch wenn wir wie bei den ersten beiden Saisonrennen noch immer an der Spitze davonführen, hätte der Zuschauer nicht viel davon. Wenn einem Hersteller die Entwicklung nicht ganz so gut gelungen ist, wie vor dieser Saison Mercedes, gibt es bekanntlich die Zusatzgewichte, die für die nötige sportliche Ausgeglichenheit sorgen sollen.

Bei der Um- und Durchströmung des neuen A4 DTM haben Sie sich am Vorgängerfahrzeug orientiert. Wo gab es beim R14 die Innovationen?
Albert Deuring: Auf Grund der neuen Serienbasis musste streng genommen natürlich alles bis auf die reglementarisch vorgeschriebenen Einheitsteile neu entwickelt werden. Der Entwicklungsprozess ist ähnlich abgelaufen wie beim Vorgänger - allerdings haben wir früher begonnen. Man lebt dabei von den Erfahrungen der letzten Jahre. Daher sind nicht nur von dem letztjährigen A4 DTM Ideen in die Entwicklung eingeflossen, sondern auch von noch früheren Versionen.

Befürworten Sie für die Zukunft aerodynamische Änderungen, um den Piloten das Überholen zu erleichtern?
Albert Deuring: Das Abtriebsniveau in der DTM ist mit dem in der Formel 1 überhaupt nicht zu vergleichen. Allein an der Aerodynamik kann es also nicht liegen, genauso wenig liegt es allein an speziellen Streckencharakteristiken. Aber wenn man sich während der letzten Rennen die Bestrafungen durch die Sportkommissare ansah, fiel auf, dass schon bei kleinsten Berührungen verwarnt oder bestraft wurde. Man sollte aus meiner Sicht nicht kleinlich sein und den Fahrern nicht den Mut nehmen zu überholen. Ralf Schumacher sagte einmal, dass er begeistert ist, wie hart hier gekämpft werden kann, ohne dass man wie in der Formel 1 gleich das Risiko eines Totalschadens eingeht. Das ist der Charme des Tourenwagensports, der von der Rennleitung mitgelebt werden sollte.

Inwieweit hatte aus Ihrer Sicht das neue Boxenstoppfenster auf die Überholambitionen auf der Strecke?
Albert Deuring: Das war schließlich auch der Grund, wieso die strategischen Möglichkeiten durch das neue Sportliche Reglement weit gehend eingegrenzt wurden. Früher hatte man manchmal gar nicht das Interesse, auf der Strecke zu überholen - und hat sich auf die Boxenstopps verlassen. Früher haben wir uns für die Boxenstopps die Zeitpunkte gesucht, die es uns ermöglichten, ohne Überholmanöver auf der Strecke möglichst risikolos nach vorne zu kommen. Für die Zuschauer war nicht mehr nachvollziehbar, wie jemand überhaupt in die Position gekommen war, ein Rennen zu gewinnen. Das für diese Saison geänderte Rennformat trägt nun dazu bei, das Überholen zu fördern. Leider werden diese Bemühungen durch die Rennleitung momentan etwas abgewürgt.