Für ihren bis heute währenden Hang zur Monarchie und Aristokratie sind die Engländer bekannt. Und so wurden auch beim vierten DTM-Saisonlauf in der südenglischen Grafschaft Kent einige Erbprinzen gekürt...

Erblast aus Oschersleben?

Als diszipliniert und rennstrategisch interessant konnte man den dritten Saisonlauf in Oschersleben bezeichnen - vergleichsweise langweilig war jedoch ebenso wenig eine gänzlich unpassende Bewertung. Obwohl auch für Brands Hatch keine neue Rekordzahl an Überholmanövern erwartet worden war, hatte man angesichts der Tücken der britischen Traditionsstrecke ein eher chaotisches Rennen prognostiziert - und wurde zunächst überrascht: Nach einem ebenso wie in Oschersleben disziplinierten Start verlief zumindest das erste Renndrittel äußerst unspektakulär.

"Es hat zwar ein paar Unfälle gegeben, aber die sind alle so geschehen, dass sie ein Safety-Car nicht notwendig gemacht haben", zeigte sich Dr. Wolfgang Ullrich positiv überrascht, "es wurde von der Rennleitung sehr gut reagiert." Und so zeigten die Piloten, nachdem einige Vertreter während des Qualifyings noch einmal die Grenzen ausgetestet - und überschritten - hatten, eine disziplinierte Leistung: Allzu unüberlegte Kamikaze-Aktionen in Zweikämpfen blieben auf der nicht für die modernsten Sicherheitsvorkehrungen bekannten Strecke glücklicherweise aus.

Vanina Ickx - nur sie bestätigte vorherige Befürchtungen..., Foto: Sutton
Vanina Ickx - nur sie bestätigte vorherige Befürchtungen..., Foto: Sutton

Lediglich Vanina Ickx, die am Samstag noch als einziges Ziel ausgegeben hatte, Missgeschicke zu vermeiden, kreiselte aus eigenem Verschulden in einer Neuauflage des Frentzen-Fehlers aus dem Qualifying ins Kiesbett, nachdem sie sich nach eigenen Angaben von einem misslungenen Boxenstopp hatte "nervös" machen lassen. Der Fehler der Belgierin passierte in einer Phase des Rennens, während derer die Duelle zunehmend hitziger wurden...

Erbe aus Hockenheim

Schließlich erlebten die Zuschauer doch noch ein Maß an Zweikämpfen, wie es immerhin dem des Auftaktrennens in Hockenheim entsprach. So demonstrierten einige Piloten insbesondere zur Rennmitte, dass das Überholen auf dem vorher noch als überholfeindlich verschrieenen, weil engen und nahezu keine Geraden aufweisenden Kurs sehr wohl möglich ist: Während sich Christian Abt, dem es endlich noch einmal "richtig Spaß gemacht" habe, begünstigt durch eine gelungene Rennstrategie, insbesondere jedoch durch beherzte Überholmanöver bis auf Platz fünf vorkämpfte, boten sich unter besonderer Beteiligung weiterer Jahreswagenfahrer zuweilen bizarre Duelle dar.

Häkkinen war mehrfach in Zweikämpfe verwickelt, Foto: Sutton
Häkkinen war mehrfach in Zweikämpfe verwickelt, Foto: Sutton

So kam Tom Kristensen im zweiten Stint anders als in Oschersleben diesmal am erneut wenig kooperativen Stefan Mücke vorbei, was jedoch ausgerechnet im Falle des Markenkollegen des Berliners, Jamie Green, weniger elegant gelang: Die beiden weißen C-Klassen berührten sich. Auch Timo Scheider offenbarte eine zweikampfstarke Leistung, die sich nicht nur in gelungenen Überholmanövern gegen Mika Häkkinen und Daniel La Rosa spiegelte...

König Kristensen - Höfling Scheider

Die bekannte Strategie, einen Jahreswagen lange auf der Strecke zu belassen, um die Neuwagenkonkurrenz der gegnerischen Marke etwas einzubremsen, kam diesmal bei Audi zur Anwendung. So tauchte während des zweiten scheiderschen Stints Bernd Schneider im Rückspiegel auf, der allerdings während der folgenden 30 Runden nur selten in die Nähe eines Überholmanövers kam - ob daher überhaupt von einer Blockade gesprochen werden kann, sei dahingestellt.

Timo Scheider fügte sich König Kristensen, Foto: Sutton
Timo Scheider fügte sich König Kristensen, Foto: Sutton

"Wir haben uns auf der Strecke in die Dienste von Audi gestellt, was auch gut funktioniert hat", war unerwartet offen als Zitat Scheiders in der Audi-Pressemitteilung zu lesen; uns gegenüber bestätigte er noch deutlicher: "Wir haben natürlich die Strategie verändert, um die Gesamtsituation für Audi ein wenig zu verbessern." Die Rechnung ging für die Ingolstädter auf: In Kombination mit einer gelungenen Taktik für Mattias Ekström gelang es, den Schweden nach seinem späten zweiten Boxenstopp weit vor Schneider auf die Strecke kommen zu lassen.

So bleibt wie immer die Legalität jenes Manövers festzustellen - ebenso wie jedoch auch die Tatsache, dass sich Timo Scheider und sein Team Rosberg mit jener Schützenhilfe für den führenden Tom Kristensen selbst keinen Gefallen taten: Mit einem früheren, nicht auf den Piloten des im Rückspiegel befindlichen Fahrzeugs ausgerichteten zweiten Boxenstopp wäre für Scheider mehr möglich gewesen als Rang zehn.

Für Kristensen ging es nur bis 17 Runden vor Schluss bergauf, Foto: Audi
Für Kristensen ging es nur bis 17 Runden vor Schluss bergauf, Foto: Audi

Sturz vom Thron

Während Heinz-Harald Frentzen, der in seinem nach dem Crash neu aufgebauten, jedoch im Rennen äußerst zickigen Audi A4 DTM ein Fiasko erlebte, sowie Mika Häkkinen, der sich mit einem Überholmanöver in der ickxschen Gelbzone einen vierten Rang verbaute, Titelambitionen allmählich auf die nächste Saison verschieben dürfen, traf es Tom Kristensen bekanntlich noch schlimmer: 17 Runden vor Schluss brach dem Dänen auf der Fahrt zum sicheren Sieg eine Radaufhängung - Kristensen stürzte unverschuldet vom Thron der Meisterschaftstabelle.

Die bereits in Hockenheim entbrannten Diskussionen könnten erneut hochkochen: Schon nach dem Radaufhängungsbruch Mattias Ekströms war die kritische Frage nach eventuellen, zu radikalen Gewichtseinsparungen im Bereich der Mechanik gestellt worden. Audi bestritt die Vorwürfe - und wird hoffentlich Aufklärung darüber geben, warum ausgerechnet in jenem Bereich wiederholt Schäden auftreten, der für die bei der Entwicklung reglementbedingt eingeschränkten Ingenieure noch Optimierungsmöglichkeiten barg.

Schneider nahm seine Erbschaft gerne an, Foto: Sutton
Schneider nahm seine Erbschaft gerne an, Foto: Sutton

Die Erbprinzen von Brands Hatch

Nach dem Ausfall Kristensens schien der zweitplatzierte und bis dahin inklusive eines gelungenen Starts fehlerlose Jamie Green der logische Thronfolger und Erbprinz zu werden - doch erneut unterlief dem Briten ein Fehler. Begünstigt durch nach einem extrem frühen zweiten Boxenstopp abbauende Reifen rutschte Green in die Wiese und bewies nach einem zuweilen holprigen zweiten Saisonlauf sowie einem verbesserungswürdigen Start in Oschersleben, dass seine Fehlerquote noch dem Niveau seines zweifelsohne herausragenden Speeds angepasst werden muss.

Das greensche Geschenk nahm der schwedische Erbprinz Mattias Ekström dankend an, der sich jedoch ohnehin souverän wie in alten Zeiten präsentierte: Nachdem der Vizemeister des vergangenen Jahres in dieser Saison bislang vom Pech verfolgt schien, stellte Ekström letztlich einen verdienten Ersatz für den moralischen Sieger Kristensen dar. Während der Audi-Pilot mit nun 18 Punkten Rückstand weiterhin nicht zu den Titelfavoriten gehört, sind die Aktien des deutschen Erbprinzen wieder deutlich gestiegen:

Eine sehr solide, wenn auch über das gesamte Wochenende gesehen nicht brillante Leistung genügte Bernd Schneider, um von Kristensen die Tabellenführung inklusive vier Punkten Vorsprung zu erben. Auf dem Norisring bietet sich dem Rekordmeister der DTM die Möglichkeit zu beweisen, dass er derartige Erbschaften auf dem Weg zum fünften Titel im Grunde nicht nötig hat...