Echte Freundschaft im Fahrerlager? Gibt es kaum noch heutzutage. Doch mit Timo Scheider und Timo Glock haben sich zwei gefunden, die einfach perfekt zueinander passen. Bromance im Motorsport! Anlässlich zu Timo Scheiders 39. Geburtstag veröffentlichen wir nun online das Doppel-Interview mit den beiden Kumpels, das wir beim diesjährigen DTM-Saisonauftakt in Hockenheim für die Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com geführt haben. Über wahre Freundschaft, 300 Sachen auf der Autobahn, Drift-Einlagen im DTM-Training und ergaunerte Bootsführerscheine.

Timo Scheider in deinem BMW M4 DTM auf der Rallycross-Piste beim DTM-Auftakt in Hockenheim - das war ein Spektakel. Auf dem Beifahrersitz wirktest du aber etwas verunsichert, Timo...
Timo Glock: Klar, das ist kein Rallye-Auto, verdammt! Und ich wusste, dass das Auto noch Taxifahrten machen muss. Da war ich leicht gestresst...

Timo, aber du hattest deinen Spaß, oder?
Timo Scheider: Ja, natürlich! Ich wusste ja von meinem vorherigen Rallye-Lauf, dass die Strecke theoretisch - theoretisch, weil wir das vorher nicht checken konnten - okay sein sollte für ein DTM-Auto. Ich wusste selber nicht, was mit dem Auto passiert. Dann habe ich vorsichtig geschaut, wie der Grip ist. Und es ging!

Wer sitzt denn am Steuer, wenn ihr beiden privat unterwegs seid?
Timo Glock: Privat sitzen wir eher selten zusammen im Auto.

Timo Scheider: Aber im Boot! Das letzte Mal hast du das Boot gesteuert. Das war bei deinem Junggesellenabschied.

Timo Glock: Stimmt, aber so ganz kann ich mich nicht mehr an die Nummer erinnern...

Timo Scheider: Wir sind ja beide Bootsliebhaber. Da treffen wir uns meist, jeder mit dem eigenen Boot.

Also Boots-Rennen?
Timo Glock: Nee! Na ja, manchmal...

Timo Scheider: Nichts, was man erzählen könnte.

Okay, nächstes Thema. Timo, du dann als nächstes im WRX-Auto?
Timo Glock: Klar! Ich bin ein Riesen-Fan, das ist einfach nur spektakulär. Geil, wie die Autos da reinschießen. Ich muss so ein Auto fahren, da führt kein Weg dran vorbei. Wir planen da aber nix, sondern lassen das einfach mal so auf uns zukommen.

Timo Scheider: Das ist ja das Schöne bei uns. Solche Dinge entstehen einfach, wir müssen keine Pläne machen. Wir sind gleich verrückt, wenn ich das so sagen darf. Quer denken und einfach ein bisschen Spaß haben. Die Einladung steht jedenfalls. Wir versuchen das so schnell wie möglich zu realisieren, dass der Timo mal ein WRX-Auto fährt. Als Freund möchte ich ihm die Gelegenheit bieten, mal so ein Auto auszuprobieren.

Scheider und Glock mit Rallycross-Ausflug im DTM-Boliden (02:03 Min.)

Wie ist eure Freundschaft eigentlich entstanden?
Timo Glock: Intensiver wurde es, als ich damals als Opel-Juniorwerksfahrer in der Formel 3 gefahren bin. Timo ist damals für Opel in der DTM gefahren. Dann waren wir zusammen bei den ersten Fitness-Camps und haben schon gemerkt, dass wir eine Sprache sprechen. Dann gab es eine Zeit, in der wir uns nicht ganz so oft gesehen haben. Durch die DTM wurde es dann wieder intensiver. Es gab aber nicht diesen einen speziellen Moment.

Timo Scheider: Das ist über eine sehr lange Zeit Schritt für Schritt gewachsen. Am Anfang war es natürlich nicht so intensiv, aber das kam immer mehr und da sind Synergien gewachsen.

Timo Glock: Am meisten Spaß hatten wir eigentlich immer beim Feiern. Wenn wir einen gehoben haben, haben wir uns am nächsten Tag kaputtgelacht über alles, was da so vorgefallen war. Du triffst dich also und merkst, es funktioniert. Da müssen wir nicht mal ein Wort miteinander reden und schon lachen wir.

Heute würde man das wohl als Bromance bezeichnen.
Timo Scheider: Ja, irgendwie schon. Das Interessante bei uns ist: Auch, wenn wir uns mal mehrere Wochen nicht gesehen haben und dann treffen, ist das, als ob wir uns gestern gesehen hätten. Das ist halt das Geile, es braucht keine Aufwärmphase oder so bei uns. Die Synergie zwischen uns ist so brutal. Fast schon beängstigend, wenn wir gleichzeitig Dinge sagen oder denken...

Timo Glock: Wir haben auch schon unsere Eltern gefragt. Vielleicht sind wir ja Brüder oder so!

Vermisst du Timo in der DTM?
Timo Glock: Ja, speziell im freien Training auf den In-Laps. Wir haben uns früher immer auf der letzten Runde gesucht, um noch mal so quer wie möglich um die Ecken zu fahren - gern auch im Parallel-Drift. Das vermisse ich schon sehr, jetzt muss ich alleine da rumdriften. Ich habe es schon mal beim einen oder anderen versucht, aber der hat die Message nicht verstanden...

Wie war es in den Rennen?
Timo Glock: Wenn Timo mich mit DRS überholt hat oder ich ihn, dann wusste man, dass man da eh keine Chance hat. Da haben wir uns auch mal gegenseitig zugewinkt. Wir haben uns auch nie bekriegt, sondern immer fair Platz gelassen. Es hat mir nie weh getan, wenn er mich überholt hat.

Timo Scheider: Und andersherum genauso. Wir haben nie versucht, uns gegenseitig ein Bein zu stellen oder sowas. Wenn er schneller war, dann war das halt so. Natürlich hat jeder um seinen Platz gekämpft. Aber wir haben darauf geachtet, nicht die Ellbogen auszufahren und uns gegenseitig die Autos krumm zu fahren. Wir sind clever und wie Freunde miteinander umgegangen.

Ich habe lange recherchiert: Zwischen euch beiden hat es im Rennen niemals geknallt...
Timo Glock: Stimmt, wir haben aber mal gesagt: Wenn wir uns mal in die Kiste fahren, dann wollen wir es auch auf die Titelseite der Bild-Zeitung schaffen. Dann hauen wir uns gegenseitig die Helme ein, so richtig volles Programm!

Timo Scheider: Dazu kam es aber nicht. Ist vielleicht auch besser so.

Wir trafen Timo & Timo am frühen Sonntagmorgen in Hockenheim zum Gespräch, Foto: Simninja
Wir trafen Timo & Timo am frühen Sonntagmorgen in Hockenheim zum Gespräch, Foto: Simninja

In der Öffentlichkeit war eure Freundschaft gar nicht so bekannt. Lag es daran, dass ihr in der DTM für unterschiedliche Hersteller gefahren seid?
Timo Scheider: Nö. Es geht um eine Freundschaft, nicht um eine Marketing-Situation. Hier und da gab es mal gemeinsame Fotos. Es gibt aber Dinge, die privat bleiben sollten. Auf der anderen Seite: Wenn es etwas gab, das für die Öffentlichkeit bestimmt war, gab's da überhaupt kein Problem, das zu kommunizieren.

Ihr seid trotzdem eine Ausnahme. Freundschaft im Fahrerlager gibt es selten. Warum ist das so?
Timo Glock: Stimmt, das ist immer so ein Thema. Wir sind da eine Ausnahme, aber du denkst oft: Der, der dir gerade gegenübersteht, sagt dir nicht die Wahrheit. Du denkst immer, dass da irgendein Hintergedanke ist. Mit Timo war das nie der Fall, aber bei anderen. Du lässt eine gewisse Nähe zu, aber irgendwann machst du einen Cut.

Timo Scheider: Stimmt. 'Bis hierhin und nicht weiter'.

Timo Glock: Ich glaube, das war früher anders. Besser. Da sind die Fahrer abends zusammen weggegangen und haben einen getrunken oder was auch immer. In der Formel 1 war es noch extremer. Da wollte jeder so schnell wie möglich nach Hause, um seine Ruhe zu haben. Aber auch da gab es Synergien. Mit Michael (Schumacher;d.Red.) hatte ich zum Beispiel einen sehr guten Kontakt, wir haben uns viel erzählt. Das hat auch sehr gut gepasst, war aber eben eine Ausnahme.

Timo Scheider: So ein Rennwochenende ist aber auch sehr intensiv und entzieht dir immer mehr Energie. Das wird in der Entwicklung des Motorsports offensichtlich. Selbst in der DTM gab's früher Zeiten, in denen du am Sonntagabend mit allen Herstellern zusammengesessen hast, Norbert ( Haug;.d.Red.) hat noch mal die Küche aufgeschlossen und Opel die Musikanlage ins Fahrerlager gestellt. Diese Geschichten sind jetzt völlig vorbei, die sind weg, das gibt's leider nicht mehr.

Auch wegen der Kommerzialisierung und Professionalisierung des Sports.
Timo Scheider: Ja, im Motorsport steckt immer mehr Geld und Marketing dahinter. Da bleibt kein Platz für Fehler oder Spielereien. Da geht es nur um die Performance am Ende.

Interview mit DTM-Legende Timo Scheider (04:30 Min.)

Wer von euch beiden ist eigentlich der bessere Rennfahrer?
Timo Scheider: Wir!

Timo Glock: Genau, richtige Antwort.

Das ist weder richtiges Deutsch, noch eine richtige Antwort...
Timo Glock: Pass mal auf: Wenn du in der DTM jetzt - Timo inklusive - alle in ein Auto steckst, dann kommt es nur darauf an, wer mit dem richtigen Bein aufgestanden ist. Wir sind alle auf einem extrem hohen Niveau. Für mich sind Fahrer Ausnahmekönner, die sich in ein anderes Rennauto setzen und nach nur wenigen Rennen dann in einem WM-Lauf auf Platz zwei fahren. So wie Timo im Rallycross. Im DTM-Auto passt kein Haar mehr dazwischen, wenn die Fahrer drei Jahre Erfahrung damit gesammelt haben. Den Unterschied machen Ausnahmekönner wie Timo oder Ekström, die in ein Auto einsteigen und auf Anhieb schnell sind. Ich kann noch nicht sagen, ob ich auch ein Ausnahmekönner bin, weil ich noch nie ein Rallye-Auto gefahren bin.

Timo Scheider: Ach, da habe ich gar keine Bedenken!

Timo Glock: Ich kann von mir behaupten, dass ich ganz viele Formelautos und jetzt das DTM-Auto gefahren bin und überall einigermaßen dabei war.

Timo Scheider: Was bedeutet es überhaupt, der bessere Rennfahrer zu sein? Wird das am reinen Erfolg gemessen, oder daran, wie schnell man sich an eine Situation anpassen kann? Um diese Multitalente zu bewerten, musst du in unterschiedlichen Autos gesessen haben. Timo ist x unterschiedliche Rennautos in seinem Leben gefahren. Dieses Querfahren habe ich jetzt neu begonnen. Und wenn ich den Timo so als Typ sehe, glaube ich, dass er da supergeil reinpassen würde. Als Freund weiß ich ihn so einzuschätzen, dass er einen Riesenspaß haben wird. Deshalb glaube ich auch, dass er im WRX-Auto sehr schnell wäre.

Liefert ihr euch abseits der Rennstrecke eigentlich auch kleine Wettbewerbe?
Timo Scheider: Wettbewerb ist da vielleicht das falsche Wort. Es gibt aber immer irgendeinen Blödsinn, der einem von uns einfällt. Da macht der eine einen Dreifachsalto vom Boot - und der andere packt noch einen Bauchplatscher drauf. Es ist einfach immer mit einer Menge Spaß verbunden, wenn wir uns sehen. Das ist das Schöne an der Sache. Es gibt viele Kollegen, die es abends nicht mal schaffen, zusammen normal von der Rennstrecke ins Hotel zu fahren. Selbst da müssen die sich noch Rennen liefern. Da sag ich mir: Das gibt's doch nicht!

Aber ein kleines Ampelduell Glock gegen Scheider war schon mal drin, oder?
Timo Scheider: Ich erinnere mich noch an eine Heimfahrt vom Lausitzring, das war meine spektakulärste ever! Wir hatten damals beide ziemlich schnelle Dienstwagen...

Timo, erzähle die Geschichte doch bitte mal so, dass man sie auch schreiben darf.
Timo Glock: Sagen wir mal so: Wir hatten uns 300 Kilometer von zuhause entfernt an einer Tankstelle verabschiedet. Und 55 Minuten später ruft mich der Timo auf dem Handy an und sagt: 'Ey, ich muss schon wieder tanken!' Da hatte der einfach mal in unter einer Stunde einen ganzen Tank verballert.

Timo Scheider: Ist halt einfach witzig, wenn die Autobahn nachts frei ist und die Tachonadel ständig über 300 km/h anzeigt. Sowas haben wir auch mal nach einem Rennwochenende in Zandvoort gemacht. Da haben wir auf der Heimfahrt spontan einen Zwischenstopp in Frankfurt eingelegt, Hotelzimmer gemietet und dann an der Bar noch einen getrunken. So etwas gehört eben auch dazu unter Freunden.

Man schätzt es einfach an Timo & Timo: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, Foto: Simninja
Man schätzt es einfach an Timo & Timo: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund, Foto: Simninja

Was kann Timo abseits der Rennstrecke besonders gut beziehungsweise besonders schlecht?
Timo Glock: Was er gar nicht kann, sind Schiffsknoten! Der kann kein Zeisingstek oder Roringstek oder wie die alle heißen...

Timo Scheider: Hah, du kennst ja nicht mal alle Namen!

Timo Glock: Da hat er mal auf der Bootsmesse völlig falschen Kram gekauft. Das zeigt halt, dass er beim Bootsführerschein überhaupt nicht aufgepasst hat!

Timo Scheider: Ich weiß gar nicht, ob ich die Geschichte von meinem Bootsführerschein schon mal erzählt habe. Das war der Wahnsinn. Ich hatte die Theorie angefangen und mein Vater und mein Bruder waren schon soweit. Die meinten dann, dass ich die Prüfung einfach mitmachen soll. Ich nur: 'Da falle ich doch durch, ich hab doch keine Ahnung davon'. Ich bin dann trotzdem mit rein und stand direkt hinter meinem Vater, als wir in der Schlange für die Fragebogen warteten. Dann sehe ich, dass ganz oben in der Ablage genau der eine Fragebogen lag, den ich vorher mal als Übung gemacht hatte. Mein Vater hat mir den schnell nach hinten durchgereicht - und ich hab natürlich bestanden! So bin ich zu meinem Bootsführerschein gekommen. Das Fahren war dann eh kein Problem, aber deshalb kenne ich mich mit der Theorie wie Knoten eben nicht so gut aus. Außerdem bin ich ziemlich vergesslich.

Timo Gock: Oh ja, das bin ich auch. Was wolltest du noch wissen?

Was Timo besonders gut kann.
Timo Glock: Timo Scheider sein. Einfach so sein, wie er ist. Er verstellt sich nicht.

Unterhaltet ihr euch privat eher über Motorsport oder über andere Dinge?
Timo Scheider: Ach, kreuz und quer. Es kommt, wie es kommt, wir müssen uns kein Thema aussuchen, über das wir reden. Das Schöne ist: Es muss nicht immer Motorsport sein. Timo, weißt du noch, damals bei der TV Total Stock Car Crash Challenge, als wir allein oben auf der Tribüne saßen?

Timo Glock: Ja, daran erinnere ich mich noch sehr gut.

Timo Scheider: Da hatten wir ein sehr menschliches, ultra-tiefes Gespräch über unsere private Geschichte im Leben, wie die Dinge entstanden sind. Ich bekomme gerade Gänsehaut, wenn ich daran denke! Die hat mir in diesem Moment eine unglaubliche Verbundenheit zum Timo gezeigt, weil wir eine relativ gleiche Story in unserem Leben haben. Das war so ein Moment, in dem ich mich unglaublich zu ihm verbunden fühlte.

Timo Glock: Wir haben die Hosen runtergelassen, sozusagen. Es gab noch keinen anderen Fahrer, der mir seine Geschichte erzählt hat. Jeder Rennfahrer hat in seiner Karriere schon mal die Scheiße am Schuh gehabt. Eigentlich müsste uns das alle verbinden. Aber jeder versucht das irgendwie zu verstecken. Ist leider so.

Euer DTM/WRX-Ausflug war ein guter Anfang. Was erwartet uns in Zukunft von 'TnT'?
Timo Scheider: Damit haben wir auf jeden Fall schon mal gut abgeliefert zum Start!

Timo Glock: Das Video haben ungefähr 300.000 Menschen auf Facebook angeguckt.

Timo Scheider: Aber wie gesagt: Diese TnT-Geschichte ist nichts, was wir uns bewusst überlegen. Das entsteht einfach so bei uns. Wir machen uns da keinen Druck. Es wird ständig irgendwelche Situationen geben, die auch nicht alle mit Motorsport zu tun haben. Da werden wir schauen, dass wir hier und da ein paar Kameras dabei haben werden. Ich denke, der BMW-Familie hat extrem gut gefallen, was jetzt schon daraus entstanden ist. Schauen wir also mal, was noch so kommt. Das Schöne ist, dass wir uns nicht so ernst nehmen und auch mal über uns selbst lachen können. Das ist auch der Plan für die Zukunft: Das Leben leben und Spaß dabei haben.

Timo Scheider ist jetzt schon Teamchef im Motorsport. Würdest du für Timos Team fahren, Timo?
Timo Glock: Ja, sofort! Der kann alles in den Vertrag reinschreiben, das Ding würde ich sofort unterschreiben. Vielleicht kommt das als nächstes: das TnT Racing Team!

Timo, würdest du ihn denn überhaupt im Team haben wollen?
Timo Scheider: Auf jeden Fall! Könnte halt sein, dass dann ständig gelacht wird. Aber das wäre ja das geringste Übel.