Das große Finale wirft seine Schatten voraus. Mit Gary Paffett, Bruno Spengler und Jamie Green haben rein rechnerisch noch drei Fahrer die Chance, die Meisterschaft zu gewinnen. Für den früheren DTM-Fahrer und heutige TV-Experten Manuel Reuter kommen allerdings nur noch zwei Piloten für den Titel in Frage. "Es läuft ganz klar auf einen Zweikampf zwischen Gary und Bruno hinaus. Die beiden liegen nur vier Punkte auseinander. Jamie hat nur noch Außenseiterchancen, etwa wenn beide ausfallen sollten", meinte er. In der großen Final-Vorschau vergleicht Motorsport-Magazin.com die beiden Kontrahenten im Head-to-Head.

Bisherige Leistungen

Drei Punkte, dass hört sich nicht gerade viel an. Doch solange Paffett direkt hinter Spengler ins Ziel kommt und der Kanadier nicht einen der ersten drei Plätze belegt, würde der Vorsprung ausreichen, um den Angriff des BMW-Piloten abzuwehren.

Während der aktuelle Punktestand für den Mercedes-Fahrer spricht, kann Spengler die bisher erzielten Siege für sich geltend machen. Mit drei Erfolgen hat er einen mehr aufzuweisen als der Meisterschaftsführende. Bei Punktegleichstand ginge der Titel somit an den Schnitzer-Piloten.

Urteil: Unentschieden

Stand: 1:1

Auto

In der ersten Saisonhälfte waren die HWAs die stärksten Autos. Auch wenn die Autos im Qualifying nicht immer mit überragenden Leistungen aufwarteten, gewannen Paffett und Green dank überlegener Rennpace drei von fünf Rennen. In der zweiten Saisonhälfte hat sich das Kräfteverhältnis jedoch gewandelt. Während BMW und Audi die vier Rennsiege unter sich aufteilten, wartet Mercedes seit dem Rennen am Norisring auf einen Erfolg.

Bei Mercedes gibt jeder im Team 100 Prozent für den Titel. Reicht das?, Foto: DTM
Bei Mercedes gibt jeder im Team 100 Prozent für den Titel. Reicht das?, Foto: DTM

Mit Anpassungsschwierigkeiten hatte BMW in der Comeback-Saison nicht zu kämpfen. Schnell war BMW bereits auf dem Hockenheimring, die Probleme im Rennen, die dem Neuling beim Auftakt zu schaffen machten, hatten sich spätestens mit Spenglers Sieg in der Lausitz erledigt. Mit vier Siegen hat BMW in dieser Saison mehr Siege eingefahren als Mercedes (drei Erfolge) und Audi (zwei).

Experten-Meinung von Manuel Reuter: "Ich glaube, in Hockenheim wird den Ausschlag geben, wie gut das jeweilige Auto ist. Mercedes hat in den letzten drei Rennen vor allem in der Qualifikation nicht die Performance gehabt, dass man sagen könnte, sie seien auf Augenhöhe. Es wird entscheidend sein, dass Mercedes Gary ein Auto hinstellt, in dem er um den Sieg oder zumindest die Top-5 kämpfen kann. Das fängt schon am Samstag an. Mercedes hat das ganze Jahr über Probleme in der Qualifikation gehabt - die müssen beseitigt werden."

Urteil: Vorteil Spengler

Stand: 1:2

Psyche

Psychologisch sieht sich Paffett klar im Vorteil. "Wir hatten als Team ein schlechtes Wochenende, Bruno hatte als Fahrer ein schlechtes Wochenende", stichelte er nach dem Rennen in Valencia. "Vielleicht zeigt das, dass er nicht damit zurechtkommt." Der Mercedes-Pilot verwies zudem darauf, dass Spengler bereits in einigen Meisterschaftsduellen den Kürzeren gezogen hätte. Er dagegen hätte seine mentale Stärke im Titelkampf 2005 bewiesen, als er sich gegen Mattias Ekström durchsetzte. "Ich habe es schon vorher geschafft, also bin ich bereit für einen weiteren Kampf", kündigte Paffett vollmundig an. Ist es um seine Psyche wirklich so gut bestellt, wie er behauptet?

Bruno Spengler: Ewiger Zweiter oder endlich am Ziel seiner Träume?, Foto: BMW AG
Bruno Spengler: Ewiger Zweiter oder endlich am Ziel seiner Träume?, Foto: BMW AG

Für Spengler klingen die Worte seines Kontrahenten ohnehin wie das Pfeifen im Walde. "Wenn man sich anschaut, was er an diesem Wochenende alles gesagt hat, macht es eher den Anschein, als würde er nervös werden", meinte Spengler auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. Spengler hat tatsächlich wenig Grund nervös zu sein, nach zwei Ausfällen in den ersten fünf Rennen schien der Meisterschaftszug bereits abgefahren. Dank einer furiosen Aufholjagd in der zweiten Saisonhälfte hat er nun alles in der eigenen Hand. Und vielleicht liegt ihm die Rolle des Jägers ja besser als die des Gejagten.

Experten-Meinung von Manuel Reuter: "Gary hat schon eine Meisterschaft gewonnen. Er weiß also, wie es geht, und er fährt schon länger in der DTM als Bruno. Er ist der etwas abgeklärtere, der etwas ruhigere Fahrer. Mittlerweile hat er aber ziemlich viel Druck, weil er in den letzten Rennen einen relativ großen Vorsprung sukzessive verloren hat. Deshalb ist das Momentum bei Bruno. Er hat den Vorsprung mit jedem Rennen verringert und man merkt, dass er sich bei BMW und dem Team Schnitzer extrem wohl fühlt."

Urteil: Vorteil Spengler

Stand 1:3

Form

In der ersten Saisonhälfte sah Paffett schon wie der sichere Sieger aus. In den ersten fünf Rennen feierte der Brite zwei Siege und schaffte zwei weitere Male den Sprung aufs Podium. Im zweiten Teil der Saison lief es dann aber nicht mehr so reibungslos für den Mercedes-Piloten. Nur in Oschersleben gelang ihm noch ein weiterer Podestplatz, beim letzten Rennen in Valencia gab es dafür erstmals keine Punkte. Es sollte Paffett aber zu Gute gehalten werden, dass die Misere in der zweiten Saisonhälfte eher einem nicht konkurrenzfähigen Auto und unglücklichen Situationen auf der Strecke als einem Nachlassen seinerseits geschuldet war.

Gary Paffet führt die Tabelle seit dem ersten Rennen an. Auch nach dem letzten?, Foto: DTM
Gary Paffet führt die Tabelle seit dem ersten Rennen an. Auch nach dem letzten?, Foto: DTM

Für Spengler spricht, dass er in der zweiten Saisonhälfte in jedem Rennen vor Paffett ins Ziel kam, zweimal stand er dabei sogar ganz oben auf dem Podest. Insgesamt machte der 29-Jährige seit der Sommerpause 34 Punkte auf den Spitzenreiter von Mercedes gut. Doch auch beim Kanadier war zuletzt nicht alles Gold was glänzt. In Valencia musste Spengler bereits nach Q2 die Segel streichen und verpasste so eine mögliche Vorentscheidung im Titelkampf. Was möglich gewesen wäre, zeigte Augusto Farfus mit der Pole Position und dem darauffolgenden ungefährdeten Rennsieg.

Urteil: Unentschieden

Stand: 2:4

Strecke

Der Hockenheimring gilt als ausgesprochene Mercedes-Strecke. Sechsmal in Folge triumphierten die Sternenfahrer auf dem Traditionskurs in Baden-Württemberg. Bei insgesamt 65 Auflagen stand 32 Mal ein Mercedes-Lenker ganz oben auf dem Podium. So auch beim Auftaktrennen der Saison 2012, als Paffett und Green einen Doppelsieg feierten. Paffett scheint die Strecke ohnehin gut zu liegen. Mit vier Siegen ist er der erfolgreichste aktive Pilot in Hockenheim.

Von BMW ist beim Saisonfinale dennoch einiges zu erwarten. Im ersten Saisonrennen waren die Autos des DTM-Rückkehrers auf Anhieb konkurrenzfähig - zumindest im Qualifying. Die Kinderkrankheiten von damals sollten inzwischen ausgemerzt sein. Setzt sich der Trend der letzten Rennen fort, besteht sogar die Chance, dass die Münchner die Siegesserie von Mercedes beenden.

Der Titel in der Fahrerwertung wäre für BMW das Tüpfelchen auf dem i, Foto: RACE-PRESS
Der Titel in der Fahrerwertung wäre für BMW das Tüpfelchen auf dem i, Foto: RACE-PRESS

Experten-Meinung von Manuel Reuter: "In Hockenheim ist es für Mercedes in der Vergangenheit und beim ersten Rennen in diesem Jahr natürlich sehr gut gelaufen. Aber BMW hat während der Saison sehr viel dazugelernt. Beim ersten Rennen in Hockenheim haben die Autos einen hervorragenden Eindruck gemacht. Wenn man die Rundenzeiten analysiert hat, konnte man sehen, dass sie da schon den Speed für die vordersten Plätze hatten."

Urteil: Vorteil Paffett

Stand: 3:4

Gesamturteil

Im Zweikampf um den Titel hat Spengler aus Sicht von Motorsport-Magazin.com hauchdünn die Nase vorne. Ob sich der BMW-Fahrer im Comeback-Jahr von BMW tatsächlich den lang ersehnten Titel sichert, wird aber erst das Rennwochenende in Hockenheim zeigen.