Auf dem Papier ist das Jahr 2010 nur Bruno Spenglers drittbeste DTM-Saison. 2006 und 2007 schloss der Mercedes-Pilot jeweils auf Rang zwei und mit dem Vizetitel ab. Am Ende der vergangenen Saison stand nur Platz drei zu Buche. Doch nicht nur beim Blick auf die Punkteanzahl wird klar: Spengler war nie besser unterwegs. Den Titel ließ er sich zum Schluss aber dennoch vor der Nase wegschnappen.

Am Ende kann Bruno Spengler 2010 acht Podestplätze bei elf Saisonrennen vorweisen. Zwei mal schaffte es der 27-Jährige im vergangenen Jahr auf die höchste Stufe. Somit stehen am Ende einer ganz starken Performance des Mercedes-Piloten 66 Zähler auf seinem Punktekonto. Das sind drei mehr, als in seinem ersten Vize-Jahr 2006 und ganze 15 mehr eingefahrene Zähler, als noch im Vorjahr.

Auf dem Lausitzring war die Freude über den Sieg riesengroß, Foto: DTM
Auf dem Lausitzring war die Freude über den Sieg riesengroß, Foto: DTM

Gerade zu Beginn des Jahres 2010 fuhr der sympathische Franko-Kanadier in einer anderen Liga. Zu Saisonmitte schien er den Titel fast schon sicher in der Tasche zu haben. Ähnlich wie im Vorjahr beispielsweise Jenson Button in der Formel 1. Doch auch wenn beide mit Mercedes-Power unterwegs waren - Button schaffte es und rettete seinen Vorsprung ins Ziel, Spengler nicht. Die Gründe hierfür waren vor allem die letzten drei Rennen, sowie die nicht immer optimale Qualifikationsleistung - und nicht zuletzt auch ein ganz starker Gegner Paul di Resta.

Nach dem fünften Rennen am Nürburgring, ergo kurz vor Saisonmitte, lag Spengler bereits 16 Punkte vor seinem schärfsten Verfolger - und das war der Brite Jamie Green im harmlosen Jahreswagen. Gar 19 Zähler betrug der Vorsprung auf den ersten Verfolger aus der Phalanx der Audi. Uneinholbar schien der Mercedes-Mann an der Spitze und zustande gekommen war dies wie folgt:

Überragender Saisonstart

Vier mal Platz zwei und einmal Startrang drei in der Qualifikation der ersten fünf Saisonrennen - Spengler fuhr der Konkurrenz mit einer Konstanz um die Ohren, die so manchem schon unheimlich schien. Zwar schaffte er es über das ganze Jahr verteilt nie auf die Pole-Position, doch am Ende stand dennoch allein siebenmal die erste Startreihe zu Buche. Im Rennen ließ sich der Kanadier zudem nicht aus der Ruhe bringen. Wurde er zum Auftakt am Hockenheimring und in Valencia noch Zweiter, folgte schon am Lausitzring der erste Triumph des Jahres vor Paul di Resta und Jamie Green.

Am Nürburgring fuhr Spengler eigentlich schon meisterlich, Foto: Mercedes-Benz
Am Nürburgring fuhr Spengler eigentlich schon meisterlich, Foto: Mercedes-Benz

Lief es einmal nicht ganz optimal, wie beispielsweise am Norisring, hielt sich Spengler einfach aus allem heraus und brachte sicher die Punkte nach Hause. Rang drei in Nürnberg, hinter den beiden Streithähnen Green und Ekström, war das beste Beispiel dafür. Ein Rennen später unterhalb der Nürburg zeigte der HWA-Pilot dann abermals eine blitzsaubere Leistung und holte seinen zweiten Saisonsieg. Die Zieldurchfahrt vor den Markenkollegen Paul di Resta und Gary Paffett und vor den Augen der Daimler-Belegschaft auf der Mercedes-Tribüne, geriet zum Triumphzug und fast glaubte man, bereits den neuen Meister gesehen zu haben.

Schwächere zweite Saisonhälfte

Doch mit dem Rennen in Zandvoort knickte auf einmal alles ein - der gute Lauf stagnierte. Zum ersten Mal im Jahr 2010 schaffte es Spengler nicht in den vierten Abschnitt des Qualifyings. Rang sieben - mehr war auf dem holländischen Dünenkurs nicht drin. Der Sonntag änderte da nichts. Spengler konnte seine Position nicht mehr verbessern und büßte erstmals wertvolle Punkte ein.

Zwei mal Rang zwei - sowohl in der Qualifikation, als auch im Rennen - in Brands Hatch und Oschersleben, verschafften Spengler zwar wieder etwas Luft, doch Paul di Resta war auf einmal dran. Der Brite gewann die beiden Läufe und fuhr nun in der Form, die zu Jahresbeginn noch sein Markenkollege aus Kanada inne gehabt hatte.

Spenglers Nerven schienen anzufangen zu flattern. Es kam, wie es kommen musste: Am Hockenheimring folgte ein rabenschwarzes Wochenende für den HWA-Piloten. Lediglich Rang elf in der Qualifikation und nach der Verwicklung in eine Kollision und anschließenden Aufhängungsproblemen der erste Ausfall des Jahres im Rennen am Sonntag. Spengler war seine Führung los, versprach den Fans aber, in der neu und unliebsam gewonnenen Rolle des Jägers, nicht aufzugeben.

Scheinbar nahm der Führungsverlust dem 27-Jährigen Wahl-Staßburger somit auch etwas den Druck. Beim folgenden Chaos-Lauf in Italien auf dem Adria International Raceway bewahrte Spenger wieder kühlen Kopf. Nach abermaligem Start von Platz zwei, konnte er das Rennen immerhin als Dritter beenden. Damit eroberte er seine verlorene Führung zurück und schien wieder alles, in den vorherigen Rennen aus den Fugen geratene, ins Gleichgewicht gerückt zu haben. Spengler reiste als großer Favorit und mit drei Punkten Vorsprung im Gepäck zum Saisonfinale nach China. Ein zweiter Platz hätte somit bereits gereicht, um aus eigener Kraft erstmals DTM-Meister zu werden.

Finale in China kostet den Titel

Doch vor Ort kam alles ganz anders. Bereits im freien Training setzte der sonst so ruhige Kanadier seinen Boliden in die Wand. Der Warnung war dieses Malheur scheinbar nicht genug: Auch im wichtigsten Qualifying des Jahres unterlief dem 27-Jährigen ein Fehler - es folgte Startplatz 17 auf einem Stadtkurs. Früh war klar, dass das Rennen für den Mercedes-Piloten zum aussichtslosen Unterfangen werden würde. Die Konkurrenz gab sich indes an der Spitze keine Blöße und für Spengler waren die Punkteränge in weiter Ferne - mehr als Rang 13 war am Ende im Reich der Mitte nicht drin.

Im Normalfall heißt es im Motorsport immer, man würde den Titel nicht in einem einzigen Rennen gewinnen - man könne ihn höchstens in einem Rennen verlieren. Auf Spengler trifft diese Aussage 2010 exakt zu. Die Asientournee zu Abschluss der Saison vermasselte einen ganz starken Auftritt über das Jahr hinweg. Das Einzige, was sich Spengler 2010 ankreiden lassen muss, ist eventuell zu früh das Risiko heraus genommen und versucht zu haben, den Vorsprung einfach zu verwalten. Auch die vielen zweiten Plätze in der Qualikifikation zeugen zwar von Konstanz - aber für ganz vorne reichte es eben nie. Somit blieb auch hier der ein oder andere Punk liegen.

Das Gastspiel in Shanghai lohnte sich für Bruno Spengler wahrlich nicht, Foto: Sutton
Das Gastspiel in Shanghai lohnte sich für Bruno Spengler wahrlich nicht, Foto: Sutton

Dass Spengler in China zu allem Überfluss auch noch von Rennsieger Gary Paffett in der Gesamtwertung abgefangen wurde und somit in seiner sechsten DTM-Saison nur Dritter und gleichermaßen drittbester Mercedes-Fahrer wurde, tat dann auch schon nichts mehr zur Sache. Der Kanadier war maßlos enttäuscht und frustriert: "Ob ich Zweiter oder Dritter werde, ist mir egal. Hier zählt nur der Titel", erklärte er nach der schmerzlichen Finalniederlage. "Das hier ist nicht die richtige Strecke für eine Meisterschaftsentscheidung. Wir waren noch nie hier, niemand hat eine Ahnung gehabt, was uns erwartet. Ich habe noch nie so viele Unfälle in Training und Qualifying gesehen", kritisierte Spengler auch die Verantwortlichen scharf.

Der 27-Jährige fühlte sich wohl ein bisschen um den Titel betrogen - angesichts seiner sonst hervorragenden Saisonleistung war der tiefe Frust verständlich. "Das war hier mehr eine Lotterie", meinte der Kanadier nach dem letzten Lauf geknickt. Spengler hatte Recht: Er zog 2010 nicht das große Los - ein verdienter Meister wäre er ob seiner Leistung gerade zu Saisonbeginn aber in jedem Fall gewesen. Was bleibt ist die Hoffnung auf einen besseren Ausgang im kommenden Jahr. Fährt Spengler so, wie über weite Strecken des abgelaufenen Jahres, führt an ihm kein Weg vorbei - dann bleibt der Kanadier Top-Favorit auf den Titel 2011.