Stéphane, was war dein erster Gedanke am Morgen nach dem Sieg bei der Dakar?
Stéphane Peterhansel: Ich spürte innerlich eine große Genugtuung. Ich habe die Rallye Dakar zwölfmal gewonnen - und das jetzt auch noch mit Peugeot. Mein erster Gedanke nach dem Aufwachen? Wir haben einen richtig guten Job gemacht! Der Sieg war nicht einfach und vor dem Start hatten wir nicht das absolute Selbstvertrauen.

Peugeots Dakar-Rückkehr im Jahr 2015 verlief nicht wie gewünscht. Hast du damals am Projekt gezweifelt?
Stéphane Peterhansel: Peugeot hatte in den letzten 24 Monaten einen langen Weg hinter sich. Sicherlich war das erstes Auto für die Dakar-Rückkehr nicht das beste. Wir haben dadurch aber viele Erfahrungen gesammelt. Wir mussten innerhalb weniger Monate vieles am Auto verändern, aber die Jungs haben wirklich tolle Arbeit geleistet. Ich konnte allerdings nicht ausreichend testen und Testkilometer sammeln. Deshalb war ich vor dem Start nicht 100-prozentig sicher. Am Ende war es eine schöne Überraschung. Unser Auto war sehr schnell, hat eine starke Performance abgeliefert und überzeugte bei der Haltbarkeit.

Es heißt, dass Rennfahrer mit steigendem Alter langsamer werden. Für dich scheint das nicht zu gelten.
Stéphane Peterhansel: Letztendlich ist diese Aussage vollkommen richtig. Aber: Bei der Dakar geht es nicht nur darum, einfach schnell zu sein. Natürlich musst du manchmal Gas geben, aber du brauchst auch eine ganze Menge Erfahrung. Sicherlich war ich etwas langsamer als Sébastien Loeb oder auch Carlos Sainz. Das hatte aber nichts mit meinem Alter zu tun. Zu Beginn der Dakar pushe ich einfach noch nicht so hart. Es war wie immer bei der Dakar: Die Erfahrung ist am Ende wichtiger als der reine Speed.

Ich wollte dich jetzt natürlich nicht als alten Mann bezeichnen...
Stéphane Peterhansel: Nein, nein, kein Problem! Du hast schon Recht: Mit 50 Jahren gehört man im Motorsport nicht mehr zu den Jüngsten.

Du könntest fast der Großvater von Formel-1-Fahrer Max Verstappen sein. Glaubst du eigentlich, dass jemals ein Fahrer außer dir die Dakar zwölfmal oder häufiger gewinnen kann?
Stéphane Peterhansel: Oh, ich glaube, das könnte kompliziert werden. Vor 25 Jahren habe ich meine erste Dakar auf dem Motorrad gewonnen, und jetzt noch einmal mit dem Auto. Ein Vierteljahrhundert lang auf diesem Toplevel zu fahren, ist nicht so einfach. Ich denke, dass ich noch eine ganze Weile lang an der Spitze der Siegerliste stehen werde.

Was hast du in den Momenten gedacht, als deine größten Widersacher Loeb und Sainz Rückschläge erlitten haben?
Stéphane Peterhansel: Ich konnte mir vor dem Rennstart einen Plan zurechtlegen. Jeder weiß, dass Sébastien ein sehr schneller Fahrer ist, in der offenen Wüste aber keine Erfahrung hatte. Es war also möglich, einzuplanen, dass er einen Fehler begehen würde. Carlos war nahe am Sieg dran. Im Vergleich zu mir hat er aber viel härter gepusht, vielleicht zu sehr. Es lief also wieder auf die nötige Erfahrung hinaus. Nach Sébs Unfall und Carlos’ Problemen war es für mich dann einfach, den Vorsprung ins Ziel zu bringen.

Allerdings ist der Sieg vorläufig, weil dein ehemaliges Team X-Raid Einspruch gegen deinen Freispruch infolge der Nachtank-Affäre eingelegt hat. Bist du enttäuscht, dass du warten musst, bis es ein endgültiges Ergebnis gibt?
Stéphane Peterhansel: Nein, darüber bin ich nicht enttäuscht. Ich bin absolut sicher, dass uns Recht gegeben wird. Etwas enttäuscht bin ich nur, weil Herr Quandt ein schlechter Verlierer zu sein scheint. Ich erinnere mich noch an das Duell vor zwei Jahren mit Nani Roma. Damals musste ich mich der Teamorder beugen. Ich glaube, er [Quandt] wollte einfach nicht akzeptieren, dass ich sein Team in Richtung Peugeot verlasse. Das ist wirklich schade, weil ich fünf Jahre bei ihnen war und viele gute Erinnerungen an diese Zeit habe. Dieses Jahr bei der Dakar war es schon komisch, aber ich bin sicher, dass wir alles richtig gemacht haben und den Sieg behalten werden.

Die Nachtank-Affäre wirkte etwas verwirrend für Außenstehende. Wie lief das aus deiner Sicht ab?
Stéphane Peterhansel: Ich bin jetzt kein Spezialist, was das Regelbuch der Dakar betrifft. Während des Briefings wurde klar gesagt, dass der Service zwischen den beiden Etappen in Ordnung ist. Da war auch eine Tankstelle und wir haben nachgetankt. Das war aus unserer Sicht überhaupt kein Problem. Beim anschließenden Treffen mit den FIA-Stewards hieß es dann auch, dass es keine Strafe geben würde. Für mich war die ganze Angelegenheit ein Witz!

Hast du deinen Sieg auch als eine kleine Revanche an X-Raid gesehen, nachdem du dich nach der letzten Dakar ungerecht behandelt fühltest?
Stéphane Peterhansel: Nein. Es war nicht meine Motivation, mich zu rächen. Ich habe einfach nur versucht, mit meinem neuen Team zu gewinnen. Das hatte nichts mit Revanche oder so etwas zu tun.

Wie gewinnst du die Dakar lieber: mit großem Vorsprung, oder eher nach einem Kampf bis zur letzten Stage?
Stéphane Peterhansel: Mit Blick auf den eigenen Stress war es in diesem Jahr sehr angenehm. Aber in den ersten zehn Tagen hatten wir einen richtig harten Kampf. Es war nicht einfach für mich, dem Speed meiner Konkurrenten zu folgen. Während des Rennens lastete eine Menge Druck auf mir. Meine Karriere neigt sich ihrem Ende zu und ich habe nicht mehr so viele Gelegenheiten, noch einmal zu gewinnen. Also musste ich jetzt siegen. Am Ende war es mir dann lieber, mit dem komfortablen Vorsprung gewonnen zu haben.

Peterhansel: Erfahrung schlägt reinen Speed, Foto: Red Bull
Peterhansel: Erfahrung schlägt reinen Speed, Foto: Red Bull

Zu Beginn der Dakar berichteten die Medien fast ausschließlich über deinen Landsmann Sébastien Loeb. Hat dich das nicht geärgert?
Stéphane Peterhansel: Nein, nein, überhaupt nicht. Zunächst einmal fahre ich keine Rennen, um berühmt zu werden oder um in den Zeitungen zu stehen. Ich fahre Rennen, weil ich eine große Leidenschaft für den Motorsport und den Wettbewerb habe. Zweitens habe ich sehr großen Respekt, weil ich weiß, dass Sébastien ein riesengroßer Star im Motorsport ist. Zu Beginn der Dakar war ich ruhiger und habe weniger Interviews gegeben. Stattdessen habe ich die Zeit genutzt, um mich zu erholen und auf mein Ziel zu fokussieren. Für mich war so alles perfekt.

Früh während des Rennens hast du einmal gesagt, dass du Loeb für den besten Fahrer der Welt hältst. War das nur ein Trick, um den Fokus voll auf ihn zu lenken?
Stéphane Peterhansel: Nein, das stimmt schon so, wie ich es gesagt habe. Ich halte Séb für den besten Offroad-Fahrer der Welt. Zu dieser Zeit habe ich mir gedacht, dass ich einfach versuchen muss, ihm zu folgen. Da hatte ich das Rennen aber noch lange nicht aufgegeben. Mir war klar, dass ich absolut die Chance hatte, die Dakar zu gewinnen - weil ich überzeugt war, dass es in der zweiten Woche des Rennens wesentlich besser für mich laufen würde.

Loeb ist der große Star in deiner Heimat Frankreich. Jetzt hast du ihn im direkten Duell besiegt. Kann nicht schaden, oder?
Stéphane Peterhansel: Sébastiens Teilnahme war positiv für viele Leute. Zum einen für die Organisatoren der Rallye Dakar, aber auch für Peugeot, dass sie mit so einem großen Namen an den Start gegangen sind. Für mich war es ebenfalls positiv, denn ich habe ihn letztendlich ja besiegt. Deshalb: Vielen Dank, Monsieur Loeb, dass du an der Dakar teilgenommen hast! Ich hoffe sehr, dass er zur Dakar zurückkehrt.

Neben Loeb war mit Mikko Hirvonen ein weiterer bekannter Fahrer aus einer anderen Serie am Start. Inwiefern profitiert die Rallye Dakar von diesen Motorsport-Stars?
Stéphane Peterhansel: In den Anfängen der Dakar-Geschichte war sie vor allem ein großer Erfolg in Frankreich und Europa. Nach dem Wechsel nach Südamerika wurde sie dort zwar populärer, in Europa hat das Interesse aber etwas nachgelassen. Aber mit Fahrern wie Sébastien Loeb hat die Dakar nun die Chance, in Europa auch in den Mainstream-Medien wieder mehr berücksichtigt zu werden.

Nach dem Sieg gab es Spekulationen, dass dies deine letzte Dakar gewesen sein könnte. Jetzt mal ehrlich: Wie geht es weiter?
Stéphane Peterhansel: Bei dieser Dakar hatte ich eine doppelte Motivation. Erstens, mit Peugeot zu gewinnen. Zweitens, je sechsmal auf dem Motorrad und in der Auto-Kategorie zu siegen. Dann sagte ich, dass die Motivation beim nächsten Mal vermutlich nicht mehr die gleiche sein würde. Aber: Das Fahren mit dem Peugeot 2008 hat mir sehr großen Spaß gemacht. Deshalb wäre es für mich nicht einfach, aufzuhören. Ich nehme mir jetzt erst mal etwas Zeit, um den Sieg zu genießen. Nächstes Jahr bin ich aber wahrscheinlich wieder dabei.

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