Dirk, Glückwunsch zu Platz zwei. Hast Du den gewonnen oder doch eher Platz eins verloren?
Dirk von Zitzewitz: Wir haben definitiv Platz zwei gewonnen! Das war eine tolle Leistung vom gesamten Team und ein Ergebnis, mit dem man vorher nicht rechnen konnte. Ich muss zugeben, dass ich mir das Podium vorgenommen hatte und mit weniger enttäuscht gewesen wäre. Dadurch, dass wir zwischenzeitlich mit um die Führung gekämpft haben, kam bei anderen vielleicht das Gefühl auf, dass wir Platz eins verloren haben. Ein Sieg – das wäre ein echtes Monsterergebnis gewesen. Aber Rang zwei! So, wie wir uns vorbereitet haben, wie das Team und die Technik aufgestellt ist – das ist ein super Ergebnis.

Gab es zwischenzeitlich einen Moment, an dem Ihr geglaubt habt, dass ihr Platz eins packen könnt?
Dirk von Zitzewitz: Ich dachte das gesamte Rennen über, dass wir dicht dran sind und dass wir Nasser Al-Attiyah schlagen könnten. Ein wegweisender Moment war der Marathon-Tag von Chile nach Bolivien und zurück, von dem wir angenommen hatte, Zeit zu verlieren. Wir haben stattdessen sogar insgesamt ein kleines Wenig Zeit gutgemacht. Das hat mich und das hat auch Giniel sehr motiviert. Und eigentlich hatten wir gedacht, ihn am neunten Tag überholen zu können. Aber das ging genau in die andere Richtung los.

War dieser verflixte neunte Tag auch gleichzeitig der Moment, nach dem ihr Euch mit Platz zwei zufrieden geben musstet?
Dirk von Zitzewitz: Der Sieg ist uns an diesem Tag durch die Finger geglitten, als wir alles auf eine Karte gesetzt hatten und navigatorisch die Zeit auf Nasser gutmachen wollten. Ich hatte am Ruhetag diese Abkürzung entdeckt und im Team, unter anderem mit Timo Gottschalk, dem Beifahrer von Yazeed Al-Rajhi, diskutiert. Wir waren uns mit Teamchef Glyn Hall und Giniel einig, dass wir es versuchen wollten. Uns war klar: Wenn das funktioniert, dann greifen wir nochmal nach dem Sieg und haben eine große Chance, am Ende zu gewinnen. Wenn nicht, dann ist Platz zwei und das Podium nicht verloren. Wir konnten also nur gewinnen und nichts verlieren. Hätten wir es nicht gewagt, hätten wir vermutlich rein fahrerisch nicht um den Sieg kämpfen können. Allerdings haben wir bei der Nummer 15 Minuten auf Nasser verloren und waren damit außerhalb der Schlagdistanz zur Führung.

Ist es im siebten Jahr der Dakar in Südamerika überhaupt noch möglich, einen solchen navigatorischen Coup zu landen?
Dirk von Zitzewitz: Es wird immer schwieriger, weil der Veranstalter in diesem Jahr bei der Wahl der Strecken relativ unkreativ war – mit Ausnahme von Bolivien. Wir sind viel auf alten Strecken gefahren, die wir schon seit Jahren sehr gut kennen. Grundsätzlich war die ‚Dakar‘ 2015 navigatorisch und fahrerisch zu einfach. Für das Material und was die Länge der Tage anging war es dagegen eine heftige ‚Dakar‘. In den nächsten Wochen wird es deshalb auch Gespräche mit den Veranstaltern geben, denn alle Teams und Beifahrer setzen sich dafür ein, dass die Strecke wieder anspruchsvoller wird.

Dennoch hast Du hier und da ein paar Minuten mit sauberer Navigation gutgemacht ...
Dirk von Zitzewitz: Dort haben wir eigentlich nur das gutgemacht, was wir vom Leistungsunterschied des Materials grundsätzlich verlieren. Aber die ganz große navigatorische Herausforderung fehlt, und damit die Möglichkeit viel Zeit gutzumachen. Ich bin dennoch zufrieden mit meiner Leistung, denn die Chancen, die sich aufgetan haben, haben wir alle genutzt.

Ist die Dakar noch ein Langstrecken-Rennen oder die Summe von Tagessprints?
Dirk von Zitzewitz: Natürlich ist sie noch ein Langstrecken-Rennen. Bestes Beispiel: Nani Roma, der gleich am ersten Tag wegen eines technischen Problems an seinem Mini das ganze Rennen verloren hatte. Nach nur vier Kilometern. Die einzelnen Tage haben schon Sprint-Charakter. Dennoch muss man das große Ganze im Auge behalten. Denn wenn man es an einem Tag übertreibt, ist man womöglich raus im Kampf um die Gesamtwertung. Also: Ein Langstrecken-Rennen mit vielen Zwischensprints.

Hat Euer großer Gegner Nasser Al-Attiyah dann alles richtig gemacht? War er besser als Ihr?
Dirk von Zitzewitz: Da müssen wir leider eingestehen, dass Nasser und sein Beifahrer Matthieu Baumel insgesamt den besseren Job gemacht haben. Sie waren von Anfang an mit hohem Tempo unterwegs, haben es durchweg gehalten und dabei nur wenige Fehler gemacht. Respekt! Sie haben verdient gewonnen.

Was braucht es noch, um mit dem Hallspeed-Hilux aus eigener Kraft zu gewinnen?
Dirk von Zitzewitz: Wir haben einen Riesenschritt nach vorn gemacht und sehr nah dran an X-raid-Mini. Es gibt ja auch ein paar schöne Aufnahmen, die das belegen – etwa die vom Salzsee in Bolivien. Uns fehlt immer noch ein bisschen Leistung und damit Topspeed. In dem Bereich müssen wir weiter arbeiten – auch wenn das mit dem bestehenden Reglement sehr schwer wird. Auch das Fahrwerk müssen wir weiter optimieren. Erst nach dem vergangenen Jahr haben wir den Bereich erschlossen, der uns in dieser Hinsicht weiterbringt. Aber wir haben noch nicht alle Potenziale genutzt. Auch die Aerodynamik ist noch etwas, wo wir besser werden können. Und beim Gewicht des Autos. Wir wissen also, was wir zu tun haben. Und es sind alles keine unlösbaren Aufgaben.

Die Dakar ist das wohl auslaugendste Motorsport-Event weltweit. Was steht in den kommenden Wochen an – von Erholung abgesehen?
Dirk von Zitzewitz: Erst einmal ist auch Analyse angesagt. In den kommenden Tagen werde ich die einzelnen ‚Dakar‘-Tage noch einmal genau unter die Lupe nehmen, die Zwischenzeiten mit meinen Eindrücken und Aufzeichnungen abgleichen. Damit können wir herausfinden, wo unsere Stärken und Schwächen sind. Das wird dann die Arbeitsgrundlage für die Zukunft. Darüber hinaus wird es hoffentlich die angesprochenen Gespräche mit den Veranstaltern über die Strecken geben. Und wenn das alles abgehakt ist, kümmere ich mich um meine nächste Motorrad-Tour mit Kunden. Da werden wir 14 Tage lang off-road durch die marokkanische Wüste fahren – wie bei einer Rallye. Und darauf freue ich mich schon unheimlich.