Nani, dein Sieg bei der diesjährigen Dakar war sehr emotional. Beschreibe bitte deine Gefühle.
Nani Roma: Ja, da schwangen eine Menge Emotionen mit. Das ist mehr als nur ein Sieg, es ist das Ergebnis der Arbeit eines ganzen Jahres. Es sind nicht nur diese zwei Wochen in Südamerika, da steckt viel mehr dahinter. Das kann man nicht mit der Formel 1 oder MotoGP vergleichen, wo man während der Saison mehrere Siege erzielen kann - bei der Dakar hast du nur ein einziges Mal die Chance dazu.

Was war dein erster Gedanke, als du die Ziellinie überquert hast?
Nani Roma: Ich habe zuerst an meinen 2006 verstorbenen Co-Piloten Henri Magne gedacht. Er war ein toller Mensch und er sagte mir einmal: "Nani, irgendwann gewinnst du die Dakar in der Auto-Kategorie." Leider konnte er nicht dabei sein, als es klappte. Natürlich habe ich auch an die Jungs meines X-Raid-Teams gedacht, denn solch ein Rennen gewinnst du nie allein.

Denkst du während der Rennen manchmal an den tragischen Unfall, bei dem dein Co-Pilot verstarb?
Nani Roma: Nein, jetzt nicht mehr. Im ersten Jahr nach dem Unfall hatte ich das schon manchmal im Hinterkopf, aber seitdem ist viel Zeit vergangen. Ich glaube, dass Menschen in der Lage sind, schlechte Momente vergessen zu können. Es ist komisch, aber ich kann das komplett ausblenden. Viel lieber denke ich an die schönen Momente mit Henri zurück. Wenn der Tag kommt, an dem ich mich nur noch an Negatives aus der Vergangenheit erinnere, höre ich sofort mit dem Motorsport auf.

Welcher deiner Dakar-Siege war schwieriger? 2004 auf dem Motorrad oder jetzt mit dem MINI?
Nani Roma: Der Erfolg auf der KTM war schon ziemlich hart, weil es in der Motorrad-Kategorie viele gute Fahrer gab. Aber im Auto ist der Druck noch einmal ganz anders. Ich habe bei X-Raid mit Stéphane Peterhansel und Nasser Al-Attiyah sehr starke Teamkollegen, und gegen die muss man erst einmal bestehen. Hinzu kommen noch Top-Fahrer wie Carlos Sainz. Ich bin froh, dass ich diesem Druck in meinem dritten Dakar-Jahr mit dem MINI gewachsen war.

Welcher Sieg bedeutet dir persönlich mehr?
Nani Roma: Beide Siege waren natürlich toll, aber 2004 war ich der erste Spanier in der Geschichte, der das Rennen gewinnen konnte. Als ich mich damals auf den Weg zur Dakar machte, kannte mich in meiner Heimat niemand. Als ich knapp einen Monat später mit dem Sieg im Gepäck heimreiste, war die Resonanz überwältigend. Wow, plötzlich kannte mich jeder! Inzwischen bin ich in Spanien bekannter, aber nach meinem diesjährigen Sieg war es auch toll, als mich Leute auf der Straße ansprachen und mir gratulierten.

In Deutschland ist die Rallye Dakar nicht mehr so populär wie früher. Wie sieht es in Spanien aus?
Nani Roma: In meiner Heimat ist die Rallye Dakar sehr beliebt! Zwei TV-Sender berichteten täglich über die Rallye. Das Tollste daran: Nicht nur Motorsport-Fans interessieren sich bei uns für die Dakar, sondern alle möglichen Schichten. Vielleicht ist das in Deutschland auch wieder der Fall, wenn ein einheimischer Fahrer Erfolg hat. Bei uns war es mit der Formel 1 doch nicht anders: Die hat in Spanien jahrelang niemanden interessiert, bis Fernando Alonso kam und Weltmeister wurde.

Foto: Willy Weyens
Foto: Willy Weyens

Dann sollte X-Raid-Teamchef Sven Quandt den deutschen Dakar-Fans vielleicht einen Gefallen tun und nächstes Jahr einen deutschen Fahrer für sich starten lassen. Mit dem MINI scheint Erfolg programmiert zu sein...
Nani Roma: Ja, das wäre eine Möglichkeit. Man kann aber nicht einfach sagen: "Ich setze mich in den MINI und habe automatisch Erfolg." Das Team hat jahrelang darauf hingearbeitet, so etwas kann man sich kaum vorstellen. Es ist wie in jedem anderen Sport auch: Du kannst nur erfolgreich sein, wenn du hart dafür arbeitest.

Die MINIS dominieren die Dakar seit einigen Jahren. Droht das nicht langweilig zu werden?
Nani Roma: Manchmal machen es sich die Leute einfach und sagen, dass du im MINI ja sowieso Erfolg hast. Das stimmt aber nicht, der menschliche Faktor spielt eine sehr wichtige Rolle bei einer langen Rallye wie der Dakar. In der Formel 1 heißt es häufig, dass Red Bull immer gewinnt. Das liegt aber auch daran, dass Sebastian Vettel ein sehr guter Fahrer ist. Mark Webber hatte schließlich das gleiche Auto. Ich sehe es in anderen Sportarten auch gern, wenn Teams eng gegeneinander kämpfen, aber X-Raid leistet eben die beste Arbeit und hat meiner Meinung nach die besten Fahrer. Das macht den Unterschied.

Kurz vor Rennende sorgte die Teamorder bei X-Raid für Aufsehen. Wie siehst du das persönlich?
Nani Roma: Teamorder gab es schon immer bei der Rallye Dakar. Stéphane gewann so etwa die Dakar 2007. Dieses Jahr war es fair von Svend Quandt zu sagen, dass wir alle etwas langsamer fahren sollen, damit es alle drei MINIS auf das Podium schaffen. Mehr hat er Nasser, Stéphane und mir nicht vorgegeben. Er hat nie gesagt, dass Stéphane anhalten und mir ins Ziel folgen soll. Der Grund, warum am Ende Gas rausgenommen werden sollte: Stéphane war mit zwei Reifenschäden unterwegs, ich hatte nur noch einen guten Reifen für die restlichen 400 Kilometer bis ins Ziel und Nasser musste zwischendurch anhalten, um ein beschädigtes Rad zu wechseln.

Aus Sicht der Zuschauer sah es aber unglücklich aus, als Stéphane plötzlich anhielt, du ihn überholt hast und zum Sieg gefahren bist.
Nani Roma: Ja, das verstehe ich auch. Aber es ist schon erstaunlich, wenn man einmal bedenkt, dass der Veranstalter der Dakar aus Frankreich kommt und auch die TV-Produktion in französischer Hand ist: Als ich im vergangenen Jahr 20 Minuten lang auf Stéphane warten musste, wurde das mit keinem Wort erwähnt! Als Stéphane dieses Jahr aber ein paar Minuten auf mich wartete, wurde eine Riesen-Geschichte daraus gemacht... Ich mag so etwas nicht, denn ich denke, dass jeder Fahrer - egal aus welchem Land - gleich behandelt werden sollte. Aber ich freue mich sehr über meinen Sieg, und alles andere interessiert in ein paar Wochen sowieso niemanden mehr.

Hast du dich anschließend mit Stéphane ausgesprochen?
Nani Roma: Ja, und es gab überhaupt keine Probleme. Er weiß auf und abseits der Strecke sehr genau, was er tut. Er übt gern Druck auf seine Konkurrenten aus, aber ich habe ihm gesagt, dass so etwas nichts für mich ist. In der ersten Woche lief es nicht gut bei ihm: Er hatte Reifenschäden am Auto, machte Fehler und kam einmal von der Route ab. Ich kam zu Beginn hingegen super zurecht. In der zweiten Rennhälfte fuhr er sehr stark und ich hatte ein paar Probleme. Am Ende wurde er Zweiter und ich gewann die Dakar - das war's.

Weißt du schon, ob du 2015 wieder für X-Raid bei der Dakar antrittst?
Nani Roma: Ich denke schon, aber wir müssen den Vertrag natürlich noch aushandeln. Ich glaube, dass mich Teamchef Sven Quandt gern wieder an Bord hätte und ich würde ebenfalls gern beim Team bleiben. Ich fühle mich bei X-Raid sehr wohl und kenne die Mannschaft sehr gut. Das sollte die ganze Sache einfacher gestalten. Nächstes Jahr wird es wieder eine neue Herausforderung für X-Raid, weil sie jeder besiegen will - jeder will die MINIS killen.

Du bist jetzt 42 Jahre alt. Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wann mit dem Motorsport Schluss ist?
Nani Roma: Im Vergleich zu einigen anderen Fahrern bin ich doch noch jung! Stéphane Peterhansel ist 49 und Carlos Sainz 52 Jahre alt. Wenn ich eines Tages nicht mehr die Leidenschaft für den Sport empfinde, höre ich auf. Aber im Moment bin ich voll motiviert. Ich will weiter an mir arbeiten, weiter kämpfen und Rennen gewinnen. Wenn du mitten in der Wüste fährst und niemand um dich herum ist, musst du einfach diese Leidenschaft haben, um weiterzumachen. Schau dir Carlos Sainz an: Der ist seit Jahren total rennverrückt, ein erstaunlicher Typ - ich habe großen Respekt vor ihm.

Bei der Dakar kommt es immer wieder zu Todesfällen. Wie gehst du damit um?
Nani Roma: Das ist wirklich schlimm und einer der negativen Aspekte dieser Rallye. Die Organisatoren setzen sich extrem für die Sicherheit ein, aber man darf nicht vergessen, dass es unter den Dakar-Teilnehmern sowohl Profis als auch reine Amateure gibt. Das ist auf der einen Seite toll, auf der anderen sind gewisse Amateure aber vielleicht nicht richtig auf das Rennen vorbereitet. Eine knifflige Angelegenheit. Wenn jemand stirbt, ist das der Horror. Man denkt immer an seine Familie und seine Freunde.

Allzu viel Zeit zum Nachdenken bleibt euch sowieso nicht, ihr müsst ja weiter das Rennen fahren.
Nani Roma: Richtig, man muss sich weiter aufs Rennfahren konzentrieren. Wenn aber ein Freund oder guter Bekannter stirbt, ist das sehr schwierig. Am Tag danach ist es unheimlich schwierig, konzentriert zu bleiben - das musst du aber, das gehört eben dazu.

Glaubst du, dass die Sicherheit noch weiter verbessert werden kann?
Nani Roma: Ja, man kann sich immer verbessern und das Streben nach mehr Sicherheit darf niemals aufhören. Man glaubt aber kaum, wie hart die Organisatoren dafür arbeiten. Dieses Jahr gab es so viele Rettungshubschrauber und ärztliches Personal war ständig in der Nähe - ich habe mich auf jeden Fall absolut sicher gefühlt.

Dieses Interview stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Rund um Weihnachten veröffentlichen wir die besten, unterhaltsamsten und spannendsten Geschichten aus unserem Heft. Auf den Geschmack gekommen? Probiere das Motorsport-Magazin als Hochglanzmagazin aus! Unter folgendem Link kannst du unser Heft für 3 Ausgaben zum Sonderpreis bestellen:

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