Welchen Sieg haben Sie mehr genossen: Stephane Peterhansels Dakar-Triumph 2012 oder die Titelverteidigung in diesem Jahr?
Sven Quandt: Die Titelverteidigung war mit Sicherheit schwieriger, aber der erste Sieg war der süßere, denn dafür haben wir zehn Jahre lang hart gearbeitet. 2012 hatten wir am Ende zwei Autos an der Spitze, das sorgte für etwas Sicherheit. Diesmal stand ein Toyota auf Platz zwei und wir mussten bis zum Schluss zittern. Ich sage es ganz offen: 2013 haben wir nicht wegen unserer Performance, sondern nur aufgrund der Zuverlässigkeit gewonnen.

Schon vor der Dakar hatten Sie sich angesichts der neuen Regeln und der damit verbundenen Schwächung für ihre X-raid Minis pessimistisch gezeigt. Hat sich dieser Eindruck während der Dakar 2013 bestätigt?
Sven Quandt: Ja, eindeutig. Ich habe die Zeitenanalyse studiert und dabei wurde klar: Die Buggys hätten mit mindestens 20 Minuten Vorsprung gewonnen, wenn sie keine technischen Probleme gehabt und ihnen keine Fahrfehler unterlaufen wären. Das ist eine ganze Menge Zeit, wenn man bedenkt, dass Stephane Peterhansel während der gesamten Rallye absolut fehlerfrei war. Stephane konnte im Vergleich zum Vorjahr noch einmal eine Schippe drauf legen.

Also gelten die Buggys für 2014 jetzt schon als große Favoriten?
Sven Quandt: Der Veranstalter muss etwas machen, sonst fahren nächstes Jahr ausschließlich Buggys an der Spitze - das kann nicht Sinn der Sache sein. Ich begrüße einen guten Wettbewerb, aber wenn Durchschnittspiloten plötzlich in den Top-10 fahren und Split-Zeiten gewinnen, kann das nicht normal sein. Das hat nichts mit Talent zu tun, sondern einfach mit der Überlegenheit des Fahrzeuges.

Stephane Peterhansel gewann die Dakar bereits zum elften Mal - wo liegt sein Geheimnis?
Sven Quandt: Man kann sagen, dass Stephane "Mr. Perfect" ist. Er macht so gut wie keine Fehler, weiß seinen Speed richtig einzuteilen und das Auto zu bewahren. Er fährt schnell, wenn er es muss und macht an anderen Stellen langsamer, wenn er sieht, dass es keinen Sinn macht, dort Vollgas zu geben. Er versteht sich blendend mit seinem Co-Piloten Jean Paul Cottret, die beiden liefern einen Traum-Job ab. Stephane ist nicht auf allen Strecken der Schnellste, aber er weiß genau, wo er die Zeit herausholen kann - das ist ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Seine beiden Reifenplatten hatte er erst, als wir ihn mit Nani Roma unterstützen konnten. Stephane war klar: Wenn er sich vorher einen Reifenschaden zuzieht, verliert er zwei bis drei Minuten und das konnte er sich nicht leisten. Stephane ist immer konzentriert, fährt extrem sauber und lässt sich von nichts ablenken. Psychospielchen, die im Biwak immer mal gerne von der Konkurrenz angewendet werden, bringen ihn nicht aus dem Konzept.

X-raid wird nicht selten als Werksteam bezeichnet - für Sie ein Ausdruck von Häme oder Lob?
Sven Quandt: Ich sehe das nicht als Häme, aber es ist klar, dass es aufgrund unserer Professionalität oft heißt, wir seien ein Werksteam und hätten ja das große Geld. Aber da stehe ich drüber und es wird gerne vergessen, dass wir einen langen Weg hatten und uns das alles hart erarbeiten mussten. Diese Bezeichnung erachte ich eher als Lob, denn die Leute drücken damit aus, dass wir genauso schnell sind wie ein Werksteam.

X-raid wird oft auf Werksteam bezeichnet, Foto: X-Raid
X-raid wird oft auf Werksteam bezeichnet, Foto: X-Raid

Kann man Erfolg bei der Dakar kaufen?
Sven Quandt: Nein. Oft hieß es, Volkswagen habe sich seine Siege erkauft, doch das stimmt nicht. Die haben genauso hart gearbeitet wie wir das jetzt tun. Mit Geld kann ich die Zeit zum Erfolg verkürzen, aber den Sieg kaufen kann ich nicht.

Wo liegt Ihrer Meinung nach der Schlüssel für eine erfolgreiche Dakar-Teilnahme?
Sven Quandt: Zuverlässigkeit. Das ist das oberste Gebot bei der Dakar. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren mussten wir während der Rallye bis zu sieben Stunden lang über Nacht an den Autos schrauben, heute sind wir nach zwei Stunden fertig. Wir haben inzwischen einen Standard erreicht, wie ihn Volkswagen früher hatte: So ziemlich jedes Teil hat bis zu 10.000 Test-Kilometer auf dem Buckel, bevor es bei der Dakar eingesetzt wird. Früher konnten wir uns so etwas nicht leisten, jetzt ist das dank unserer gestiegenen Erfahrung möglich.

In den 90er Jahren fuhren Sie selbst bei der Dakar. Hat sich das Flair der Rallye über die Jahre hinweg verändert?
Sven Quandt: Im Camp hat sich nicht viel verändert, es ist nur wesentlich größer geworden. Service und Material sind angestiegen, aber das Miteinander ist gleich geblieben: Man kann immer noch bei den anderen Teams nach Ersatzteilen fragen und bekommt Hilfe. Was sich für mich verändert hat: Früher mussten wir die anderen nach Ersatzteilen für die Autos fragen, jetzt kommen sie zu uns.

Was macht für Sie den Reiz an der Dakar aus?
Sven Quandt: Die Dakar ist das Rennen, das am schwierigsten zu gewinnen ist. Vergleichbar sind da nur die 24 Stunden von Le Mans. Dieses Rennen ist zwar wesentlich kürzer, aber ähnlich herausfordernd für Mensch und Material. Der große Reiz für mich: Einen Dakar-Sieg kann man nicht planen. Auf der Langstrecke ist das eher möglich, wenn man ein überlegenes Auto hat und sich nach dem Rennverlauf richten kann. Bei der Dakar muss man alles vorbereiten, sich auf alles gefasst machen und im Notfall schnell improvisieren können. Man kann alles zu 100 Prozent durchplanen und vorbereiten - am Ende bleibt ein Fahrer plötzlich in der Düne stecken und verliert dadurch sehr viel Zeit. Das hätte auch Peterhansel jederzeit passieren können, der Faktor Glück ist nicht unwesentlich.

Auch diesmal gab es wieder Todesfälle bei der Dakar, drei Menschen verloren ihr Leben. Warum kann man so etwas nicht verhindern?
Sven Quandt: Während des eigentlichen Rennens gab es keine Todesfälle. Das zeigt, dass die Sicherheitsvorkehrungen extrem hoch sind. Die eingeführten Geschwindigkeitsbeschränkungen funktionieren. Aus motorsportlicher Sicht sind wir an einem Punkt angelangt, vor dem man den Hut ziehen muss. Der Motorradfahrer kam während einer Verbindungsetappe ums Leben - hier muss man sich überlegen, ob es sinnvoll wäre, die Zweiräder bei diesen Mammut-Rallyes auf den Verbindungsetappen von LKWs transportieren zu lassen. Die andere Sache war ein ganz normaler Verkehrsunfall - ob der auch ohne die Dakar passiert wäre, kann heute niemand mehr sagen. Ich habe mein Team dazu aufgerufen, sehr vorsichtig zu sein. Aber man kann nie ausschließen, dass irgendwo ein Unfall passiert. Wenn so viele Autos unterwegs sind, kann man nur hoffen, dass alles gut geht. Eine Garantie gibt es aber nicht.

Dramatisieren die Medien Todesfälle während der Dakar?
Sven Quandt: Der Unfall des Motorradfahrers dieses Mal war eine kuriose Angelegenheit, die ist für uns nicht ganz nachvollziehbar und deshalb möchte ich sie nicht kommentieren. Bei der anderen Geschichte handelte es sich um einen ganz normalen Verkehrsunfall, wie sie in Südamerika leider ziemlich häufig vorkommen. Hier dramatisieren die Medien mit Sicherheit. Aber so gibt es etwas zu schreiben und in gewisser Weise verstehe ich das auch.

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